Der Absacker - Bitte my Lederhosen lüften – but without Schadenfreude

Di 13.10.20 | 18:52 Uhr
Haluka Maier-Borst
Bild: rbb|24/Mitya

Coronabedingt wird ein für uns altbekanntes, in anderen Ländern aber neues Wort seinen Siegeszug durch die Welt antreten: Lüften. Haluka Maier-Borst fragt sich, inwiefern das unser Bild im Ausland verändert.

"Hitler, Lederhosen, und ach, Oliver Kahn." Das war die Antwort eines Arbeitskollegen, als ich ihn fragte, was ihm denn zu Deutschland so einfällt. Meine Reaktion war erst ein entsetztes Blinzeln. Und dann ein tiefes Seufzen. Das ist es also, was es aus der Heimat auch in die letzten Winkel von Japan schafft, dachte ich mir vor etwa zehn Jahren während meines Freiwilligen Sozialen Jahres im Ausland.

Assoziationsketten sind absurd. Da steht kommentarlos ein Massenmörder neben einer Volkstracht neben einem Fußball-Torhüter. Und alle drei prägen auf merkwürdige Weise unser Bild von etwas. Vielleicht kann Deutschland bald noch für etwas anderes bekannt werden. Das Lüften. Aber dazu später mehr.

1. Was vom Tag bleibt

Im Hier und Jetzt von Berlin und Brandenburg prägt weiterhin Corona unsere tägliche Assoziationskette. Heute gehören dazu, neben einem neuen Rekordhoch an Infektionen in Berlin, zwei Corona-Kuriositäten.

Das ist einmal der Vorschlag zu verlängerten Winterferien, den zwei CDU-Politiker machten und der jetzt nun saftig Kritik erntet. Und dann ist da noch ein Bus, der zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice zurzeit nicht die Grenze queren darf. Der Grund ist, dass der Bus zu gut frequentiert ist und in Polen Abstandsregeln im öffentlichen Nahverkehr gelten.

2. Abschalten.

In meiner kleinen Social-Media-Bubble macht derzeit ein Artikel des britschen "Guardians" die Runde [guardian.co.uk]. Es geht darum, dass neben den bekannten AHA-Regeln (Alltagsmaske, Hygiene, Abstand) nun in Deutschland auch noch ein "C" für die Corona-App und ein "L" für das Lüften dazu gekommen sind.

In den folgenden Absätzen des Artikels gibt es dann eine soziologische Betrachtung dieses speziellen deutschen Brauchs. Da wird der Unterschied zwischen "Stoßlüften" und "Querlüften" erklärt und mit einer gewissen Bewunderung davon gesprochen, dass man in Deutschland Fenster auf unterschiedliche Weisen öffnen kann (Anm. d. Autors: Ich glaube, Sie meinen "Kippen").

Aber es findet auch der schöne Satz Eingang: "Erfroren sind schon viele, erstunken ist noch keiner." Wenn Sie also verstehen wollen, wieso Sie post-pandemisch im Ausland über "Lüften" sprechen können und dann wohl überall ein anerkennendes Nicken ernten, lesen Sie diesen Text.

3. Und, wie geht's?

"United We Stream" hat weltweit für viel Bewunderung gesorgt. Deutlich weniger basslastige Events haben es dagegen schwer mit dem Umzug ins Digitale, namentlich Verlage und ihre Buchmessen.

So sagt die Lektorin Annette Wassermann recht klar in einem Artikel bei uns: "Es guckt sich kein Mensch eine Lesung online an." Und ihr Kollege Rainer Nitsche vom Transit-Verlag ergänzt: "Die Buchmesse findet so einfach nicht statt, das muss man erstmal festhalten. Online-Angebote kompensieren nicht den Verlust des persönlichen Austauschs vor Ort. Jeder, der versucht, es klein zu reden, liegt da falsch."

Welche Veranstaltungen im analogen Bereich fehlen Ihnen zurzeit? Schreiben Sie uns an: absacker@rbb-online.de.

4. Ein weites Feld ...

Irgendwie ist das ein merkwürdiger Gedanke, dass das "Lüften" nun als große deutsche Errungenschaft die Runde macht. Umso mehr als dass die berühmte britische Pionierin der Krankenpflege Florence Nightingale schon vor rund 150 Jahren das Fensteröffnen nutzte, um Erregern den Gar aus zu machen [guardian.co.uk].

Aber ehrlich gesagt, ein Wort mehr im Kanon der deutschen Wörter in anderen Sprachen sollte uns allen recht sein. Hauptsache die Praxis dahinter fegt tatsächlich die Viren aus den Räumen – egal ob in Brandenburg oder in London.

Frisch durchgelüftet:

Haluka Maier-Borst

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Antwort auf [Hauptmann] vom 14.10.2020 um 13:15
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