Der Absacker - Tierisches Transfer-Theater

Mi 01.07.20 | 20:11 Uhr | Von Johannes Mohren
Schäferhundwelpe (Quelle: imago images)
Bild: imago images

Sommerzeit ist im Sport Transferzeit. Doch wegen Corona gilt es, bei Neuverpflichtungen kreativ zu werden. Johannes Mohren hat deshalb Ball-Virtuosen mit Schnauze und Geweih gescoutet - und er freut sich über einen Paketboten, der ihn eigentlich geärgert hat.

Eigentlich war ich richtig genervt. Einer meiner WG-Mitbewohner und ich hatten bei einem allseits bekannten US-amerikanischen Onlineversandhändler für einen weiteren WG-Mitbewohner ein Geschenk bestellt. Es war - was mich betrifft - mal wieder ein typischer Auf-den-letzten-Drücker-Kauf eines schuldbewussten, aber unverbesserlichen Auf-den-letzten-Drücker-Käufers. Das Versprechen: Lieferung am nächsten Tag! Gerade rechtzeitig.

Es kam auch pünktlich an. Nur leider erst einmal nicht in Form eines Pakets, sondern als Nachricht aufs Smartphone. "Heute zugestellt. Die Sendung wurde einem Nachbarn übergeben." Schön und gut. Nur war ich den ganzen Tag im Home-Office gewesen - überhaupt versucht, den braunen 50-mal-50-Zentimeter-Karton, der in buntem Papier zum Geschenk werden sollte, bei uns abzugeben, hatte niemand. Stattdessen lag dieser Zettel mit kaum leserlichem Namen im Briefkasten. "Wir haben Sie leider verpasst. Wo ist ihr Paket jetzt? Wir haben es an einen Nachbarn übergeben." Puuh. Na ja, immerhin nicht der vollen Wertstoff-Tonne. [wa.de]

Also: Klingelschilder absuchen. Vorderhaus? Nein. Hinterhaus? Nein, wie nervig. Querflügel? Ah ja, ein Name, der der kryptografischen Buchstabenfolge auf dem Zettel ähnelt. Die detektivische Fährte aufnehmen. In unbekannte Bereiche des Wohnblocks vordringen. Vor scheinbar verschlossene Türen laufen (ja, so Berliner Hinterhöfe können verschachtelt sein). Aber dann, das Ziel! Klingeln, einem Mann im Alter meines Vaters in die Augen schauen, gemeinsam - schon leicht besänftigt - über die Paketabgabe-Praxis schimpfen. Dann drei Minuten nett plaudern. Und schwupps: Aus einem Fremden, an dem ich vermutlich schon so manchen Morgen in der Großwohnhaus-Anonymität vorbeigelaufen bin, ist ein Nachbar geworden. Danke, lieber Paketbote!

1. Was vom Tag bleibt.

Den Schlenker zum nachrichtlichen Tagesgeschehen zu bekommen, ist gar nicht so leicht - aber es funktioniert (na gut, ein bisschen sehr konstruiert!): Geschenkt bekommen wird mein Mitbewohner, sobald ich diesen Absacker fertig geschrieben habe, einen Maßkrug. Weil er seine bayerische Heimat und das, was man dort Bier nennt (über die Wunderlichkeit der Menschen aus diesem Bundesland schrieb so schön mein Kollege Haluka Maier-Borst), beizeiten genauso vermisst wie ich mein rheinländisches Zuhause.

Womit wir beim Bier wären und dem, was der 1. FC Union in den vergangenen zwei Jahren ausgiebig tun konnte: feuchtfröhlich feiern! Großen Anteil daran hat Trainer Urs Fischer, der auf den Tag genau vor zwei Jahren bei den Köpenickern begann und mit dem Team erst den Aufstieg und dann den Nichtabstieg meisterte. Eine fast schon historische Leistung eines in sich ruhenden Schweizers, die mein Kollege Jonas Bürgener passend würdigt.

Mindestens ebenso historisch ist das, was sich personell am Bundesverfassungsgericht abzeichnet. Die SPD will Ines Härtel von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) als neue Bundesverfassungsrichterin vorgeschlagen. Mit Härtel würde erstmals seit 30 Jahren eine Juristin aus Ostdeutschland in das höchste Gericht Deutschlands ziehen.

Weitaus weninger erfreulich ist, was von der Billigfluglinie Easyjet zu hören ist. Sie will nach rbb-Informationen an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld die Zahl der Flugzeuge und der Mitarbeiter massiv reduzieren. Es droht der Verlust von mehr als 700 Jobs.

2. Abschalten.

Sommer- ist im Sport auch immer Transferzeit. Millionenbeträge und Spieler wechseln dabei ihre Besitzer. Corona-Krise hin, Corona-Krise her. Für Klubs, die - pandemiebedingt oder ohnehin - nicht in leroy-sanéschen Größenordnungen denken können, haben wir einen Shooting-Star entdeckt. "Enge Ballführung, Zug zum Tor, starker Abschluss", urteilt meine Kollegin und ARD-Sportschau-Kommentatorin Stephanie Baczyk. Vielleicht wäre das ja mit seiner bockstarken Geweih-Performance einer für Hertha BSC oder den 1. FC Union?

Natürlich haben wir nicht nur den Fußball im Blick. Schon länger scouten wir diesen tierischen Volleyball-Star aus Skandinavien: Kiara - eine Mischung aus Labrador und Flat Coated Retriever - ist allerdings spätestens seit April kein Geheimtipp mehr, sondern ein Schwergewicht auf dem Transfermarkt. Aus der Kategorie: Könnte richtig teuer werden!

Entweder Lars Windhorst lässt nach seinen frischen 150 Millionen für Hertha BSC auch bei den BR Volleys einen Geldkoffer stehen oder der Neuzugang aus Norwegen dürfte für den Bundesligisten nur schwer zu realisieren sein. Denn im Frühjahr kam die Hündin des Profi-Beachvolleyballers Mathias Berntsen groß heraus. Die Videos der Ball-Virtuosin, die in der Schnauze ähnlich viel Gefühl hat wie Lionel Messi im Fuß, klicken Hunderttausende im Internet und die Fan-Page hat fast 35.000 Abonnenten. Da erblasst so mancher Influencer ganz ehrfürchtig vor Neid - und es gibt beste Voraussetzungen für tierisches Transfer-Theater um den Kiara-Kauf.

3. Und, wie geht's?

Kommen wir wieder zu den Kickern mit zwei Beinen - und ohne Schnauze und Geweih. Die haben (die glücklichen Pokalfinal- und die zitternden Relegations-Teilnehmer ausgenommen) vor ein paar Tagen eine Saison beendet, bei der es zwischenzeitlich schon so aussah, als würde sie vielleicht gar nicht zu Ende gebracht werden können. Es waren Geister-Spieltage, an denen mein Fußball-Herz gehörig geschmerzt hat. Der "Tagesspiegel"-Kollege Stefan Hermanns schreibt dazu treffend: "Der Profifußball ist ohne Fans kein Fußball mehr". Lesenswert.

Gerade in Köpenick überwog bei vielen natürlich trotzdem ein stolzer Blick zurück. So auch bei Gunner, der unter die bereits angesprochene Urs-Fischer-Würdigung kommentierte:

Was das gesamte Team - auf dem Platz, an der Seitenlinie und in der Geschäftsstelle - erreicht hat verdient mehr als nur Respekt. Auch wie der Verein Spieler wie Rafa und Polter verabschiedet hat ist beispielhaft. Die Union-Kultur sollten sich ale BL-Vereine auf die Fahne schreiben. Unterhaltungsgeschäft sollte nicht mit dem Größenwahn in anderen Clubs einhergehen- stattdessen die Fans einbinden auf Nachhaltigkeit setzen.

Für die neue Saison bin ich optimistisch, glaube jedoch, es wird viel schwerer werden. Und dann wird sich zeigen, wie Union reagiert, wenn man vielleicht ähnlich weit hinten ist, wie Paderborn diese Saison.

Was UF (Anm. d. Red: Trainer Urs Fischer) angeht, hat er einen besonderen Platz in der Liste der Trainer des FCU - und das nicht nur, weil er BL- Aufstiegs- und BL-Nichtabgstiegstrainer ist.

Wie blicken Sie auf die Saison des 1. FC Union und Hertha BSC zurück? Was für Momente und Bilder verbinden Sie mit der Fußball-Spielzeit? Wie fanden Sie die Geisterspiele nach dem Re-Start? Schreiben Sie uns: absacker@rbb-online.de

4. Ein weites Feld ...

... fällt an diesem Abend leider kurz aus. Aber nun, da ich das Geschenk - samt netter neuer Nachbarschafts-Erfahrung - im Querflügel gefunden habe, müssen wir es natürlich auch a) übergeben und b) befüllen. Außerdem zieht der Lasagne-Duft schon aus der Küche in mein WG-Zimmer. Und der Auf-den-letzten-Drücker-Käufer will nicht zum Auf-den-letzten-Drücker-Reste-Esser werden. Ich hoffe sehr, Sie akzeptieren das als Entschuldigung.

Machen Sie sich einen schönen Abend. Ich verlasse nun - im wahrsten Sinne des Wortes immer der Nase nach - meinen Home-Office-Schreibtisch.

Johannes Mohren

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