Interview | Meteorologin - Was es mit der Wetterfühligkeit vieler Menschen auf sich hat

Sa 22.03.25 | 11:49 Uhr
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Symbolbild: Müder junger Mann berührt seinen Kopf. (Quelle: dpa/Mariano Gaspar)
Audio: rbb|24 | 21.03.2025 | O-Ton aus dem Gespräch mit Kathrin Graw | Bild: dpa/Mariano Gaspar

Migräne wegen des Wetterwechsels? Der alte Bruch am Bein kündigt Schnee an? Viele Menschen glauben, dass das Wetter ihre Gesundheit beeinflusst. Und manche denken sogar, sie können Wetterereignisse vorab fühlen. Eine Bio-Meteorologin verrät, was dran ist.

rbb|24: Hallo Frau Graw. Sind sie wetterfühlig oder kennen Sie Menschen, die es sind?

Kathrin Graw: Ich bin noch nicht wetterfühlig und ich hoffe, ich werde es auch noch nicht so schnell. Aber ich kenne doch recht viele – vor allem ältere – Menschen, die es sind.

Kathrin Graw. (Quelle: privat)
privat

Bio-Meteorologin - Kathrin Graw

Kathrin Graw hat Meteorologie studiert und arbeitet beim Deutschen Wetterdienst (DWD) als Bio-Meteorologin.

Was bedeutet es genau, wenn jemand wetterfühlig ist?

Man kann das in wetterreagierend, wetterfühlig und wetterempfindlich unterteilen. Wetterreagierend ist erst einmal jeder Mensch. Wetterfühlig sind Menschen, die wetterbedingte Beschwerden im Wohlbefinden spüren. Man geht davon aus, dass das Funktionsstörungen des vegetativen Nervensystems sind, die dazu führen, dass man psychische oder physische Reaktionen darauf zeigt, wenn ein bestimmter Wetterreiz das eigene System überfordert. Wetterempfindliche Menschen leiden an Vorerkrankungen, die durch das Wetter verstärkt werden können. So können Beschwerden, die diese Menschen sowieso schon haben, durch das Wetter verstärkt auftreten.

Gibt es typische Symptome?

Da geht es um Kopfschmerzen, Migräne, Abgeschlagenheit oder auch Müdigkeit. Aber auch Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Es können aber auch Herz-Kreislauf-Beschwerden sein, asthmatische Symptome. Auch rheumatische Erkrankungen wie Gelenkschmerzen gehören dazu. Letztere betreffen eher die Wetterempfindlichen.

Abgeschlagen und müde fühlen sich ja viele Menschen. Die Symptome müssen bei Wetterfühligkeit dann sicherlich auch mit einem Wetterereignis zusammenhängen?

Ja, genau. In Studien hat sich gezeigt, dass vor allem Wetterwechsel auslösende Faktoren sind. Denn bei Wetterwechsel ändern sich sehr viele hydrologische Parameter gleichzeitig, die den Organismus überfordern können. Dadurch kann es zu Beschwerden kommen.

Ist man meistens im negativen Sinne wetterfühlig?

Es gibt auch den positiven Einfluss des Wetters. Gerade, wenn beispielsweise eine Kaltfront durchgezogen ist und die Luftmasse gewechselt hat, fließen häufig kühlere Luftmassen ein. Das kann konzentrations- und aktivitätssteigernd wirken. Man hat auch festgestellt, dass im Hochdruckgebiet einen positiven Einfluss auf die Gesundheit gibt – zumindest, wenn es nicht gleichzeitig eine hohe Wärmebelastung gibt.

Gibt es auch Wetterfühlige, die das Wetter quasi vorhersehen können wegen ihrer Wetterfühligkeit? Also wenn deren alte Narbe schmerzt, kommt Schnee?

Die subjektive Empfindung, vorfühlig zu sein, haben sehr viele Menschen. Diese Vorfühligkeit kann man aber sehr schwer nachweisen. Es gibt dazu keine belastbaren Studien. Aber man weiß, dass das häufig auftritt und teilweise auch zutrifft.

Wetterfühligkeit ist an sich keine Krankheit, sondern das Wetter kann bestimmte Beschwerden verstärken

Kathrin Graw

Apropos Nachweis. Weiß man ungefähr, wie viele Menschen in Deutschland wetterfühlig sind?

Ja, dazu haben wir in den letzten Jahren immer mal wieder Umfragen gemacht. Die letzte war im Jahr 2021. Da haben wir eine repräsentative Umfrage in Deutschland erstellt, um den Einfluss des Wetters auf die Gesundheit zu erfragen. Etwa jeder zweite Deutsche hat da angegeben, dass das Wetter einen Einfluss auf die eigene Gesundheit hat.

Da erübrigt sich die Frage, welche Menschen besonders betroffen sind von Wetterfühligkeit ja fast.

Wir haben in dieser Umfrage auch untersucht, ob es bestimmte Gruppen gibt, die häufiger wetterfühlig sind. Da hatte sich auch in den Umfragen in den Jahren vorher schon gezeigt, dass es mehr ältere Menschen als jüngere sind. Das liegt auch daran, dass im Laufe des Lebens bestimmte Krankheiten auftreten können. Und auch, dass die Gefäße im Lauf des Lebens etwas versteifen und sich dadurch nicht mehr so gut anpassen können. Und gerade darum geht es bei Wetterfühligkeit: dass sich der Körper an die Wetterwechsel anpassen muss. Was auch in der Studie auffiel, ist, dass chronisch Kranke häufiger unter Wetterfühligkeit leiden als gesunde Menschen. Und Frauen sind häufiger als Männer betroffen. Das kann beispielsweise auch mit den Hormonen zusammenhängen.

Am besten belegt ist der Einfluss des Wetters auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die betroffenen Menschen ist eine der größten von Wetterfühligkeit betroffenen Gruppen.

Sie haben das Thema Hormone schon angesprochen. Gibt es noch mehr Faktoren, die neben dem reinen Wetter Einfluss haben?

Da spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Wetterfühligkeit ist an sich ja keine Krankheit, sondern das Wetter kann bestimmte Beschwerden verstärken. Die Reaktion auf das aktuelle Wetter hängt immer vom momentanen allgemeinen Gesundheitszustand ab. Aber auch vom persönlichen Empfinden, vom Geschlecht, vom Alter und von sonstigen Belastungen wie Schlafmangel oder Stress. Genau das macht es am Ende so schwierig, Wetterfühligkeit nachzuweisen. Weil sie eben von so vielen Faktoren abhängt und das Wetter normalerweise nur der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Wenn sich jemand sicher ist, dass er oder sie wetterfühlig ist und darunter leidet – was kann der- oder diejenige dagegen tun?

Um Wetterfühligkeit zu reduzieren, kann man seinen Körper trainieren, indem man möglichst häufig und bei jedem Wetter rausgeht. Dabei sollte man den Körper nicht überfordern, sondern sich langsam steigern und sich dem Wetter – beispielsweise bei Spaziergängen – aussetzen. So – durch Kälte-Wärme-Reize - kann man sein Thermo-Regulations-System trainieren. Am besten geht das, wenn es eher kühl ist und man sich so bewegt, dass man gerade nicht mehr friert. Denn dann muss der Körper eine eigene Anpassungsleistung bringen und das trainiert die besagte Regulationsfähigkeit, die bei wetterfühligen Menschen häufig eingeschränkt ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

16 Kommentare

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  1. 16.

    Wer sagt denn, dass ich mit meiner allgemeinen Feststellung nur in einem sonnigen Paradies leben möchte? Nur paradiesische Wetterzustände wären auf Dauer auch langweilig und einem überdrüssig. Ich mag auch die trüben melancholischen Tage fürs Gemüt als Vorfreude auf dann evtl. wieder sonnige Tage. Auch die Wetterabwechselung ist Teil eines interessanten Lebens. ;-)
    Und ja, Regen tut echt Not derzeit.

  2. 15.

    Geht mir genauso. Und das, obwohl ich das Aufblühen der Natur eigentlich genieße und liebe.
    Alles Gute!

  3. 14.

    Für mich einer der entscheidendste Sätze:
    "So – durch Kälte-Wärme-Reize - kann man sein Thermo-Regulations-System trainieren. Am besten geht das, wenn es eher kühl ist und man sich so bewegt, dass man gerade nicht mehr friert."

    Das ist eine Absage an das Maximale. Das Maximale in Form des kleidungsmäßigen Einpackens bis zum "Get no", das Maximale an Befürchtung, soweit ein grauschwarzer Himmel aufzieht oder auch das Maximale in der Form, Kälte mit aller Gewalt durchzustehen.

    Nur das und ich empfinde, daran an Frau Graw ggf. anzuknüpfen: Dem körpereigenen Immunsystem in begrenzter Weise "Futter" zu geben, anstatt ihm "Futter" zu entziehen.

  4. 13.

    Das mag bei „euch“ so sein, wer immer „ihr“ seid. Mir fehlt jetzt aktuell Regen. Immer nur blauer Himmel und Sonne ist für mich doof. Ja, ich mag wechselhaften Wetter. Von ständig blau und sonnig werde ich genervt.

  5. 12.

    Bei mir ist es extremer. Ich bin klimafühlig! Bei Klimawandel krieg ich sofort Bohnen in die Ohrn.

  6. 11.

    Warum Sie beim Thema Wetter, wie auch bei anderen Themen immer mit dem Alkohol kommen, ist Ihr Problem. Vielleicht mal Hilfe holen?

  7. 10.

    Nee, das is bei mir umgekehrt: Sonne und Wärme nervt mich, Dunkelheit und Kühle entspannt und ich fühl mich wohl!
    Sie sind der Mainstream, also einfach gestrickt.

  8. 9.

    Oder umgekehrt! Es gibt auch die Sommer- oder Schönwetterdepression. Ich kann drauf warten. Hochdruckwetter, am heftigsten bei Ostwetterlage - und ich kann mich zu nichts mehr aufraffen, werde ungehalten bis zur Aggressivität, Konzentrations- und Merkfähgkeit sind im Keller. Und am shclimmsten: niemand versteht das. "Jetzt komm, ist doch sooo schön draußen! Mir geht das Wetter derzeit sowas von auf den Keks!

  9. 8.

    Interessanter und aufschlussreicher Artikel. Vielen Dank.

  10. 7.

    Ein sehr informativer Artikel, der schon auf die Knachkpunkte kommt! Wer stets in irgendeiner Form überfordert wird, kann Kopfschmerzen und bei Dauer(einflüssen) auch Migräne entwickeln. Mit einem (Sommer)Hoch steigt oft die Menge der Sonneneinstrahlung (Helle) und schon können " Disponierte"auf eine Migräne 'warten', noch dazu, wenn ein/der schnelle Temperaturanstieg die Wärmebelastung "(Be)fördet" - dann geht eine Körperreaktion nach der anderen ganz fix. Aber in den sehr warmen/heißen Sommermonaten haben auch andere Menschen ziemlich durchgehangen. Da gibt's nicht mehr viel zu vertuschen o. zu mahnen: wie, selber Schuld, oder streng dich mal (ein bisschen) an - es fehlt eben auch der Sauerstoff in der Luft. Und mit viel Wasser trinken, kann man sich ganz gut behelfen, meine Erfahrungen. Na, ja, und recht frostige Kälte ist für am Herzen Geschädigte auch nicht das Optimale. Trotzdem, danke für die Erklärungen. Sommers mehr schattige Orte in den Städten, das wäre schon nicht schlecht!

  11. 6.

    Bin ein Barometer. 1019 hP - zack, Aura (Migräne-Meniere-Overlap). Start: 12.LJ
    Feuchtigkeit, egal, ob warm der kalt: zack, Rheuma-Beschwerden (vor allem Raynaud und Gelenkschmerzen).
    Vor-fühlend aber bin ich eher nicht.
    Nach-tragend auch nicht :D.

  12. 5.

    "Etwa jeder zweite Deutsche hat da angegeben, dass das Wetter einen Einfluss auf die eigene Gesundheit hat."
    Das sowieso. Erst Recht bei der gefühlten mentalen Gesundheit. Scheint die Sonne, ist das Gemüt entspannter und positiver ausgerichtet. Ist es nur trübe und dunkel, fühlen wir uns eben nicht so optimal. Das normale Leben halt...

  13. 4.

    Sehr guter Artikel. Ich bin wetterfühlig.
    Das Wetter spielt eine große Rolle wie man sich fühlt.

  14. 3.

    Oder bei Kälte Promillezahl rauf, und bei Wärme runter, geht auch!

  15. 2.

    Auch nicht an Vorerkrankungen leidende Menschen können wetterfühlig sein und z. B. bei plötzlichem Wetterumschwung Migräne oder Kopfschmerzen bekommen.

  16. 1.

    Vielen Dank, sehr informativ!

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