Haus des Lehrers und Fernsehturm - Wie der DDR-Architekt Hermann Henselmann den Osten Berlins geprägt hat

Do 06.03.25 | 20:36 Uhr | Von Anke Hahn
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Archivbild: Haus des Lehrers mit Fernsehturm am 28.10.2020.(Quelle: imago/Juliane Jacobs)
Video: DER TAG | 07.03.2025 | Ute Mueller-Schlomka | Bild: imago/Juliane Jacobs

Hermann Henselmann wäre in diesen Tagen 120 Jahre alt geworden. Der Architekt ist den meisten nur als einer der Schöpfer der heutigen Karl-Marx-Allee bekannt. Aber er hat viel mehr geschaffen, der Osten Berlins trägt bis heute seine Handschrift. Von Anke Hahn

Die Türme sind etwas ganz Besonderes, einzigartig. Sie ziehen die Blicke der Passanten in die Höhe: 13 Stockwerke mit Kuppel. Und das gleich zweimal. Das Bau-Ensemble am Frankfurter Tor im Berliner Bezirk Friedrichshain ist der spektakulärste Teil der Karl-Marx-Allee, die in den 1950er Jahren Stalinallee hieß. Die Architektur von Allee und Türmen nennen die einen Zuckerbäckerstil, die anderen sozialistischen Klassizismus. Hermann Henselmanns Name ist damit eng verbunden, dabei hat er nur die Türme und zwei weitere Häuser entworfen. Die Allee ist das Werk eines fünfköpfigen Kollektivs.

Arbeiterpaläste sollten die Häuser an der Stalinallee werden, keine Mietskasernen. Das ist gelungen. 3.000 Wohnungen mit Komfort wie Fahrstuhl, Bad und Parkett entstanden. Bis heute wirken die Räume edel und großzügig, verglichen mit anderen Neubauten dieser Zeit. Im 10. Stock des Nordturms am Frankfurter Tor ist diese Großzügigkeit zu erleben. Hier, im ehemaligen Atelier Henselmanns, wohnt der Architekt Thomas M. Krüger, der seine Wohnung als Denkmal dieser Zeit eingerichtet hat.

Archivbild: Frankfurter Tor in Berlin Frankfurter Tor in Berlin am 28.10.2022. (Quelle: IMAGO/Sascha Steinach)
Die Gebäude der Karl-Marx-Allee am Frankfurter Tor | Bild: IMAGO/Sascha Steinach

Eine Wohnung à la Henselmann

Wer die Vier-Zimmer-Wohnung betritt, wird zuerst vom spektakulären Ausblick auf den Platz am Frankfurter Tor und die angrenzenden großen Straßen angezogen. Von hier oben wird die Dimension dieses städtebaulichen Ensembles erst richtig deutlich. 2,3 Kilometer lang und 90 Meter breit ist die Bebauung der ehemaligen Stalinallee.

Aber auch das Innere der Wohnung ist sehenswert. Möbel und Accessoires entstanden in den 1950er und 60er Jahren. Seltene Einzelstücke und inzwischen ebenso seltene Objekte aus DDR-Industrieproduktion vermitteln einen Eindruck von der Wohnkultur der damaligen Zeit.

Hermann Henselmann hätte das gefallen, denn die Sessel, Sofas, Tische, Sideboards und Teppiche zeigen deutliche Bezüge zur Kunst des Bauhauses, die Henselmann stark geprägt hat. Seine Frau Irene, ebenfalls Architektin, machte sich einen Namen als Autorin von Artikeln mit Tipps, wie kleine Wohnungen mit wenigen Mitteln individuell und geschmackvoll eingerichtet werden können. Die Möbel dieser Wohnung hätte sie sicher empfohlen.

Archivbild: Der Architekt Hermann Henselmann (links) mit Otto John (M) und Erich Correns am 06.08. 1954 im Ost-Berliner Café Warschau. (Quelle: picture-alliance/dpa/ Heilig)Der Architekt Hermann Henselmann (links) mit dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Otto John (M) und dem Präsidenten des Nationalrats der DDR, Erich Correns, 1954 im Ost-Berliner Café Warschau.

Kompromisse für den Städtebau

Das Paar selbst wohnte mit seinen acht Kindern am anderen Ende der Karl-Marx-Allee am Strausberger Platz im damaligen "Haus des Kindes", ebenfalls ein Werk Henselmanns. Dabei mochte der Architekt die Häuser der Stalinallee gar nicht so besonders. Für ihn waren sie ein Kompromiss zwischen den Forderungen der DDR-Staatsführung nach "Architektur, die den Arbeitern gefällt" und seinem Ideal von moderner Architektur im Stil des Bauhauses, Mies van der Rohes und Le Corbusiers.

Das konnte er erst später verwirklichen, Anfang der 1960er Jahre bei der Neugestaltung des Alexanderplatzes. Hier entwarf er das bekannte "Haus des Lehrers", ein Hochhaus in Glas und Stahl mit einem Bilderfries des Künstlers Walter Womacka. Auch die danebenliegende Kongresshalle wurde nach seinen Ideen erbaut. Bis heute wirkt das Ensemble hochmodern.

Erfinder des Fernsehturms

Was weniger bekannt ist: Auch der Fernsehturm am Alexanderplatz, das Wahrzeichen Berlins, geht auf einen Entwurf von Hermann Henselmann zurück. Ursprünglich reichte er den "Turm der Signale" bei einem Wettbewerb für den Bau eines Regierungshochhauses ein. Dafür allerdings war er der DDR-Führung viel zu abstrakt und modern. Als Fernsehturm wurde er Jahre später dann trotzdem gebaut. Bis heute prägt er die Silhouette Berlins und ist mit inzwischen 368 Metern noch immer das höchste Gebäude der Stadt

Auch bautechnisch war Hermann Henselmann ein Visionär. Er vertrat schon früh die Auffassung, dass der Wiederaufbau deutscher Städte nur durch serielles Bauen gelingen könne, war ein Verfechter von Plattenbauten. Schon in der Stalinallee wurden vorgefertigte Elemente genutzt. Später entwarf er die bekannteste Baureihe der DDR: Plattenbau P2.

Archivbild: Haus des Lehrers, Otto-Braun-Straße, Mitte, Berlin, Deutschland am 22.09.2020.(Quelle: imago)"Haus des Lehrers" mit Mosaikfries von Walter Womacka

Der Architekt - Ein Optimist

Heute stehen die meisten der Bauten Henselmanns unter Denkmalschutz. Sie gelten als wichtige Zeugnisse der DDR-Moderne. Henselmann wird als einer bedeutendsten Architekten der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gewürdigt. Ihn hätte das gefreut. Er sagte einmal in einem Interview: "Der Architekt ist unter den Künstlern der Optimist. Er kann mit seinen Werken nicht kritisieren. Es muss wirken und schön aussehen."

Sendung: DER TAG, 07.03.2025, 18 Uhr

Beitrag von Anke Hahn

18 Kommentare

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  1. 18.

    Sicherlich kann auch so ein angelegter Autoverkehrskreisel wie der Strausberger Platz oder der Ernst-Reuter-Platz zu lauen Stunden mit geringem Autoverkehr eine gewisse AufentHALTsqualität beinhalten, jedoch will ich ja gerade auf das Spannungsfeld hinaus, auf das Paradoxon, dass diesen beiden so bezeichneten Plätzen innewohnt.

    Kein Platz, der wirklich als Piazza wahrgenommen wird, erschließt sich im Wesentlichen von außen, sondern nur von innen. Da haben beide Genannten erhebliche Defizite. (Das betrifft u. a. auch die gewiss attraktiven, ästhetisch anmutenden, aber eben doch Wohnmaschinen seienden Gebäude von Le Corbusier, so großartig auch der Architekt ist. Auch Oscar Niemeyer hat sich im hohen Alter von Brasilia distanziert.)

  2. 17.

    Vielleicht wird Ihnen der Platz begreifbarer, wenn Sie sich, in einer der kommenden lauen Sommernächte, auf einer der verbliebenen Bänke zur Nahsicht, oder vielmehr Nachtsicht niederlassen. Natürlich ist der Kreisverkehr jeweils den Verkehrsachsen geschuldet, nur war der Verkehr bei Entstehung kein so großes Problem wie heute. Für mich ist der Strausberger Platz einer der schönsten Plätze Berlins, der sich aus dem Platzrand heraus erschließt. Leider befürchte ich, dass die riesigen Bäume dort nicht ewig dem Verkehr standhalten werden. Auch die Großzügigkeit der Gehwege in Ost-West-Richtung ist so einladend, dass er eigentlich mehr ist, als eine bloße große Kreuzung. Allerdings ist etwa der Viktoria-Luise-Platz, der auch tagsüber eher einem Idyllcharakter entspricht, auch sehr reizvoll, wenn auch nicht vergleichbar. In Paris gäbe es natürlich ganz andere Pracht-Plätze , z. B. den Place de la Concorde, oder den Place Vendôme, aber das schwebt sicherlich keinem Friedrichshainer vor.

  3. 16.

    Stimmt doch gar nicht. Das mag ihr regionaler Eindruck sein. Bei uns hier ist kein Wohnblock, keine Schule und kein Kindergarten der typischen DDR-Serienarchitektur abgerissen worden

    Nun da haben sie mich missverstanden
    Ich bezog meine Feststellung nicht ausschließlich auf die Architektur.
    Ich kann ihnen gern an Beispielen aus Ostberlin, Potsdam und außerhalb des "Speckgürtels" zeigen, wie ein Land von Ideologen (Palast der Republik, Denkmäler) über Immobilienhaie (SEZ) und anderen Profiteuren architektonisch "zurück entwickelt" wurde. Das fängt meist beim Dorfkonsum an, über DDR - Schwimmhallen, ehemals staatlichen Kinos u.s.w. . Ist so wenn nicht mehr der Mensch sondern das Kapital im Vordergrund stehen.

  4. 15.

    >"Inzwischen befindet sich ja das ganze Land im Rückbau"
    Stimmt doch gar nicht. Das mag ihr regionaler Eindruck sein. Bei uns hier ist kein Wohnblock, keine Schule und kein Kindergarten der typischen DDR-Serienarchitektur abgerissen worden. Im Gegenteil. Alles ist modernisiert, aufgehübscht, dass man den DDR-Serienbau dahinter fast nicht mehr erkennt. Und es wurden noch Blöcke hinzugebaut, genauso wie Kindergärten und Schulen.

  5. 14.

    Schon als Schulkinder lernten wir in der Provinz die Sehenswürdigkeiten Berlins (in diesem Fall natürlich Ostberlin) kennen. Für uns damals besonders beeindruckend der Fernsehturm und die Weltzeituhr.
    Die 2 POS, die ich als Kind besuchte, sind heute nach "Rückbau"
    nur noch Rasenflächen. Inzwischen befindet sich ja das ganze Land im Rückbau und ich wäre froh, wenn ich das Ende hier nicht miterleben müsste. Da war Herr Henselmann schon mal klar im Vorteil. Zur Architektur Ostberlins gibt es gute Literatur von Herrn
    Bruno Flierl (Vater eines ehemaligen Linkepolitikers)

  6. 13.

    Mist Denkmalschutz, die könnt ihr gar nicht so einfach abreissen.

    Vielleicht deshalb die neue Kriegsbegeisterung.
    Auf diese Art wird man den ganzen Osten los.

    Wird dann nur keiner mehr zum Aufbauen da sein.

  7. 12.

    Die Paradestrecke war vom Strausberger Platz bis zum Alex. Also nie die gesamte Karl-Marx-Allee, zumal diese noch einen begrünten Mittelstreifen hatte und hat, im Gegensatz zur Strecke ab dem Strausberger Platz. Aber dort standen dann Plattenbauten und nicht die schönen Häuser östlich des Strausberger Platzes. Selbst Westberlin hat bis heute nichts ebenbürtiges zu bieten. Deren Paradestrecke war eher die Heerstr welche noch im 3. Reich angelegt wurde.

  8. 11.

    Ggf. sei zur "Ehrenrettung" des Nutzers gesagt, dass der Ost-Berliner Strausberger Platz aus einer Fußperspektive genausowenig als "Platz" empfunden wird wie sein West-Berliner Pendant, der Ernst-Reuter-Platz. Strausberger Autoverkehrskreisel und Ernst-Reuter-Autoverkehrskreisel wären treffendere Bezeichnungen, wo beide Plätze nahezu ausschließlich von Geschwindigkeit und nicht von AufentHALT gekennzeichnet sind.

    Aber Beide repräsentieren systemübergreifend die städtebaulichen Vorstellungen der 1950er bis hin zu den 1970ern, begonnen allerdings schon in den ausgehenden Kaiserzeit. (Vgl. Band "Die Welt in 100 Jahren" aus dem Jahr 1913. Diese so bezeichnete Vogelperspektive, die Menschen faktisch als Ameisen begreift, ist mittlerweile durch eine Nahsicht ergänzt, oftmals auch zum Besseren hingebracht worden.)

  9. 10.

    Ich würde gern wissen, wie weit der Vorschlag gediehen ist, die 1956 gebaute Stalin- heute Karl-Marx-Allee und das 1957 zur IBA gebaute Hansaviertel gemeinsam als Welterbe eintragen zu lassen. Systemübergreifendes wie auch Systemspezifisches käme zum Ausdruck und mit dem zeitlichen Abstand von bald 70 Jahre gäbe es auch keinen Drang mehr der Bewertung.

  10. 9.

    Für mich verkörpert die denkmalgeschützte Karl-Marx-Allee ein gutes Beispiel der architektonischen Nachkriegsentwicklung im Osten Deutschlands, angefangen von den bauhausgeprägten Laubenganghäusern Ludmilla Herzensteins (die bald hinter Pappeln verschwanden) über den Neoklassizismus sowjetisch-preußischer Art im hinteren Teil der Magistrale bis zur internationalen Moderne Richtung Alexanderplatz. Man muss kein Anhänger des "Zuckerbäckerstils" sein, um gerade den östlichen Abschnitt der Straße auch wegen der Sichtachse sowie des Verhältnisses von Gebäudehöhe und Straßenbreite beeindruckend, ja metropolenwürdig zu finden. Schade, dass der Boulevard nicht über die kleinteilige Lebendigkeit der Frankfurter Allee verfügt sondern im wesentlichen als Autostrada fungiert. Gut wiederum, dass die Straße heute nicht mehr als Paradestrecke für Panzer und militärisches Tschingderassabum zur Erbauung einer Altherrenriege missbraucht wird. Wer das vermisst, ist auf dem Roten Platz besser aufgehoben.

  11. 8.

    Ich verstehe den Hinweis des Foristen eher als zarten Hinweis auf die falsche Schreibweise des Platznamens im RBB-Beitrag.

  12. 7.

    Es war wirklich eine andere Zeit, der kalte Krieg war weitaus berechenbarer weil damalige Politiker Krieg erlebt hatten. Die wussten was sie taten. Ich habe unsere „Prunk“-Bauten geliebt. Tolle Architektur. Die Straßen waren auch sauberer und sicherer, die Menschen untereinander höflicher. Im Moment erlebt man ein Irrenhaus. Ich hätte nie gedacht das Trump der besonnenere Politiker gegenüber der EU ist zur Ukraine. Heute haben 27 fragwürdige Personen ungefragt über das Schicksal von über 500 Mill EU-Bürger entschieden.

  13. 6.

    Der berühmte Springbrunnen auf dem Strausberger Platz wird auch gerade „Totrestauriert“ wie das SEZ

  14. 4.

    Schon Ihre Frage nach dem Straussberger Platz disqualifiziert Sie hier. Wer sind sie wo wohnen sie? Der Strausberger Platz ist einer der größten Plätze in Berlin Friedrichshain. Bevor man Kommentare abgibt , bitte vorher googeln. Spart Spott lieber Zeitgenosse!

  15. 3.

    Die Bauten müssen dem Westen ganz schön Angst machen wenn man die alle beseitigen will. Es war eine friedliche Zeit und Ost-Berlin hieß mal „Stadt des Friedens“. Auch das stimmt nicht mehr. Da wünsche ich mir lieber die DDR wieder zurück bevor man wieder einen Weltkrieg von hier lostritt. Die Hysterie sitzt in Brüssel und Berlin. Nicht ein Zentimeter EU wurde angegriffen, aber unsere Drohnen fliegen russische Ziele an, nicht umgekehrt.

  16. 2.

    "Straußberger Platz"? Wo soll der sein?

  17. 1.

    Diesem wunderschönen Artikel ist eigentlich gar nichts hinzuzufügen :-) außer ein "Danke". Danke an den wunderbaren Optimisten Henselmann, der in meinen Augen zeitlos schöne Bauwerke geschaffen hat, jeder Stilrichtung etwas besonderes gegeben hat! Und danke auch Anke Hahn für den Artikel!

    Bitte erhaltet die Bauten der DDR, es sind schon so viele verschwunden.....

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