Interview | Klimawissenschaftler Carsten Linke - "Berlin-Brandenburg stärker als andere Regionen betroffen"

Grundwassermangel, Überschwemmungen, Hitzeextreme: Berlin und Brandenburg werden voraussichtlich stärker mit den Folgen der Klimaerwärmung zu kämpfen haben als andere Regionen. Warum, erklärt Carsten Linke vom Brandenburger Landesamt für Umweltschutz.
rbb|24: Herr Linke, wie würde der Klimawandel die Region Berlin und Brandenburg treffen - im Vergleich zum Rest Deutschlands?
Carsten Linke: Die Region Berlin-Brandenburg ist relativ stark betroffen, also stärker als andere Regionen. Es gibt einen Bericht des Umweltbundesamtes, der das ein Stück weit differenziert. Danach sind die Alpen, die Küstenregionen und die Region Berlin-Brandenburg die drei Schwerpunkte der Veränderung.
Und warum gehören Berlin und Brandenburg dazu?
Weil wir ein sehr regenarmes Land sind. Wir werden sehr stark mit Trockenheit und mit Hitze zu tun haben - und natürlich auch mit Überschwemmungen durch die Fluss-Einzugsgebiete Oder und Elbe.
Jetzt könnte man ja sagen: So einen heißen Sommer wie den vergangenen fand ich eigentlich gar nicht so schlecht. Man konnte viel baden, im Biergarten sitzen, musste nicht andauernd den Regenschirm dabei haben. Was genau wäre so schlimm an wärmeren Sommern?
Der letzte Sommer hatte ja "nur" zehn Grad Durchschnittstemperatur, was schon sehr, sehr viel für unsere Region ist. Wir verwechseln immer die Urlaubssituation "Oh toll, schön warm!" mit dem alltäglichen Leben. Alltäglich bedeutet, dass die Menschen bei 12 oder 13 Grad Durchschnittstemperatur oder eben über 30 Grad Tagestemperatur auf der Baustelle arbeiten müssen oder in der Kaufhalle sitzen. Ich muss meinem Arbeitsleben nachgehen. Schüler haben permanent hitzefrei - denn unsere Schulen sind überhaupt nicht dafür ausgestattet. Die Schüler gehen im Prinzip heutzutage schon zu Recht auf die Straße - für ihre eigenen Kinder, weil dann Schule noch weniger stattfindet.
Und Natur und Landwirtschaft? Was hätte es da für Auswirkungen?
Der Wasserhaushalt ist unser Hauptproblem. Wir sind eine regenarme Region. Wenn da noch bei sehr hohen Temperaturen viel Wasser verdunstet, kommt es zu einer sehr angespannten Situation zwischen dem Wasserangebot und den Wassernutzern - dazu zählt auch die Landwirtschaft. Unser Regen-Regime [Anm. d. Red.: jahreszeitliche Abfolge der Regenfälle] verändert sich am stärksten. Das ist eigentlich das, was uns in der Region am stärksten betrifft: dass es im Sommer weniger regnet, die Niederschläge mehr in den Winter gehen, also aus der Vegetationszeit heraus, dass die Trockenphasen immer länger werden im Sommer. Und wenn es mal regnet, dann sind es Starkniederschlags-Ereignisse.
Die Bauern müssen also mehr bewässern?
Aber woher soll das Wasser kommen, wenn wir gleichzeitig die Situation haben, dass wir weniger Grundwasser neu bilden? Der Niederschlag kommt zu einer Zeit, wo er nicht mehr grundwasserrelevant wird oder weniger grundwasserrelevant als heute. Schnee brauchen wir zum Beispiel im Winter, denn Schnee auf leichten Hügellagen sorgt für Grundwasserneubildung - und das haben wir immer, immer weniger. Und im Winter gibt es vermehrt Starkniederschlags-Ereignisse, kaum noch Schnee und eine früher einsetzende Vegetation, die das Wasser eher aufnimmt. Das heißt: Langfristig arbeiten wir uns auf ein Defizit im Grundwasserbereich und in der Wasserverfügbarkeit allgemein hin.
Jetzt gibt es ja ziemlich viele Menschen, die sagen: Das ist alles völliger Quatsch. Die Durchschnittstemperaturen würden sogar sinken, nicht steigen. Welche Argumente setzen Sie dagegen?
Leuten, die sich nicht mit Fakten beschäftigen, ist es immer schwer mit Argumenten zu kommen. Jeder, der sich die Messreihe oder die rbb|24-Datenauswertung anschaut, sieht: Jahr zu Jahr steigen die Durchschnittstemperaturen, steigen die Spitzentemperaturen. Das ist ablesbar. Und was wir auch immer wieder gern als Argument bringen - jeder, der einen Garten hat oder mit offenen Augen durch die Landschaft geht, sieht selbst: Der Frühling kommt immer eher als vor 30 Jahren. Als wir auf die Welt kamen, begann der Frühling irgendwann im März. Heute sind Ende Januar, Februar die Schneeglöckchen da. Die Naturhaushalt hat sich schon so stark verändert - der Frühling kommt immer eher, bleibt länger, der Winter wird immer kürzer - das sind alles Dinge die man beobachten kann. Da muss man gar nicht Wissenschaftler sein. Das ist Klimawandel - nichts anderes.
In der rbb|24-Datenauswertung wird ja auch ein Szenario durchgespielt, nach dem die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2100 auf Null sinken - dann seien die meisten extremen Veränderungen aufzuhalten. Geht das denn überhaupt?
Wenn sich die Weltgemeinschaft Mühe gibt, dieses Klimaschutz-Szenario einzuschlagen - dann wäre denkbar, dass die Temperaturerhöhung ungefähr bei anderthalb Grad zusätzlich hängen bleibt und die meisten schlimmen Folgen, gerade im Wasserhaushalt, eventuell ausbleiben. Dazu ist aber massiver Klimaschutz auf allen Ebenen notwendig.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch mit Carsten Linke führte Dörthe Nath für Inforadio. Dieser Text ist eine redigierte Fassung. Das Interview können Sie oben im Beitrag hören.