Der Absacker - Eine brandenburgische Romanze in Mohnrot

Mo 22.06.20 | 20:44 Uhr | Von Johannes Mohren
Mohnblumen an einem Feldrand in Brandenburg (Bild: imago images/Petra Schneider-Schmelzer)
Bild: imago images/Petra Schneider-Schmelzer

Vier Tage war Johannes Mohren komplett raus aus der Nachrichtenwelt und muss nun lesen, dass seine geliebten Pop-up-Radwege - wissenschaftlich erwiesen - Menschen entzweien. Da helfen nur Flucht in die Romanze mit Brandenburg - und skurrile Internet-Hypes.

Puuh, geschafft. Endlich! Ich habe in den vergangenen Stunden gelesen und gelesen und gelesen, um Ihnen wirklich Neues zu erzählen - und nicht nur das, was ich noch für neu halte. Seit Donnerstag hatte ich mich nämlich mit meinen Rennradschuhen in die Pedale ein- und aus der Welt der News ausgeklinkt. Die Folge: Ich war völlig muskelverkatert, aber gleichzeitig tiefenentspannt. Das ist jetzt wieder Geschichte. Besten Dank, Horst Seehofer! [tagesschau.de]

Von Berlin aus bin ich nach Celle geradelt und habe mich dabei - auf den ersten Blick und unsterblich - in die Weite der brandenburgischen Felder verliebt (diese Mohnblumen am Wegrand, zum Dahinschmelzen!). Eigentlich wollte ich Ihnen von dieser ebenso unerwarteten wie innigen Romanze berichten. Aber weil ich ja gelesen und gelesen und gelesen habe, weiß ich, dass mein Kollege Tim Schwiesau schon über die Freuden des Fahrradfahrens erzählte. Brandenburg rockt, schrieb er. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Und ich will Sie ja nicht langweilen.

1. Was vom Tag bleibt.

Zumal es genug Neues gibt. Beginnen wir mit dem Erfreulichen - und reden übers Wetter. "Utz" ist mein wahrgewordener Tagtraum aus dunkel-nass-kalten Berliner Winterstunden. Damals wusste ich noch nicht, dass er so heißen würde - wie ich soeben gelernt habe, handelt es sich um eine Kurzform des Männernamens Ulrich (aha!) -, aber er ist wie in meinem schönsten Vorstellungen. Das Hochdruckgebiet bringt bestes Sommerwetter und das für längere Zeit. Was geht mehr - gerade für die, die bald in die Ferien starten?

Weitaus weniger Sonnenschein herrscht in der Veranstaltungswirtschaft - und es ist so gar kein rettender "Utz" im Anmarsch. Während in Berliner Parks Hunderte Menschen illegale Partys feiern, gibt es in der Corona-Krise offiziell keine großen Konzerte, Messen oder Konferenzen. Die Konsequenz: Es könnte eine gigantische Pleitewelle drohen, sagten Verantwortliche aus der Branche rbb|24. Am Abend werden deshalb über 7.000 Gebäude in ganz Deutschland mit rotem Licht angestrahlt, von Konzerthäusern bis Messehallen. In Berlin sollen etwa 100 Bauwerke leuchten. Die "Night of Light" soll ein Warnsignal und Hilferuf an die Politik sein.

2. Abschalten.

Ich war lange auf der Suche, was ich Ihnen hier an Herz legen soll. Bis ich - mehr aus Verzweiflung - "Internet-Hypes" als vages Suchwort in die Google-Suche eingegeben habe. Danach war ich verloren ... Nicht mehr in Ideenlosigkeit, sondern in teilweise skurrilen Erinnerungen, was in der großen weiten digitalen Welt schon so alles gemacht und gefeiert wurde. Ich empfehle Ihnen, wenn Sie (zu) viel Zeit zum Abschalten haben: Begeben Sie sich selbst auf diese Reise zwischen Planking, Ice Bucket Challenge (da sollten Sie besonders die Fail-Videos beachten) und Co. Wenn nicht, hier unkommentiert ein Highlight aus dem Jahr meines Abiturs.

3. Und, wie geht's?

Meine Kollegin Maike Gomm hat einen Text über eine meiner Lieblingsentwicklungen der jüngeren Vergangenheit geschrieben: Berlins neue temporäre Fahrradstreifen. Die machen die Hauptstadt zwar noch nicht zu einem mohnroten Radfahr-Paradies wie Brandenburg. Aber immerhin, es rollt sich besser. Gefällt mir - aber nicht allen. "Seit ihrer Einführung in der Corona-Krise kreisen Debatten um Berlins Pop-up-Radwege", lautet nun der erste Satz des Teasers. Die Kluft ist tief. Sehr tief sogar. Eine Studie der TU Berlin zeigt: Fast 100 Prozent der Fahrradfahrer geht's wie mir und sie sind dafür, aber rund 80 Prozent der Autofahrer dagegen. Und dementsprechend hitzig geht es auch in den Kommentarspalten unter dem Beitrag zu.

Für einen User namens Europäer ist die Gleichung relativ einfach.

"(...) Und genau DAS ist auch auch die richtige Methode von den Stadtplanern. Nehme dem Auto den Platz weg und der Autofahrer wird sich zweimal überlegen ob er es tut. Nur so kann man langfristig die Verkehrswende vollziehen."

Paula W. hält die Pop-up-Fahrradwege hingegen für wenig durchdacht. Urteil: Ziel verfehlt!

"Dass es in den Städten in Dänemark und den Niederländern so gut mit dem Fahrradverkehr klappt, hat was mit Planung durch Fachleute zu tun, die in jahrelanger Arbeit ein vernünftiges Konzept erstellt und umgesetzt haben. Würde man das auch in Berlin fachlich, zeitlich und mit einem entsprechenden Konzept umsetzen und nicht nur kurzfristig mit unprofessionellen und politisch motivierten Aktionen, hätten alle Verkehrsteilnehmer eine Chance in der Stadt. Oder ist diese Eile auch dem nächsten Wahltermin geschuldet?"

Fast beschwichtigend schreibt da der User mit dem Namen Berliner. Für ihn ist das Ganze gar nicht so sehr eine Sache baulicher Änderungen - vielmehr muss sich in den Köpfen etwas tun.

"Also mich als Auto- und Radfahrer entzweit da gar nichts. Der Großteil der Fahrrad- und Autofahrer fährt vernünftig und passen gegenseitig auf. Deppen gibt's auf beiden Seiten. Und wegen den paar Kilometer Fahrradweg reg ich mich nicht auf. Wir müssen halt alle versuchen miteinander auf den Straßen klar zu kommen. Finde wichtiger als die abgetrennten Wege sind gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis."

Und Karsten gehört zu statistischen Minderheit der Autofahrer, die den etwas abgewinnen können.

"Als Autofahrer ist es mir lieber, wenn Radfahrer ihre eigene Spur haben. Was die Kantstr. angeht, da ist mir bisher kein Unterschied aufgefallen. Vorher war die rechte Spur eh kaum befahrbar, weil gefühlt alle 20m jemand in zweiter Reihe stand. (...)"

Wie ergeht es Ihnen im Verkehr in Berlin und Brandenburg? Was fällt Ihnen auf - was stört Sie? Und: Was denken Sie über die Pop-up-Fahrradwege? Schreiben Sie uns an absacker@rbb-online.de.

4. Ein weites Feld ...

Ich bin in einem Lehrer-Haushalt groß geworden. Meine Mutter hat in der schönsten Stadt überhaupt (Sie wissen nicht, welche ich meine? Dann erinnere ich an meine Absacker-Liebeserklärung) Germanistik studiert, mein Vater Mathematik - und beide haben für Latein in Seminarräumen und Hörsälen gesessen. Wie man sich eben so kennenlernt.

Was die Talente angeht, habe ich von meiner Mutter ganz offenbar mehr mitbekommen als von meinem Vater. Was sie mir aber deutlich voraus hat? Sie ist viel belesener als ich. Und so rief sie mich bei einem meiner letzten Absacker - ich schrieb ihn an meinem alten Schreibtisch in meiner Aachener Heimat - zu sich. Ob ich denn eigentlich wisse, worauf der zum geflügelten Wort gewordene Name der Kategorie Ein weites Feld ... zurückgehe, den ich mit Inhalt befüllen würde, fragte sie mich.

Ich gebe ehrlich zu: Ich musste passen. Wissen Sie es - und schütteln in diesem Moment den Kopf über den Literatur-Banausen, der diesen Absacker verfasst? Nun ja, dann wären Sie nach meiner Mutter die nächsten. Dem womöglich doch existierenden Rest der Mit-Unwissenden sei gesagt: Die Antwort führt zu Theodor Fontane, seinem Roman "Effi Briest" - und einem Vater, der die Welt zu kompliziert findet, um sie in ihrer Widersprüchlichkeit zu erläutern. Er blockt mit diesen Worten also ab. Wir werden sie natürlich weiterhin zum Anlass nehmen, um (uns) zu öffnen. Und ich habe nun - ganz Lehrerkind - mein neu erworbenes Wissen auch gleich weitertransportiert.

Ich wünsche einen schönen Abend - und schwinge mich ("Utz" sei Dank!) noch eine Runde aufs Rennrad. Und wenn Sie Touren-Tipps für mich haben, mit denen Brandenburg und ich unsere Romanze weiter vertiefen können (Ziel: Langzeit-Beziehung!), bitte unbedingt her damit.

Johannes Mohren

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