Der Absacker - Was war zuerst, die Henne oder das Ei?

Do 15.10.20 | 21:36 Uhr
Efthymis Angeloudis
Bild: rbb|24/Mitya

Das ewige Rätsel, das Philosophen schon seit Plutarch ärgert, scheint heute um einiges einfacher zu lösen als die Frage: Wer soll einen zweiten Lockdown verhindern? Die Henne oder das Ei? Nur falsche Antworten gibt Efthymis Angeloudis.

"Was war zuerst, die Henne oder das Ei?" - eine ebenso alte wie knifflige Frage: Das Henne-Ei Problem ist fast so alt wie das Huhn selbst – oder wenigstens das gezähmte Huhn.

Hühner wurden wahrscheinlich vor etwa 5.400 Jahren erstmals in Südostasien domestiziert. Der älteste aufgezeichnete Hinweis auf das besagte Rätsel geht auf eine Sammlung von Aufsätzen und Diskussionen des 46 n. Chr. geborenen griechischen Historikers Plutarch zurück. In einem Kapitel seiner Tischgespräche deutete er bereits daraufhin, dass die Frage weitaus mehr als bloßer Denksport sei: "Sulla, mein Freund mit diesem kleinen Problem lösen wir, wie mit einem Werkzeug, ein viel größeres aus, das der Erschaffung der Welt."

So weit wollen wir heute nicht gehen. Aber vielleicht nützt uns das Henne-Ei-Problem als Metapher für Ursache und Grund der Corona-Maßnahmen. Denn prinzipiell könnte man fast jeden coronabedingten Konflikt immer wieder auf dieselbe Frage herunterbrechen: Was war zuerst, die Henne oder das Ei? Kamen erst die Ausgangsbeschränkungen oder blieben die Menschen schon vorher zuhause? Brauchte man erst das Beherbergungsverbot oder würde man im Moment sowieso nicht verreisen wollen? Muss der Staat das regeln oder genügt der gesunde Menschenverstand?

1. Was vom Tag bleibt

Doch bevor wir das Rätsel auflösen konnten, schritt das Gericht ein. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht erklärte am Donnerstag das Beherbergungsverbot des Landes für Reisende aus deutschen Corona-Hotspots in einem Eilverfahren für rechtswidrig. Auch in Baden-Württemberg wurde das Beherbergungsverbot gerichtlich gekippt. Sachsen und das Saarland haben die Regelung am Donnerstag aufgehoben. Vorher hatten schon Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz angekündigt, dass sie das Verbot nicht umsetzen werden. Andere Länder wie Thüringen und Berlin wollten ohnehin nicht mitmachen.

Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat am Mittwochabend einen weiteren Eilantrag gegen das Beherbergungsverbot für Menschen aus Corona-Risikogebieten erhalten. Damit sind inzwischen zwei Eilanträge und eine Klage gegen die Verordnung beim OVG anhängig. Zwei Hoteliers aus Brandenburg - einer aus dem Kreis Ostprignitz-Ruppin, einer aus Oder-Spree - wehren sich gegen das Verbot, Urlauber aus Risikogebieten aufzunehmen. Sie halten die Regelung den Angaben zufolge für unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Wer sich aber in Brandenburg in relativer Sicherheit zu wiegen glaubt, wenigstens im Vergleich zu Berlin, irrt. Als erste Region in Brandenburg zählt die Stadt Cottbus zu den bundesweiten Risikogebieten mit mehr als 50 neuen Infektionen je 100.000 Einwohner in einer Woche. Laut Zahlen der Stadt Cottbus liegt die Zahl der Corona-Fälle binnen sieben Tagen aktuell bei 66 per 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

2. Abschalten

Mein Kollege Haluka Maier-Borst griff in seinem Absacker bereits die Behauptung der Lektorin Annette Wassermann auf, dass sich kein Mensch online eine Lesung anguckt. Und obwohl ich dazu tendiere ihr zuzustimmen, schielte ich heute, als legendärer Prokrastinierer beim Schreiben des Absackers auf den Live-Stream von Zeit Online mit dem Schriftsteller Saša Stanišić zur Frankfurter Buchmesse. Streaming-Tipp: Die Blaue Hand [Zeit Online]. Absoluter Lese-Tipp: Herkunft [deutschlandfunkkultur.de].

3. Und, wie geht's?

Unser Leser Hendrik widerspricht der These über Online-Lesungen.

Dass sich "kein Mensch eine Lesung online" angucken würde, halte ich für ein Gerücht. Wenn das entsprechend breit gestreut wird, schauen da u. U. sogar mehr Leute zu als in einer zwar gemütlichen, aber stickigen Kleinbuchhandlung. Wie man das dann zu Geld macht, ist die nächste Frage, aber auch das sollte klappen. Wenn man z. B. signierte Bücher verkauft und sonstige Exklusivitäten. Halte Corona auch da für eine Chance, auch wenn es seltsam klingt, mal neue Wege zu gehen.

4. Ein weites Feld

Nun ist das Beherbergungsgverbot keine Ultima Ratio. Irgendwer muss immer verreisen - ob er oder sie will oder nicht. Aber auch hier bietet das Henne-Ei-Problem Abhilfe: Immanuel Kants Gegenentwurf zur unendlichen Frage "Henne oder Ei" war der Kategorische Imperativ: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." In Zeiten von Corona würde das wohl so viel heißen wie, wir sollten uns alle so verhalten, dass kein neuer Lockdown notwendig ist.

Übrigens lag Kant in seiner Annahme, dass das Henne-Ei-Problem ein Zirkelschluss ist, der nie beantwortet werden kann, falsch. Die Antwort auf das Rätsel ist einfach [swr.de]: Eier gab es lange, bevor es Hühner gab, nur waren das keine Hühnereier.

Wäre doch auch das Rätsel um Corona so unkompliziert.

Nicht wirklich überzeugt und immer noch grübelnd grüßt Sie,

Efthymis Angeloudis

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