Amtsposse in Frankfurt (Oder) - Fruchtmus-Herstellerin muss Etiketten wegen zu kleiner Schrift austauschen

Mi. 30.04.25 | 11:33 Uhr
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Ein Fruchtaufstrich-Etikett, auf dem die Schrift der Füllmenge zu klein ist (Quelle: rbb)
Audio: Brandenburg Aktuell | 29.04.2025 | Michael Lietz | Bild: rbb

Eine Obstbäuerin bekommt Ärger mit der Lebensmittelüberwachung: Mit ihrem Frucht- Aufstrich ist zwar alles in Ordnung. Doch die Schrift auf den Etiketten ist zu klein und weicht um 0,33 Millimeter von der Norm ab. Was nun?

Katja Brecht produziert seit über 20 Jahren in Frankfurt (Oder) Aufstriche aus regionalem Obst. Eigenhändig kochen sie und ihre Mitstreiter Markendorfer Beeren in Gläschen ein - alles unter Aufsicht der Behörden. "Wir haben uns an die Vorgaben gehalten und dann eine Marmeladen-Küche eingerichtet", erklärt Brecht. "Nicht mehr so wie Omas in einem Windeltopf, sondern richtig in einem Edelstahl-Kessel und extra separiert gekocht."

Innen hui,...

Dass alles seine Ordnung hat, wird einmal jährlich vom zuständigen Amt für Lebensmittel-Überwachung geprüft. Obwohl sich Katja Brecht sicher ist, alle Vorgaben erfüllt zu haben und die Früchte sauber ins Glas kommen, war der bange Blick in den Briefkasten auch diesmal wieder unbegründet.

So teilte die Behörde nach eingehender Prüfung mit, dass es in Sachen "Beschaffenheit und Zusammensetzung der Ware" keine Beanstandungen gibt, wie aus einem Schreiben hervorgeht. "Das ist für mich das Nonplusultra“, so die Obsthändlerin. "Bei allem anderen kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass da jetzt irgendwas sein muss."

...außen pfui?

Denn plötzlich wähnt sich Katja Brecht in den Fängen der Behörde. Beanstandet wird nicht das Mus, sondern die Etiketten und das Kleingedruckte unter den Zutaten – buchstäblich. So muss die Füllmengenangabe ganz unten auf den Gläsern mindestens drei Millimeter groß sein, heißt es von der Behörde, die Alarmierendes entdeckt hat. "Die [...] Angabe der Füllmenge mit einer Schriftgröße von 2,67 mm unterschreitet die Mindestschriftgröße deutlich […]."

Katja Brecht und die Amtsposse um Etiketten für MarmeladeKatja Brecht und die Amtsposse um Etiketten für Marmelade

Fachmann: Laie wird Unterschied nicht merken

Produzentin Brecht reagiert fassungslos und fragt sich: "Was sind denn da wirklich ganz krasse Unterschreitungen?"

Eine Antwort auf die Frage kann der Fachmann Thomas Kühl liefern. Er ist Drucker und Setzer aus Müllrose (Oder-Spree) und kennt sich mit Schriftgrößen und Millimetern aus. Ein Drittel eines Millimeters wären ihm zufolge ganz drei Blatt Papier übereinander getürmt. "Der Fachmann sieht das, der Laie wird ohne Vergleich den Unterschied von 0,33 mm in den wenigsten Fälle erkennen", erklärt Kühl. "Also ich würde es persönlich als unerheblich gerade bei einem Etikett beschreiben."

Hilferuf an Ministerin

33 hundertstel Millimeter: da überziehe Jemand das mit der Bürokratie, ärgert sich Katja Brecht und sucht Hilfe bei der Brandenburgischen Landwirtschaftsministerin Hanke Mittelstädt (SPD). Diese habe immerhin radikalen Bürokratieabbau versprochen. Entsprechend wendet sich die Frankfurterin nun mit einem Brief an das Ministerium - in Schriftgröße 14 mit 4,94 Millimeter. Eine Antwort steht bis dato noch aus.

Immerhin: Laut Überwachungsamt darf Katja Brecht aus Kulanzgründen die nächsten 100 Etikette noch verwenden. Dann aber sei Schluss und bei Zuwiderhandlung drohe eine Strafe. Schwierig ist der Köchin zufolge nur, dass in den vergangenen Jahren immer mehr mit auf das Etikett musste und damit auch der Platz immer weniger wurde.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 30.04.2025, 19:30 Uhr

Mit Material von Michael Lietz

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21 Kommentare

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  1. 21.

    Ich gehe mal davon aus, dass die Früchte ohne Konservierungsmittel verarbeitet werden. In größeren Gläsern verdirbt dann gern mal was und wird weg geworfen, das kann niemand wollen. 0,3 mm Schriftgröße fehlen nicht etwa bei den Inhaltsstoffen, sondern bei der Füllmengenangabe. Man könnte glauben, der Untergang des Abendlandes stünde deswegen bevor.

  2. 20.

    Dem Amtsschimmel kann man hier wenig Vorwürfe machen. Eher den Gesetzgebern, und diese sitzen häufig in Brüssel für diese Sachverhalte.

    Allerdings muss man Brüssel wieder zu Gute halten, dass die sich gerne gegen die großen multinationalen Konzerne stemmen.

    Und die kleinen sind dann Kolateralschäden - bei Behörden da keine Unterschiede machen dürfen.

  3. 19.

    Größere Gläser verwenden? Größere Etiketten, größere Schrift, höherer Preis natürlich. :)

  4. 18.

    St. Bürokratius in Höchstform. Für kleine Schriften gibt es Lesebrillen, zur Not Rossmannscherben, 0,3 mm mögen bei Feinmechanik oder für Werkzeugmacher wichtig sein, aber nicht bei Buchstaben - und das ist nur die Spitze des Eisberges.

  5. 17.

    Macht Euch ruhig lustig, wartet mal ab, bis es Vorschrift wird, dass die in Deutschland von den Meisten gesprochene Sprache (und das ist nicht Deutsch) auch noch auf Etiketten gedruckt werden muss.
    Fehlt nicht noch die Blindenschrift, und die einfache Sprache?
    Selbst Behörden müssen inzwischen papierverschwendend alle möglichen Sprachen veröffentlichen, und natürlich gegendert. Von wegen Papiersparen.
    Wie wäre es einfach mit einem gedruckten QR Code? Der kann für Gehörlose schreiben und für Blinde ansagen.

  6. 16.

    Wie heißt es so schön bei Xtra dry im NDR 3 Fernsehen
    Der reale Irrsinn, schön das es Bürokratie gibt und Lupen.
    Schaut euch das dort an, da gibt es noch mehr zu bewundern,

  7. 15.

    Das ist ja wie bei dem gern benutztem und überstrapazierten Begriff " angemessen " ! Heute muss alles angemessen sein.
    Der Polizist soll seine Waffe lieber zu Hause lassen, bevor er unangemessen reagiert. Es ist schon so weit gekommen, dass die Angst vor der Unangemessenheit alle und alles lähmt ! Kommt es zu einem Unglück oder Terror, wird die Frage laut, warum man nicht rechtzeitig liquidiert hat. Das Gute daran ist, dass sich alle hinter der Bürokratie verstecken oder bei Bedarf auch rechtfertigen können. Es gibt immer einen Paragrafen den man zitieren kann.

  8. 14.

    Meine Fresse, wir haben noch nicht einmal eine neue Regierung aber Sie werfen dieser mal gleich Versagen vor.
    Applaus!

  9. 13.

    Wenn der stramme Fleischfabrikant die Haltungsformdeklarationspflicht durch Produktionssteigerung der Dauerwurst umgehen kann, ist die Welt noch in Ordnung.
    Dass Kulanz angewendet wird, macht hoffentlich Sinn für Frau Brecht.

  10. 12.

    Ich möchte immer wissen, was in den Lebensmitteln drin ist und ärgere mich sehr über die kleine Schrift.

  11. 11.
    Antwort auf [Thomas] vom 30.04.2025 um 12:39

    Und das tolle daran ist: Es interessiert fast niemanden, was da auf der Rückseite einer Lebensmittelverpackung steht. Ich habe noch nie in nem Discounter oder Superarkt jemanden eine Käsepackung oder Wurstpackung als Lektüre lesend in der Hand halten sehen. Ich selber mache es nie. Mich interessiert die Vorderseite mit Produktname, Marke und welche Lebensmittelart, der Preis am Regal und gut is. Ich möchte in diesen Läden auch nicht länger als unbedingt nötig zubringen. Keine Zeit für lange Leserei der Rückseiten von Verpackungen.

  12. 10.

    Schickt den Beamten bitte auf den Fruchthof zum Start einer aktuellen Umfrage vor Ort. Mit Strichliste, in der unter Zeugen aufgelistet wird, wie oft er ausgelacht wurde. Außerdem würde ich noch ungläubiges Kopfschütteln in die Liste aufnehmen wollen.

    Läuft? Knüppel zwischen die Beine. Wo kommen wir denn da hin, wenn einer mit guter Produktqualität komplett punkten könnte. Kannste dir nicht ausdenken.

  13. 9.

    Sehe ich genau so.

    Glück gehabt, wenn man sich nicht für die Inhaltsstoffe interessieren muss. Dann ist das Etikett für Sie uninteressant.

    Wenn man in der Position ist, dass die Informationen wichtig sind - bspw. für Schwangere, Allergika, Konsumenten mit Gewissen - ist das richtige Etikett in der richtigen Größe relevant. Natürlich muss das Etikett lesbar sein, also müssen die Buchstaben eine Mindestgröße haben. Eventuell könnte die Kommunikation der Richtlinien verbessert werden.

    In erster Linie also: Danke ans Amt.

  14. 8.

    Soll sich die Köchin einfach an die Vorgaben der EU halten und gut ist es. Damit muss man doch nicht das Ministerium belästigen und hat auch nichts mit Bürokratie, sondern Verbraucherschutz zu tun. Wer Lebensmittel herstellt und verkaufen will, muss dich mit den rechtlichen Grundlagen auseinandersetzen. Wenn er es selbst nicht kann, muss er sich einen Sachverständigen kaufen, der es für ihn tut. Das ist in jeder anderen Branche genauso. Im Werkzeugbau zum Beispiel geht es nicht um Millimeter, sondern Micrometer.

  15. 7.

    Mit Verlaub: Das will ich mal den typisch deutschen Regelvollzug nennen, dergestalt, dass die Vorschriften über Demjenigen stehen, was eigentlich von der Sache her geregelt werden soll - ohne jegliches Ermessen. Weil Ermessen ja Willkür, Anmaßung und den schlimmsten Vorwurf beinhaltet, der einem Amtsmann und einer Amtsfrau gemacht werden kann: Kompetenzüberschreitung.

    Dass Vorschriften zunehmen, was da alles auf das Etikett soll und dass das nicht ohne Folgen für die Schriftgröße und die Lesbarkeit sein kann, "das hat uns niemand gesagt."

    Sorry diese leicht launischen Bemerkungen. ;-

  16. 6.

    Man sieht doch wieder, wie wichtig Bürokratie eigentlich ist. 0,33 Millimeter geht ja nun gar nicht. Auf keinen Fall darf man Bürokratieabbau befürworten oder sogar betreiben. Man muss der neuen Regierung dankbar sein, dass sie hier den Kurs der Ampel strickt beibehält und weiter aufbläht. Gar nicht auszudenken, wenn man z.B. bei der inneren Sicherheit auch mit der Mikrometer-Schraube hantieren würde. Es wird aber ein frommer Wusch bleiben, weil die Mehrheit der Wähler dies so wünscht und man nicht dagegen ankommt.

  17. 5.

    Da wird sich so gerne über das kaum lesbare Kleingedruckte aufgeregt, aber wenn dann ein Regelung, die genausowas verhindern soll durchgesetzt wird, ist es auch wieder nicht recht?
    Und, lieber rbb, wie wär's wenn ihr sattt eines Druckers (wieso, um alles in der Welt, ist der hier "Fachmann"?) mal Leute gefragt hättet, die Schwierigkeiten mit dem Sehen haben, wäre der Artikel ja vielleicht etwas seriöser ausgefallen ...

  18. 4.

    "Schwierig ist der Köchin zufolge nur, dass in den vergangenen Jahren immer mehr mit auf das Etikett musste und damit auch der Platz immer weniger wurde."
    Wohl wahr. Ist ja heute aus gesetzlichen Gründen schon, dass um paar kleine Wurstscheiben eine riesen Pappe ist, weil so viel raufgedruckt werden muss. Irgendwie beißen sich die immer mehr ausufernden Kennzeichnungspflichten mit dem Vorsatz der Müllvermeidung.

  19. 3.

    Der Amtsschimmel wiehert und wieder ein Stuhl bei einer Behörde als Daseinsberechtigung gerettet. Mann sind wir doch beim Amt stolz auf uns. Gibt bestimmt eine Gehaltserhöhung dafür.

  20. 2.

    Da wiehert mal wieder der Amtsschimmel.

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