Der Absacker - Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen... Sie jubeln zu früh

Do 29.10.20 | 19:49 Uhr
Rednerpult in der SenatsPK am 28.10.2020 in Berlin. (Quelle: rbb|24/Sebastian Schöbel)
Bild: rbb|24/Sebastian Schöbel

"Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt": So spaßbefreit steht es im Beschluss der Ministerpräsidenten. Nun wird das ab Montag umgesetzt. Umarmen Sie bis dahin noch schnell Gastronomen und Künstler*innen, rät Sebastian Schöbel.

Dieser vorletzte Absacker entsteht dort, wo zuletzt so viele gute Vorsätze ihr Ende fanden: Bei der Pressekonferenz der Berliner Senatskanzlei im Roten Rathaus. Während Sie diese Zeilen lesen, zupft die Landesregierung die mühsam zusammengeknüpperten Fäden ihrer Novemberpläne auseinander und reißt Laufmaschen in die dünne Strumpfhose ihrer Herbstträume. Nicht, weil man sie mit blankem Hintern in der Kälte stehenlassen will. Der Lockdown - von einer vermutlich sündhaft teuer eingekauften Werbeagentur als "Wellenbrecher" umbenannt - soll die rapide ansteigenden Infektionszahlen ausbremsen, um unseren Gesundheitsämtern, Krankenhäusern und vor allem Intensivstationen eine Chance zu geben, das Virus wieder in den Griff zu bekommen.

Falls es Sie stört, dass nun Gastronomie, Kultur, Sport und Spaß insgesamt zurück in die Kiste gesperrt werden: Ziehen Sie 'ne Nummer, die Schlange vor der Beschwerdestelle ist lang. Sie wäre allerdings länger (und aggressiver), wenn die Politik statt unseres öffentlichen Lebens den eigentlichen Infektionsherd Nummer 1 mit Kontrolle und Restriktionen bekämpfen würde: unser aller Privatleben, wo keine Hygienekonzepte gelten und niemand auf Regeln achtet.

1. Was vom Tag bleibt

Wobei der ein odere andere kritische Blick in die Wohnungen der Nation eventuell doch nicht so falsch sein könnte: Wie sich nun herausstellt, war der Sprengsatz, der am Sonntag an einem Gebäude der die Leibniz-Gemeinschaft in Berlin-Mitte explodierte, ein gezielter Anschlag - verübt von Gegnern der Corona-Eindämmungsmaßnahmen. Zuvor hatte es bereits einen Brandanschlag auf das Robert-Koch-Institut in Berlin gegeben. Nun prüft der Staatsschutz, ob es einen Zusammenhang zwischen beiden Taten gibt. Der Herbst wird also nicht nur freudlos, sondern auch heiß.

Abseits der Corona-Krise spielt sich in unserem Nachbarland Polen ein anderes, nicht minder wichtiges Drama ab: Die rechts-konservative PiS-Regierung krempelt mit Hilfe einer gefügig gemachten Justiz die Gesellschaft um, nun wurde unter anderem das Recht auf Abtreibung weiter eingeschränkt. Tausende Frauen gehen dagegen auf die Straße.

Kurz vor dem großen BER-Eröffnungswochenende hat unser Flughafenexperte Thomas Rautenberg die einfache Frage gestellt: Was dann? Die Antwort wird Sie beunruhigen. Kleiner Tipp: Das mit dem Geld könnte noch ein Problem werden...

Zumindest machen die Flughafenbauer keinen hehl darum, dass die vergangenen acht bis zehn Jahre keine Glanzleistung waren. Das Desaster gibt es bald auch als Ausstellung - an prominenter Stelle im Terminal 1.

2. Abschalten

Heute mal nichts für den Kopf, sondern fürs Gemüt.

Wenn mich die Trauer packt, halte ich mich an den Liedern von Herman van Veen fest. Der niederländische Liedermacher konnte wie kein Zweiter das Gefühl von Wehmut, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit einfangen - und mit seiner melodischen Sprache ein kleines bisschen heilen.

Mein Lieblingslied von van Veen passt perfekt zu unserer Zeit - gerade jetzt, vor dem nächsten Lockdown: Adieu Café.

Es wackelten die Hocker
Na und? schon war man locker
Wer einmal auf dem Klo war
Der wußte, daß es so war
Und hat es sich verkniffen
Ich hab es nie begrifen
Doch mein Café war plötzlich
Auf einmal ungesetzlich
Wie schmerzhaft es mein Ohr trifft:
Was Vorschrift ist, ist Vorschrift
Wenn ich daran denk, tut es mir weh
Adieu adieu adieu Café

Hier [YouTube] finden Sie die deutsche Version, gesungen vom Leipziger Sänger Thomas Schimke, alias "unErhört". Unten finden Sie das Lied im niederländischen Original.

3. Und, wie geht's?

Niemand hat uns so viel Absacker-Post geschickt wie Yun T.: 15 E-Mails waren es, um genau zu sein. Bisher haben es die Zuschriften aber nie hier in diese Rubrik geschafft - wir haben sie nämlich oft nicht ganz verstanden.

Yuns Deutsch ist nicht ganz so sattelfest, die Texte waren oft nur schwer zu entziffen. Wir waren uns auch nie sicher, ob sie aus eutschland oder ihrer Heimat - vermutlich China - schrieb. Aber es wurde oft klar, dass es Yun nicht gut geht: Ärger mit den Behörden, Streit mit der Familie, Sorge um die eigenen Gesundheit.

Menchmal denke ich über den Sterben weil es schwierig ist und viele mich helfen aber ich nur die Problem für mich gemacht . Ich schäme mich.

Yun schrieb uns von Misshandlungen, Verletzungen, schickte Untersuchungsberichte eines Shanghaier Krankenhauses, berichtete über ein früheres Leben in Berlin. Es klang immer alles sehr ernst und sehr hilflos.

Eigentlich bin ich eine Opfer seit Jahren , die Wohnung und Ehr Mann verlassen damit andere Chinese Frau noch dort bleiben damit sie nicht selbst morde . Ich habe damals noch die Visum , Aber Wege die Ehe betrogen ging ich weg von Berlin . Wenn Ich Jetzt daran denke , war es sehr dumm. aber es hat auch andere Grund dass ich war krank . Es war eine Krigk . Deswegen liebe eine Ruhe habe und denke villeicht nochmal zurück kann Obwohl ich nicht wicklich ging wollte. Aber wer Weis das war die Letztmal die Normal leben zu haben.

Faszinierend ist, dass Yun weit weg in China den Absacker las, um dabei auch Deutsch zu lernen. Manchmal kamen Rückfragen, weil Yun zum Beispiel einen Witz nicht verstanden hatte - und immer folgte dann auch die Entschuldigung, unsere Sprache nicht besser verstehen zu können. Als sei das ein unverzeihlicher Fehler... was es natürlich nie war.

Ich danke ihnen dass sie meine Text lesen und an Ihnen ich etwas noch schreiben kann um was zu sagen mit meine unklar denke.

Wenn ich wieder sowas schreiben, es fangen wieder weinen an . Warum eigentlich?

Die letzte Mail von Yun kam am 18. Oktober. Sie war sehr kurz.

Hallo Absacken,

wie gehts?

Ich weis nicht was sagen sollte , so viele passiert . Dumm oder faul oder Krank , villeicht alle. Die krankheit macht fall ... Aber mal hallo sagen zu RBB .

Yun Tian

Wird Zeit, dass wir vom RBB uns mal zurückmelden, oder? Also, auf die letzten Absacker-Meter:

Hallo Yun Tian, wir hoffen, es geht Ihnen heute etwas besser als gestern. Und morgen besser als heute. Lassen Sie sich nicht unterkriegen!

Falls Sie aufmunternde Worte für Yun Tian haben, wir leiten Sie gerne weiter nach China: absacker@rbb-online.de

Speisekarte für das Restaurant "Chez Leo"
Speisekarte des Chez Leo. Versuchen Sie die Pizza! | Bild: Leo Matthey

4. Ein weites Feld...

Meinen letzten Absacker beende ich natürlich mal wieder mit einem Blick in die Welt meiner Kinder. Wie früher berichtet, reflektiert mein Junior diese verrückte Zeit ja gerne durch Zeichnungen.

Zuletzt haben wir immer mal wieder bei unserem Lieblingsitaliener Carbonara gegessen, seitdem hat er sein eigenes Restaurant im Kinderzimmer aufgemacht - inklusive selbst gemalter Speisekarte. Seine Schwester (3) hilft als Kellnerin, hat aber leider die Angewohnheit, am Tisch zu warten, bis der Teller leer ist, weil sie fast genauso gerne abräumt wie serviert.

Ab Montag wird sie dann wohl auf Lieferfahrerin umschulen müssen - und der Junior Bestellungen am Telefon annehmen.

Es geht immer weiter. Irgendwie.

Ihr,

Sebastian Schöbel

Der Absacker nimmt Abschied

Reisen ins Ausland, Feiern oder das Wiedersehen mit den Großeltern oder Eltern – darauf haben die meisten zeitweilig oder ganz verzichtet im Jahr 2020. Und auch wir müssen künftig auf etwas verzichten, nämlich diesen Absacker.

Die Corona-Lage verschärft sich und die rbb|24-Redaktion muss angesichts begrenzter Ressourcen priorisieren. Es fällt uns nicht leicht, aber wir werden den Absacker vorerst einstellen. Begleiten Sie uns also durch die letzte Woche. Vielleicht sehen wir uns unter anderen Vorzeichen wieder. Wir würden uns freuen und Sie hoffentlich auch.

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