Berlin auf Droge | Die Folgen des Konsums - "Die Rettungsstellen sind oft überfordert"

Do 24.10.19 | 06:40 Uhr
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Symbolbild: Laser Show während eines DJ-Sets. (Quelle: dpa/Flemming Bo Jensen)
Audio: Inforadio | 24.10.2019 | Anja Herr | Bild: dpa-Symbolbild/Flemming Bo Jensen

Angstzustände, Verfolgungswahn, Flashbacks: Wer zum Beispiel nach einem LSD-Trip nicht mehr klar kommt, braucht Hilfe. Tomislav Majić leitet Berlins einzige Ambulanz für Menschen mit psychischen Problemen nach Drogen-Konsum.

Die Ambulanz im St.Hedwig-Krankenhaus der Charité in Berlin Mitte kümmert sich um Menschen, die nach dem Konsum von psychoaktive Stoffen dauerhaft unter psychischen Probleme leiden. Zu den möglichen Triggern gehören Amphetamine wie Speed, Cannabis, Kokain und Halluzinogene wie LSD.

rbb: Herr Majic, mit welchen Symptomen kommen die Menschen zu Ihnen?

Tomislav Majic: Im Prinzip können durch den Konsum von psychoaktiven Substanzen alle möglichen psychiatrischen Symptome ausgelöst werden - von Manien über Depressionen bis hin zu Psychosen. Am typischsten sind Symptome, die aussehen wie schizophrene Psychosen. Die Patienten hören Stimmen, haben das Gefühl, dass andere ihre Gedanken lesen können, dass sie beobachtet oder verfolgt werde. Dann gibt es den Bereich der dissoziativen Symptome: Dazu gehört das Gefühl, ich bin nicht mehr in meinem Körper, oder ich bin irgendwie so weit weg, oder die Umgebung um mich herum erscheint wie durch ein Schleier, oder ich fühle mich emotional nicht mehr verbunden mit meiner Umwelt. Schließlich gibt es noch die anhaltenden Wahrnehmungsstörungen. Dazu gehören Flashbacks. Man sieht bestimmte Dinge, die man zum Beispiel auf dem LSD-Trip gesehen hat, Farben, Muster, Dinge, die plötzlich ineinander laufen. Das kann kurz auftreten, oder es können auch Wahrnehmungsstörungen sein, die dann wirklich den ganzen Tag da sind und teilweise als sehr beeinträchtigend erlebt werden.

Wie muss man sich das vorstellen? Kommen die Menschen nach einer durchfeierten Clubnacht zu Ihnen?

So ist es meistens nicht, denn als Ambulanz vergeben wir Termine. Aber wir haben durchaus Menschen, die bei uns im Krankenhaus in die Rettungsstelle kommen nach einer durchfeierten Nacht und die dann hier weiterbehandelt werden.

Wie können Sie helfen?

Also an erster Stelle steht das Gespräch und die Diagnostik. Was ist das überhaupt, was ich hier erlebe? Ziel ist, dass die Patienten erst einmal ein bisschen zur Ruhe kommen, nicht in Panik geraten, aber auch ihre Lebensweise ändern. Sie sollten darauf achten, dass sie genug schlafen, dass sie keine Medikamente oder irgendwelche anderen Substanzen einnehmen, die auf das zentrale Nervensystem wirken. In den meisten Fällen klingen die Symptome spontan wieder ab, selbst dann, wenn es das erste Mal sehr stark präsent ist und sehr bedrohlich wirkt.

In einigen Fällen sind die Symptome allerdings so stark ausgeprägt, dass man schon relativ früh mit Medikamenten behandeln muss. Wenn zum Beispiel jemand sagte, ich komme einfach nicht über den Tag, es ist zu intensiv, dann muss man auch früh mit Medikamenten behandelt.

Wo liegen grundsätzlich die Gefahren bei Halluzinogenen?

Die Gefahr liegt bei den genannten, anhaltenden Störungsbildern, aber auch in bestimmten akuten Reaktionen, die auftreten können - Angstreaktionen oder akute psychotische Reaktionen, Menschen, die sich überdosieren und vielleicht auch bewusstlos werden und sich dann irgendwie gefährden, zum Beispiel im Straßenverkehr.

Die meisten Halluzinogene sind eher wenig toxisch. Das heißt eine Überdosierung kann zu Verhaltens- und Bewusstseinsstörungen führen, aber die Gefahr der tödlichen Überdosierung besteht meistens nicht so sehr wie sie bei Ecstasy, Kokain oder Heroin. Außerdem haben die meisten kein so großes Suchtpotenzial.

Kann diesen Menschen nicht auch in einer regulären Klinik geholfen werden?

Die Rettungsstellen sind oft überfordert und man weiß dort häufig nicht, wie man mit solchen Patienten umgehen soll. Wie soll man die Symptome einordnen? Ist es eher eine Psychose, oder ist es eine Wahrnehmungsstörung? Wie behandelt man das? Mein Eindruck ist: Es kommt immer wieder zu Fehlbehandlungen. Die Symptome werden meist als psychotische Symptome behandelt, also mit Antipsychotika, was zu einer Verschlechterung der Symptomatik führen kann. Mich hat tatsächlich mal ein Patient aus einer Klinik angerufen und gesagt, bitte sprechen Sie mit den Ärzten hier, sie können nicht einordnen, was ich habe. Er hatte zwei verschiedene Antipsychotika bekommen, hatte aber definitiv keine Psychose in dem Sinn – und mit den Medikamenten ist das nicht besser geworden.

Wer Drogen nimmt, kommuniziert meist nur in seiner Community darüber - und nicht unbedingt einem Arzt gegenüber. Zögern die Patienten, Hilfe zu suchen?

Oft ja. Wir hatten mal einen Patienten, der hatte das über 15 Jahre, bis er sich überhaupt getraut hat, zu einem Psychiater zu gehen. Seine Symptome waren wirklich sehr stark ausgeprägt. Er hatte zudem eine Alkoholabhängigkeit entwickelt, weil er gemerkt hat, immer wenn er Alkohol trinkt, wird es besser. Aber am nächsten Tag wurde es wiederum immer wieder schlechter. Er wurde nach vielen Jahren erstmalig medikamentös behandelt, und unter der Medikation sind die Symptome tatsächlich weggegangen.

Es gibt immer wieder Meldungen, dass Halluzinogene zum Beispiel im Kampf gegen Depressionen eingesetzt werden können. Was halten sie als Arzt davon?

Ich denke, dass man Halluzinogene vielleicht irgendwann auch therapeutisch bei bestimmten Krankheitsbildern einsetzen kann. Aber sie haben - wie andere Arzneimittel auch - Wirkungen und Nebenwirkungen und aus diesen Nebenwirkungen ergeben sich Kontraindikationen für Menschen, die auf keinen Fall solche Substanzen einnehmen sollten.

Ich glaube, dass es eine kleine, spezielle Gruppe von Indikationen geben könnte, wo Halluzinogene als Therapeutika irgendwann eingesetzt werden könnten, unter ganz bestimmten Sicherheitsbedingungen. Das sind interessanter Weise zum Beispiel Suchterkrankunen also zur Behandlung von Alkohol und Nikotinabhängigkeit. Das finde ich ein vielversprechendes Feld.

Forschen Sie hier in der Klinik bereits daran?

Im Moment noch nicht, aber es gibt Interesse, solche Studien zu machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Anja Herr.

Sendung: Inforadio, 23.10.2019, 6.50 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    Rolf Sturm: Die Prohibition richtet mehr Schaden an als sie nutzt. Ich bin alle paar Monate zur Beratung in der Ambulanz, gehe ansonsten meiner Arbeit nach und zahle etwa 14.000€ Einkommensteuer pro Jahr sowie 8.000€ Krankenkassenbeiträge. Die Kosten für das Gesundheitssystem liegen vielleicht bei 800€ pro Jahr, ich bin also deutlicher Einzahler.
    Jetzt die Rechnung, falls ich durch die Prohibition in Haft geraten wäre: Keine Steuern, keine Krankenkassenbeiträge, dafür aber ca. 4.000€ Haftkosten pro Monat, dazu die Kosten für Ermittlungsverfahren, und danach vor. über weite Teile des Berufslebens arbeitslos und Sozialhilfeempfänger.
    Bspw. Cannabis u. LSD sind zwar nicht ungefährlich, würden aber ohne Prohibition finanziell deutlich weniger Schäden anrichten als jetzt und auch weniger als durch Tabak & Alkohol. Wenn sie 1x einen Bad Trip erlebt hätten, würde ihnen nicht einfallen, dass der Doktor am Folgetag alles richtet und es dann fröhlich weitergeht.

    Lukas aus Radiobeitrag

  2. 6.

    Niemand muß (!) Drogen zu sich nehmen. Ich kann mich dagegen entscheiden. Ich finde einfach den Gedanken irre, daß sich so viele Menschen dafür entscheiden. Ich weiß dich, was alles daraus entstehen kann. Ich fühle mich langsam überfordert, so vielen Menschen irgendwie Rechnung tragen zu müssen, die ihr Leben nicht allein auf die Reihe kriegen. Wir haben ja schon ein Verhältnis von 1:1. Wo bitte bleibt da die "andere Seite"?

  3. 5.

    Dann lesen Sie doch meinen Kommentar noch einmal und gaaanz langsam, lassen sich insbesondere meinen letzten Satz durch den Kopf gehen und achten auch bitte auf die Wortstellung - vielleicht - aber auch nur vielleicht, erkennen Sie dann, was ich gemeint haben KÖNNTE......
    Versuchen Sie´s - es tut nicht weh :-)
    Achtung, Sarkasmusgefahr: In diesem Sinne - ein rauschfreies Wochenende ohne Sturm im Wasserglas.

  4. 4.

    Ich denke, es wird hauptsächlich deswegen über eine Legalisierung gesprochen, weil man jetzt schon der Lage nicht mehr wirklich Herr wird und das Problem dann einfach per Definition gelöst wird, oder nicht?!
    Die Folgen dürften gravierend sein!!!
    Es ist doch jetzt schon "cool", Drogen zu nehmen. Wer dagegen ist, gilt schnell als Spießer oder Spaßbremse.
    Dies sind sehr seltsame Ansichten, finde ich, weil es doch eher normal sein sollte, KEINE Drogen zu nehmen.
    Wozu braucht man das Zeug überhaupt? Nur für den Kick? Warum sucht man den Kick? Langeweile?
    Vielleicht kann mich jemand aufklären...

  5. 3.

    UND DANN?
    Dann nimmt JEDER den Mist LEGAL, und der Doktor wird mir schon helfen.... Und übermorgen mache ich es dann wieder, die Kassen zahlen ja.
    Ich finde Ihre Einstellung schon etwas merkwürdig. Sie hätten es gerne noch:Drogen auf Rezept.

  6. 2.

    Nun, es handelt sich hier definitiv nicht um harmloses Spielzeug. Die Erkenntnis, die der Legalisierungsforderung vorausgeht, ist jedoch: Konsumiert wird auch, wenn wir es verhindern wollen (das kann man sich über Ländergrenzen hinweg ganz gut anschauen), also lasst es uns wenigstens für die Konsumenten so wenig schädlich wie möglich machen, sie nicht stigmatisieren und so weiter. So können wir währenddessen helfen und auch, wenn sie aufhören wollen.

  7. 1.

    Deshalb ist die Legalisierung ganz wichtig......Wer von den politisch Verantwortlichen ist eigentlich sehend unter den Blinden?

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