
Der Absacker - Es war einmal in Berlin
Anfang des 20. Jahrhunderts kämpften strenggläubige Christen in den USA gegen das "Teufelszeug" Alkohol. Nun wird auch in Berlin über ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen gesprochen. Geht das an der Realität vorbei, fragt sich Efthymis Angeloudis.
"Mir geht es dreckig", sagte ich am Sonntag einem Freund am Telefon. Wer weiß schon warum. Irgendeinen Grund werde ich wohl gehabt haben. Allerdings ist meine wiederkehrende Malaise weder neu noch wirklich erstaunlich (besonders nicht während Corona). Weitaus überraschender fand ich die Antwort dieses Freundes: "Ach, lass uns mal wieder betrinken." Bei meiner Alkoholtoleranz heißt das wohl mehr als die üblichen zwei Biere, die ich mit großer Überwindung in mich aufnehmen muss und "mal wieder" bedeutet, dass es seit meiner Studienzeit vor über zehn Jahren wieder mal Zeit ist, sich zu betrinken.
Doch etwas anderes machte mir zu schaffen. Zehntausende Jahre feilt der Mensch an diesem riesigen, formbaren Konstrukt namens Sprache. Entwickelt Kodexe, Nuancen, Schattierungen die Werte, Welten, Gefühle vermitteln können, damit zwei Männer an dem vermeintlich, bisherigen Zenit der menschlichen Entwicklung zueinander sagen können: "Mir geht’s dreckig" und "Lass trinken".
Dennoch erklärte ich mich bereit, die peinliche, jahrtausende alte Tradition der männlichen Verbundenheit durch Hilfsmittel wie Alkohol aufrecht zu erhalten und mich der Freundschaft zu Liebe ein wenig zur Sau machen zu lassen. Wenn das denn bald noch erlaubt ist.
1. Was vom Tag bleibt
Denn Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat angesichts der steigenden Corona-Infektionen besonders unter jungen Menschen in den Bezirken Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum ins Gespräch gebracht.
Wie Kalayci ausführte, habe sie mit den drei Bezirken insbesondere über private Zusammenkünfte und das "Clubgeschehen" beraten. "Beides treibt die Infektionszahlen." Zwar sind coronabedingt noch immer viele Clubs geschlossen, einige dürfen aber bereits wieder Außenbereiche öffnen oder als Restaurants arbeiten. Das aber werde immer öfter ausgenutzt, um zu feiern, ohne auf Vorgaben wie Maskenpflicht oder Mindestabstand zu achten. Auch über die einschränkenden Maßnahmen anderer Städte für den öffentlichen Raum sei gesprochen worden. Am Freitag sollen die Beratungen dazu weitergehen, so die SPD-Politikerin.
Stattdessen könnten Heizpilze die herbstlichen und winterlichen Abende der Berlinerinnen und Berliner versüßen. Die Berliner FDP-Fraktion hat einen Antrag gestellt, der Gastwirten wegen der Corona-Situation das Betreiben von Gasheizstrahlern (Heizpilze) und Elektrowärmestrahlern kurzfristig für die kommende Herbst- und Wintersaison erlauben soll. Interesse für diesen Vorstoß bekunden jetzt auch die Grünen, die sich bislang vehement ablehnend zu den Gasheizstrahlern geäußert hatte. Deren Emission müsse aber "kompensiert werden", so die Grüne Umweltsenatorin Regine Günther. "Als mögliche Kompensation sehe ich einen autofreien Tag, verbunden mit dem Kauf von glaubwürdigen Zertifikaten", sagte sie dem rbb.
2. Abschalten
Bei der Nachrichtenlage müssen viele wohl nicht von ungefähr an die Zeit der Prohibition in den Vereinigten Staaten denken - das landesweite Verbot der Herstellung, des Transports und des Verkaufs von Alkohol in den USA von 1920 bis 1933. Obwohl Alkohol verboten war, breiteten sich die geheimen Lokale in denen Whiskey und Champagner in Strömen flossen(Speakeasy genannt, weil man darin flüstern musste) rasch aus.
Eine der unschönen Spätfolgen der Prohibition war die Etablierung des organisierten Verbrechens, das uns aber wiederum großartigen Stoff für Filme wie "Es war einmal in Amerika", "Last man Standing" und "The Untouchables – Die Unbestechlichen" lieferte. Treffen Sie ihre Wahl. Falsch können Sie nicht liegen.
3. Und, wie geht's?
Anders als die Gründe der Prohibition fußen die Corona-Maßnahmen auf äußerst bedenklichen Erkenntnissen über den Stand der Neuinfektionen.
So sieht das auch die Userin oder User SoIsses.
In München werden die Corona-Hygienemaßnahmen nun wieder härter und konsequenter, aber in Berlin nicht. Da wird wieder mal Zeit verschenkt und der Senat vertagt sich auf in 7 Tagen. Dabei sind die Zahlen von heute doch die Zahlen von vor 7 Tagen. Glaubt der Berliner Senat wirklich, dass die Fallzahlen von alleine wieder fallen werden, ohne wieder strengere Maßnahmen einzuführen so wie in München? Warum hält sich der Berliner Senat so zurück und geht nicht aktiv das Problem an und verschenkt nicht weitere 7 Tage und dann hilft nichts mehr das auflodernde Feuer wieder einzudämmen…
Was denken Sie über die besprochenen Maßnahmen? Schreiben Sie uns doch an absacker@rbb-online.de
4. Ein weites Feld
Ob der Genuss von Alkohol tatsächlich hinter dem Anstieg der Corona-Neuinfektionen steckt, kann man so genau aber noch nicht wissen. Schon Homer verglich jedoch Trunkenheit mit Wahnsinn und bezeichnete Wein als einen gefährlichen Genuss. So gelang es Odysseus den Zyklopen Polyphem erst auszutricksen und zu blenden, nachdem dieser sich mit starken Wein betrank.
Doch auch hier sollte man Vorsicht walten lassen: Homers Beschreibungen von Wein waren so vortrefflich und detailliert, dass ihn der Römische Dichter Horatius "Vinosus Homerus" nannte: Homer der Önologe oder Weinkenner. Selbst er hatte also einen sitzen und ich werde das dieses Wochenende mit Einhaltung der Abstandsregeln auch. So viel ist versprochen.
Lassen Sie sich nicht austricksen oder blenden,
Efthymis Angeloudis
14 Kommentare
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Beide Teilzeit Bullterrier Wuffis habe ich schon so in mein Herz geschlossen, als wären sie meine eigenen. Hätte nie im Leben gedacht wie beruhigend es doch sein kann Hunde um sich zu haben. Beste Therapie für mich. Habe gestern dem Frauchen mitgeteilt, dass ich jederzeit dazu bereit sei die beiden bei mir aufzunehmen, sollte dies jemals der Fall sein. Hektor hat übrigens eine sehr, sehr schlimme Vergangenheit. Er wurde gequält und vernachlässigt. Jetzt ist die Ella seine BESTE FREUNDIN. Aber Decken kann er sie nicht, da er kastriert ist. Er ist sehr anhänglich und liebt die Streicheleinheiten die ich ihm auch gebe sehr.
*o* wir sind sooo gespannt auf den nächsten Absacker. Und darauf, ob Männer echt auch über "Befindlichkeiten" reden können, bei 2 Aspirin, 5 Pils, einem Umverteiler... und vielleicht als Grundlage ein vernünftiges Stifado ;-)
Alle Tipps (Aspirin davor, nicht zu viel trinken) werden berücksichtigt und alle Musikvorschläge in die just für den Anlass angelegte Playlist aufgenommen. Und nach der Story mit den Gläsern, werde ich natürlich aus der Flasche trinken :) Danke euch allen.
Hör-Tipp, wenn der Zenit überschritten ist und es nur noch abwärts geht: Dirty old town. The Pogues. Efthymis, bitte denk an das Aspirin vorher...
Schau, da musste ich ab dem Wort Wuffis wieder ununterbrochen lächeln, Lothar :-) wir haben ja auch einen Teil(zeit)hund, mein Kind behauptet strikt, die "vordere Hälfte" ;-) und gerade gestern hatten wir wieder ein Kackbeutelchenerlebnis der besonderen Größe, was wir nun seit 6 Jahren mit der nötigen Fassung bzw. dem nötigen Fassungsvermögen tragen ;-)
Hund beruhigt in diesen Zeiten ungemein. Schau in das lächelnde Gesicht deiner beiden Freunde - mehr braucht man nicht :-)
Sogar Stammkneipen werden dann eine Zeit lang gegenstandslos....
Übrigens ein sehr guter Hörtipp mit Tom Waits. Wäre auch mein Vorschlag gewesen. Danke Ihnen dafür.
Aber genau das, was SIe im letzten Satz schreiben, soll doch eben vermieden werden. Und um Feiern geht's schon mal gar nicht. Nein, es geht um die Pflege von solider Melancholie - wobei stets unsicher sein muss, ob man sie überwinden oder sich ganz in ihr auflösen will. Einer von unzähligen Hörtipps: "Going Down Slow", Tom Waits, "The Early Years".
Man kann auch Trinken und dabei genießen ohne gleich dem Besäufnis anheim zu fallen. Auch in Gesellschaft mit anderen. Ist nur eine Frage der Standfestigkeit und der eigenen Selbstdisziplin.
Ich kann mich noch recht gut an mein allererstes Besäufnis Erinnern. Ich saß mit meinen 18 Lenzen in einer Wohnung. Um mich herum auch jüngere Personen. Die zwei Gastgeber waren schon etwas älter und wohl erfahrener. Als ich merkte wie betrunken ich doch war, schleppte mich einer der älteren ins Bad. Dort ließ er kaltes Wasser über meinen Kopf fließen und schrubbte mir dann den Kopf trocken. Das Ganze wiederholte er drei mal. Danach war ich fast wieder nüchtern und es ging weiter mit dem Saufen. Warum ich mich auf sowas überhaupt eingelassen hatte, ist mir bis heute vollkommen schleierhaft. Eine Wiederholung wollte ich nicht mehr. Regelrechte“Abstürze“ durch zuviel Alkohol kann ich noch an fünf Finger abzählen. Heute weiß ich sehr wohl wann ich schluß machen muß.
Hier bin ich und kann nicht anders. Wiedereinmal vortrefflich Dein Kommentar. Besonders der Tipp mit 2 Asperin vor dem Besäufnis zu sich nehmen stimmt sogar. Ich genieße mein Bier und Wein zurzeit nur noch zuhause, denn da weiß ich auch wer und wie mein Trinkglas gesäubert worden ist. Mir ist sowieso momentan die Lust auf gemeinschaftliches Besäufnis restlos vergangen. Stammkneipe hin oder her. Und meine beiden Wuffis stehen eh nur auf ein leckeres Würstchen und regelmäßiges Briefe lesen an der frischen Luft. Bin seit langem nicht mehr so oft von zwei Hunden zum Gassi gehen animiert worden. Und hätte mir auch nicht träumen lassen, das Hundekacke aufnehmen gar nicht so anstrengend ist. Tut zur Abwechslung auch mal gut. LG.
Ok - Gläser mit Strohrum virenfrei spülen wäre vll. eine Lösung ;-).
Alkohol ist nunmal ein Lösungsmittel. Er löst Bankkonten, Beziehungen, Jobs uvm. auf. Er ist, im Gegensatz zum Rauchen, gesellschaftlich weitestgehende akzepiert - leider. Dabei weiss ich nicht was ich als schlimmer empfinde, eine selbstgedrehte "Bahndammnordseite" oder eine Fuselfahne nebst Ausfallerscheinungen. Eine Prohibition würde ich als überzogen finden - nur echt, werter Efthymis, zum Feiern braucht man keinen Alk und ohne macht viel mehr Spass. Das liegt aber jedem selber - aber probieren sollte man es mal. Ich weiss, was ich gestern getan habe (nicht persönlich nehmen).
Alles im (Absinth-)grünen Bereich, Hr Angeloudis: Äußern zu können, dass es einem dreckig geht, liegt schon klar über dem Durchschnitt. Und falls Sie sich als männlicher Trinkender zu klischeehaft finden, darf ich Ihnen versichern, dass der eindeutig trinkfestere Teil meines Freundeskreises "weiblich" im Perso zu stehen hat. Na, und dass ein Zenit nicht vorläufig sein kann, weil es per definitionem dahinter immer abwärts geht, passt eh voll zu Ihrem aktuellen Freizeitplan, oder?
Die Prohibition hatte noch ein paar fatale Auswirkungen.....gab es Alkohol wurde so lange getrunken bis alles alle war....und es wurde selbstgebrautes mit unbekannten Umdrehungszahlen in sich reingekippt.
Nunja dazu wird es selbst unter Kalayci nicht kommen.
Und in Bayern regiert die Doppelmoral oder der Blick auf die Wählerstimmen..... draußen teilweise verboten, dafür gibt es dann die Wirtshaus Wiesn wo man eine Maß nach der anderen trinkt.
Und immer den Blick ins Ausland nicht vergessen....beim trinken nach Irland ...... eine Ire gilt erst als betrunken wenn er ohne fremde Hilfe nicht mehr auf dem Boden liegen kann ;-)
Da bleibt nur viel Spaß zu wünschen und lassen sie auch mal 5e grade sein.
Na dann viel Spaß am WE :-) und immer an den Rat meines "lassTrinken"-Freundes denken, wenns einem mangels Übung komisch wird - bloß nicht die Lage ändern. Stehen bleiben, oder sitzen. Und aushalten. Und schon vorm Trinken 2 Aspirin nehmen! Ja, das waren Zeiten, damals... bei mir ist es länger als 10 Jahre her *schäm*
Der Prohibition verdanke ich also meinen Morricone-Klingelton... welcher könnte das sein? Ich kann mir das nicht wirklich vorstellen - 13 Jahre ohne öffentlichen Alk... gut, heute würden "Betroffene" die Corona-Händedesinfektion wegtrinken, aber wie war das damals? Kalter Entzug??? Uff...
Der Alkohol mag schon für Infektionen verantwortlich sein - oder wissen Sie, wie die Gläser gespült werden? Genau, mit kaltem Wasser, ohne Spüli, sonst gibts keine Blume auf dem Pilsken. Da gehen Viren nicht von ab. Echt nicht. Versprochen. Auch dieses Wochenende ;-)