Der Absacker - Och nö, jetzt auch noch Ferien!

Fr 26.06.20 | 22:48 Uhr
Frau mit Sonnenhut und Badesachen am Strand
Bild: picture alliance / NurPhoto

Erst kommt Corona und jetzt sollen wir auch noch verreisen: Der Stress für die Deutschen hört einfach nicht auf. In Berlin sperren sie Gütersloher aus und in Brandenburg wird trockenes Gras gesprengt. Wenigstens zahlt Elon Musk jetzt Steuern in Oder-Spree. Von Sebastian Schöbel

Kommende Woche erwartet mich der erste kurze Urlaub in diesem Jahr, nachdem Corona die Ausflugspläne im Frühjahr zunichte gemacht hat. Nach sechs Monaten will man sich natürlich was gönnen - aber wo? Und wie? Nachdem ich mich nun dagegen entschieden habe, ein Jahresgehalt plus Erstgeborenen für ein Drei-Sterne-Hotel am Betonstrand herzugeben, ist die Wahl auf eine kleine Pension gefallen. Gut, ich muss die Bude selber putzen, die Verpflegung ist nicht "all inclusive" sondern "selber machen", und wenn ich Pech habe, verdonnert mich die strenge Herbergsmutter zur Gartenarbeit. Aber wenigstens ist die Anreise kurz: Mein Name steht sogar schon auf dem Briefkasten.

1. Was vom Tag bleibt

Zum Verreisen gibt es aber ohnehin kaum sinnvolle Optionen, auch wenn es inzwischen ein paar Menschen von den Flughäfen Tegel und Schönefeld versuchen: Wird die Destination vor Ende der Reise zum Corona-Hotspot, hat man bei der Heimreise nämlich unter Umständen gleich noch ein bisschen unfreiwilligen Sonderurlaub. Reisende aus sogenannten Risikogebieten in Deutschland müssen künftig für zwei Wochen in Quarantäne, wenn sie keinen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen können.

Wie wir inzwischen wissen, muss man dafür nicht einmal nach Bergamo fliegen: Es reicht ein Badeurlaub auf dem Darß oder ein Wanderurlaub im Landkreis Gütersloh. Geschieht Ihnen recht, sie mussten ja unbedingt das Selfie am Wurstträgerbrunnen von Versmold machen...

Falls Sie trotzdem unbedingt in die Ferne schweifen müssen und dann nach vier Stunden Rückflug in der Holzklasse neben einem dauerhustenden Sitznachbarn wissen wollen, was Sie erwartet: Hier haben wir Ihnen aufgeschrieben, was zwei Wochen häusliche Quarantäne bedeuten. Meinen persönlichen Tipp für diese unglückselige Zeit finden Sie im nächsten Abschnitt.

Warum ausgerechnet in Berlin die Infektionszahlen steigen, während sie in Brandenburg sinken, hat mein Kollege John Hennig erklärt.

2. Abschalten

Sollten Sie also demnächst in die unglückliche Lage kommen, zwei Wochen in Quarantäne zu müssen, empfehle ich Ihnen den Griff zu Gesellschaftsspielen. Allerdings nicht Kniffel oder Uno: Versuchen Sie sich mal an etwas, bei dem Ihnen richtig die Birne raucht.

Sehr zu empfehlen dafür ist die "Pax"-Serie der Spieleschmiede Sierra Madre. Schlüpfen Sie in Rollen, die sich jedem Spielefan geradezu aufdrängen: Sklavenbefreier, Banker in der Renaissance oder afghanischer Stammesführer im 19 Jahrhundert. Dazu gibt es Anleitungen mit Seitenzahlen im niedrigen zweistelligen Bereich, so dass allein die erste Woche Quarantäne für das Regelstudium draufgeht.

Wer will da noch warmen Rotwein mit langen Strohhalmen aus Eimern schlürfen?

3. Und, wie geht's?

Unter unserer bombigen Berichterstattung zur Kampfbemittelräumungsmaßnahme (wir sind da eine Fachredaktion) in Potsdam entspann sich folgende Unterhaltung:

Leser Markus schrieb:

Was ich interessant finde: Da ist der Mensch nun hochtechnisiert und hält sich oft für die Krone der Schöpfung. Und da kommt dann so eine Meldung:
Weltkriegsbombe in Potsdam unter Strohdecke gesprengt.

Unter einer Strohdecke! Wie geil ist das denn? Ich möchte jetzt natürlich nicht die Sprengwerker schmälern und denke auch an die Leute, die aus dem Haus mussten. Doch da sieht man mal wieder, dass der Mensch auch in dieser ( leider selbstgemachten) Situation mal wieder auf die Natur angewiesen ist.

Worauf Leserin Tina anmerkte:

Auch das Herstellen von Stroh ist eine kulturelle Leistung.

Ich muss an dieser Stelle klärend eingreifen: Angewiesen ist man in solchen Situationen in Brandenburg nicht auf die Natur. Sondern auf Sprengmeister Mike "MarkGyver" Schwitzke. Der Mann, der Bomben auch schon mal einölt, um sie zu entschärfen und schon mehr Sprengstoff aus dem Brandenburger Boden gezogen hat als mancher Spargelbauer weißes Gold. Und das mit dem Stroh hat er vermutlich auch nur gemacht, weil er gerade keinen Kaugummi, Bindfaden und eine verrostete Büroklammer zur Hand hatte.

Haben Sie Fragen zu den Alltagshelden in Brandenburg? Oder der detonationsmindernden Wirkug von Stroh? Schreiben Sie uns: absacker@rbb-online.de

4. Ein weites Feld

Weil dieser überaus dichte Absacker heute auch noch etwas Leichtigkeit verdient hat, schauen wir zum Schluss noch ins deutsche Steuerrecht. Also nicht das, was für Sie und mich gilt, sondern das für Konzerne.

Da galt ja bislang die Maxime: Wer Steuern zahlt, braucht bessere Steuerberater. Und ohne ein saftiges "Double Irish, Dutch Sandwich" brauchte man sich im Club der Milliardäre ohnehin nicht blicken zu lassen.

Nun hat es aber ausgerechnet Brandenburg geschafft, die Steuervermeidungsstrategien der Großkonzerne zu durchkreuzen. Und zwar mit einem Manöver, das fortan als die "Grünheider Gasse" einen Weg in jedes Handbuch der Kommunalpolitik finden dürfte. Denn indem man dem Tesla-Konzern einfach eine Tesla-Straße in Grünheide schenkte (günstig), brachte man den Autobauer dazu, fortan dort sein Hauptquartier und damit seine Steuerabgaben zu verorten (teuer). Die Steuerberater von Elon Musk werden sich wohl noch länger den märkischen Sand aus den Augen reiben.

Mit Grüßen aus dem "All Exclusive Holiday Resort":

Sebastian Schöbel

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Antwort auf [Alt-West-Berlinerin] vom 27.06.2020 um 12:59
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