Berlin auf Droge | Konsumregel wie bei Cannabis? - Grünen-Politikerin fordert Eigenbedarfsregel für harte Drogen

Di 22.10.19 | 06:00 Uhr | Von Helena Daehler und Anja Herr
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Symbolbild - Eine Hand erwärmt Heroin über einem Feuerzeug (Bild: dpa/Johannes Eisele)
Video: Abendschau | 22.10.2019 | Anja Herr | Bild: AFP

Die Eigenbedarfsgrenze für Cannabis liegt in Berlin bei 15 Gramm. Die Grünen-Politikerin Pieroth fordert, dass auch der Besitz von Heroin und Kokain in kleinen Mengen straffrei werden soll. Vom Koalitionspartner kommt Widerstand. Von Helena Daehler und Anja Herr

Die drogenpolitische Sprecherin der Berliner Grünen, Catherina Pieroth, fordert, auch für harte Drogen eine Eigenbedarfsregelung einzuführen. "In Berlin haben wir die Möglichkeit, den Eigenbedarf für härtere Drogen wie Kokain oder Heroin bewusst zu regeln. Dieser könnte bei drei Gramm liegen", sagte Pieroth rbb|24. Damit werde ganz klar differenziert zwischen Eigenkonsum und dem Handel mit Drogen.

Derzeit gilt in Berlin nur für Cannabis eine sogenannte Eigenbedarfsregelung, sie liegt bei 15 Gramm. Bis zu dieser Grenze kann die Staatsanwaltschaft Strafverfahren einstellen, und die Betroffenen bleiben straffrei.

Die Abgeordnete Catherina Pieroth (Bündnis 90/Die Grünen) spricht in einer Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses (Bild: dpa/Jörg Carstensen)
Catherina Pieroth | Bild: dpa/Jörg Carstensen

In Schleswig-Holstein gilt ein Gramm Heroin als Eigenbedarf

In anderen Bundesländern ist es bereits üblich, dass auch bezüglich Kleinstmengen harter Drogen bei Konsumenten Strafverfahren routiniert eingestellt werden. In Schleswig-Holstein liegt für Kokain und Amphetamine die Eigenbedarfsgrenze bei bis zu drei Gramm, bei Heroin bei einem Gramm. Möglich macht das die Richtlinie zur Umsetzung des Paragrafen 31a des Betäubungsmittelgesetzes. Verfahren dürfen demnach eingestellt werden, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist, oder wenn kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.  

Justizsenator Behrendt könnte handeln

Auch in Berlin könnte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Staatsanwaltschaft anweisen, den Paragrafen umfassender anzuwenden. Derzeit sehe er dafür aber keine Mehrheit im rot-rot-grünen Senat, teilte er rbb|24 auf Anfrage mit.

Behrendts Parteikollegin Pieroth erhofft sich von der Ausweitung der Eigenbedarfsregelung ein Entlastung der Justiz, aber auch der Gesellschaft. Die für die Strafverfolgung aufgewendeten Mittel könne man in Beratungs- und Aufklärungsarbeit stecken. "Darum geht es letztendlich, dass wir nicht Drogenkonsum fördern wollen, sondern beraten wollen, mit den Menschen sprechen wollen und nicht Probleme verlagern beziehungsweise Menschen abstempeln wollen."

SPD will darüber nicht diskutieren

Heftiger Widerspruch kommt vom Koalitionspartner SPD. Dem gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion, Thomas Isenberg, geht eine Ausweitung der Eigenbedarfsregelung zu weit. "Für harte Drogen führen wir diese Diskussion nicht, das steht auch nicht im Koalitionsvertrag", sagte Isenberg. "Mit der SPD gibt es da keine Priorität im Moment."

Die SPD will sich ganz auf die Umsetzung dessen konzentrieren, auf was sich die Partei mit den Grünen und den Linken im Koalitionsvertrag einigen konnte. Dieser sieht Modellprojekte für eine kontrollierte Cannabis-Abgabe und das sogenannte Drug-Checking vor. Beide Projekte sind in der Vorbereitungsphase und sollen 2020 an den Start gehen.

Aufklärung durch Drug-Checking

Für die begleitete Cannabis-Abgabe braucht die Senatsverwaltung für Gesundheit allerdings noch die Zustimmung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Einen Antrag des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg zur Abgabe von Cannabis über lizensierte Abgabestellen lehnte das Institut im Jahr 2015 ab. Das Argument: Der Verkauf zu Genusszwecken sei mit dem Schutz vor Drogenabhängigkeit unvereinbar. 

Beim Drug-Checking-Modell soll bald jeder Konsument seine Drogen an drei Standorten auf ihre Inhaltsstoffe und Zusammensetzung prüfen lassen können. Angedacht sind zwei Standorte in Neukölln und einer in Kreuzberg. Hier sollen Konsumenten kleine Mengen ihre Drogen für eine Laboruntersuchung anonym abgeben können. Das Resultat wird dem Konsument wenige Tage später mitgeteilt. Ziel ist es, durch die Analyse einerseits Überdosierungen zu verhindern und andererseits über Beratungsgespräche aufzuklären.

Wien und Zürich praktizieren Drug-Checking schon seit mehr als 20 Jahren und sind zur Anlaufstelle geworden für Menschen, die sich über Partydrogen-Konsum informieren wollen. Das Wiener Projekt checkit! verzeichnete letztes Jahr nach eigenen Angaben fünf Mal mehr Beratungskontakte als Drogenanalysen.

Langfristiges Ziel: Legalisierung

Drug-Checking und die Cannabis-Abgabe wurden innerhalb der Koalition maßgeblich von den Grünen vorangetrieben. Jenseits der Eigenbedarfsregelung will Grünen-Politikerin Pieroth aber noch einen Schritt weiter, der allerdings auf Bundesebene entschieden werden muss: "Was die harten Drogen betrifft, ist das Endziel auch eine Legalisierung, das ist der einzige Weg, den Schwarzmarkt trocken zu legen."

Sendung: Inforadio, 22.10.2019, 6 Uhr

Beitrag von Helena Daehler und Anja Herr

36 Kommentare

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  1. 35.

    Um es vorwegzunehmen: ich habe noch nie in meinem Leben illegale Drogen genommen und werde das auch nie tun. Zum Thema: Meiner Meinung nach ist die Zeit vorbei, über die gesundheitlichen Risiken von illegalen Drogen zu diskutieren. Das das sehr schädlich ist, das braucht nicht mehr bewiesen zu werden. Es kann aus meiner Sicht jetzt ausschließlich darum gehen, den Schwarzmarkt trockenzulegen und die Kiffer und Junkies weg von der Beschaffungskriminalität zu holen. Da muss die deutsche Drogenpolitik über ihren Schatten springen und die illegalen Drogen legalisieren. Nur so gelingt das. Man hat das ja zur Zeit der Prohibition in den USA gesehen, als der Alkohol verboten war. Und Alkohol ist die gefährlichste Droge überhaupt. Das heißt, auch beim besten Willen kann es der Bundesregierung und vor allem der Drogenbeauftragten hier nicht um den Schutz vor Gesundheitsgefahren gehen, es geht schlicht und einfach um Scheuklappen-Ideologie, die, weil ultra-konservativ, beibehalten werden muss.

  2. 34.

    Ich würde es als angebracht sehen erstmal ordentlich darüber zu reden was eigentlich als "Genussmittel" einstufbar - eine Diskussion, welche überhaupt nicht gedeckt mit in Raum gestellten Behauptungen wie "Cannabis hat mehr Suchtpotenzial als alkoholische Getränke" bzw. "Mit Nervengas kann man auch einen Rausch haben, wenn man nicht überdosiert, und darum sollte es zumindest für Eigenbedarf legal sein".

    Und wo man sagt: "Ok, Genussmittel.", da macht es eher Sinn den gesamten Produktionsweg ausm Schatten zu ziehen, statt zu sagen: "Hedonistische Interessen des Bürgers sind wichtiger als das Problem der Finanzierung von Mafien, welche sich mit den Einnahmen von den Bürgern mit Waffen eindecken, Schläger einstellen, Räumlichkeiten für Menschenhandel erwerben, Opfer abhängig machen, und mancherorts de facto Machthaber sind." Also, im Sinne wie bei alkoholischen Getränken gewisse Regeln, bzw. mit Modellen wie z.B. von Timothy Leary vorgeschlagen, dass Halluzinogene in betreuten Sessions.

  3. 33.

    Die Grünen haben einfach selber zu viel Drogen genommen und gehören damit nicht in dir Politik!
    Die Unfähigkeit zeigt sich überall!

  4. 32.

    Man stelle sich vor,diese Partei übernimmt vielleicht mal Regierungsverantwortung auf Bundesebene.....es ist nur noch grausam in old germany.....

  5. 31.

    Das ist ja mal wieder typisch für die Grünen! Den "armen, vom Leben benachteiligten" Drogenabhängigen durch Legalisierung seines Tuns unter die Arme greifen, aber Fleischesser und SUV-Fahrer als Ursprung allen Übels verteufeln! Irgendwas läuft da schief in unserem Land!

  6. 30.

    Frau Pieroth scheint nicht verstanden zu haben, dass nicht das Geldverdienen (der Handel) der Grund für die Illegalität von Rauschgift ist, sondern der Schaden für viele Beteiligte, nicht nur die Konsumenten. Allein schon aus Umweltschutzgründen müssten die Grünen das Gegenteil fordern, vgl. www.tagesspiegel.de/11943180.html

  7. 29.

    Es geht ja eben nicht um Cannabis. Ich kann mich ehrlich gesagt nur wundern. Hat Frau Pieroth schon mal gesehen, wie es einem Mensch geht der z.B. Crystal Meth konsumiert? Wie dessen Zukunft und Gesundheit aussehen? Und das nicht, weil diese Menschen diskriminiert werden, sondern weil Drogen Menschen zerstören. Ein paar mehr Grenzkontrollen wären auch nicht schlecht, für die Lausitz heißt es ja dass Crystal v.a. aus tschechischen Quellen kommt. Die Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen nimmt eher zu, soll man das schick finden?

  8. 28.

    Ist Frau Pieroth die Schwester von Frau Herrmann? Gut, Frau Herrmann traut sich selbst nicht mehr Nachts durch Parks und Anlagen, dank ihrer Drogenpolitik in ihrem Stadtbezirk.

  9. 27.

    Desomorphin - so der Fachbegriff für eine neue "billige" Alternative zur Droge Heroin, ist die Droge "Krokodil" (Mischung aus Codein (Hustensaft), Benzin, Farbverdünner, Salzsäure und rotem Phosphor (Streichholzköpfe)). Kostenpunkt nur 1/10 von Heroin.
    Entstehungsort dieser Droge war 2002 Russland und ist in der Scene dort sehr verbreitet. Seit 2013 ist die Droge schon übern Teich gekommen und auch in Deutschland gibt es diese längst schon.

    „Es ist die Droge des armen Mannes“

    Jeder Heroinabhängiger, der sich sein Heroin nicht mehr leisten kann, ist besonder gefärdet, auf diese billige "Ersatzdroge" zurück zu greifen.

    Vielleicht sollte man den Grünen mal Bilder von Desomorphin Opfern zeigen, welche von innen heraus verfaulen! Vielleicht ziehen die dann ihre Forderungen zurück!

  10. 26.

    Wird demnächst Bankraub auch legalisiert ?
    Nur für den Eigenbedarf natürlich .

    Ich muss mal eine Petition anstoßen :)

  11. 25.

    Wird dann auch für die straffreien Drogen (sowie bei legalen Drogen, wie Schokolade und Alkohol) Mehrwertsteuer erhoben? 7 oder 19%, wäre in Berlin eine lohnende Einnahmequelle!

  12. 24.

    Grünen-Politikerin fordert Eigenbedarfsregel für harte Drogen
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    Eigenbedarf... soso.
    Na das erklärt am Ende auch diese "grüne" unüberlegte Politik und die abwägigen Forderungen, welche die Grünen ständig der deutschen Bevölkerung auf´s Auge drücken wollen.

    Vielleicht sollte man vom Eigenbedarf wieder weg kommen und "Nein zu Drogen!!!" wieder populär machen!!!

    Aber ein gutes hat es ja. Drogen sind teuer. Wenn man genug Drogen konsumiert, kann man sich kein Auto mehr leisten und wenn man genug Drogen konsumiert hat, bleibt man auch gleich zu Hause und entlastet den ÖPNV auch noch damit.
    Da kann man ja wieder schick "CO2" einsparen.

  13. 23.

    Ich weiß ja nicht, wie hoch der Eigenbedarf der Grünen ist. Unglaublich - erhöht sicher die Wählerzahlen. Koste es, was es wolle.

  14. 22.

    Sie kapieren es nicht. Es geht hier 1. um wirklich harte Drogen und 2. in einem Coffeeshop wirst du keinen Junkie finden. Da sind Leute die mal entspannt einen rauchen. Und du wirst in einen dieser Shops auch kein Kokain oder Crystal zum Verkauf finden

  15. 21.

    Na wenn wir jetzt noch die Beschaffungskriminalität nicht mehr ahnden, die Stadt kann sparen bei Justiz und Polizei. Ist doch eine gute Idee von Frau Pieroth. Neue Arbeitsplätze ( regulär) werden auch noch geschaffen durch die Taxis.

  16. 20.

    Prost und einen Toast auf das Kommende. Hoch die Tassen, Tüten, Bongs, Lines und Nadeln.
    Irgendwie wird mir schlecht.......

  17. 19.

    Was man nicht in den Griff bekommt, das wird legalisiert. Wo sind nur Anstand, Verant- wortungsbewustsein und Moral der Politiker geblieben?

    Es ist eine Schande, was die Grünen da fordern.
    Jegliche Süchte führen zu gesundheitlichen Schäden aber gefährden auch das Zusammenleben in Familie und Gesellschaft. Von den Folgekosten gar nicht zureden.

    Ich meine damit nicht den Gelegenheitskiffer, sondern dauerhaft Abhängige (egal von was).

  18. 18.

    Dann hört der Drogenhandel in der U-Bahn hoffentlich auf. Andere Länder gehen mit gutem Beispiel voran: "Das niederländische Parlament stimmte im Februar 2017 für einen kontrollierten Hanf-Anbau. Der Gesetzentwurf der linksliberalen D66 wurde mit 77 zu 72 Stimmen angenommen. Falls die Erste Kammer noch zustimmt, wird es in Zukunft eine legale Versorgung der Coffeeshops geben und die Hintertürproblematik beseitigt. Die Niederlande wären somit das dritte Land der Welt (neben Uruguay und Kanada) und das erste Land in Europa, das Cannabis für den privaten Gebrauch legalisiert bzw. reguliert." https://de.wikipedia.org/wiki/Niederl%C3%A4ndische_Drogenpolitik

  19. 17.

    Wenn man nicht mehr klar kommt (zB Görlitzer Park) na dann wird eben legalisiert.
    Irgendwann kann man vielleicht auch noch Steuern erheben.

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