Der Absacker - Suche Lebensqualität, biete Kinder

Mi 29.04.20 | 20:32 Uhr
Symbolbild: Eine Frau mit zwei Kindern (Quelle: dpa/Julian Stratenschulte)
Bild: dpa/Julian Stratenschulte

Viele Eltern mit Kita-Kindern spüren von etwaigen Verbesserungen durch die Lockerung der Corona-Maßnahmen kaum etwas: Sie müssen weiter Home-Office, Haushalt und Kinderbetreuung irgendwie unter einen Hut bringen. Ein Abnutzungskampf. Von Sebastian Schöbel

Ich wäre kürzlich vor den Augen meiner Frau fast einer Anderen um den Hals gefallen – wäre meine Tochter (3) nicht schneller gewesen. Es war nämlich ihre Kita-Erzieherin, die zufällig an unserem Haus vorbei spazierte. Seit Beginn des Corona-Lockdowns haben wir sie nicht mehr gesehen. Und mich störte es kein bisschen, dass meine Tochter mit ihrer Euphorie natürlich auch irgendwie uns Eltern zu verstehen gab, wie wichtig diese Frau für sie ist: Sie ist es nämlich auch für uns Eltern. Mit Liebe und Zuneigung für den Nachwuchs hat das nichts zu tun. Vielmehr hat mir Corona schonungslos vor Augen geführt, wie wenig ich selbst zum Erzieher tauge, wie schnell ich mit meinem Latein bei der Kinderbespaßung am Ende bin und wie müde mich ein ganzer Tag mit den Kindern macht – zumal nebenbei ja noch Haushalt und Home-Office warten.

Deswegen stehen die Packungen Pralinen für die Kita-Erzieherinnen meiner Kinder schon bereit: Am Donnerstag besprechen Bundesregierung und Länder den Vorschlag der Familienminister für eine behutsame Wiedereröffnung der Kitas – für mich der wichtigste Termin diese Woche.

1. Was vom Tag bleibt

Ebenfalls lange nicht mehr gesehen hat meine Tochter eine ihrer besten Kita-Freundinnen, Yining. Was hoffentlich nur daran liegt, dass sie mir ihren aus China stammenden Eltern einfach immer zu anderen Zeiten Fahrradtouren oder Spaziergänge macht als wir – und nicht an Diskriminierungserfahrungen, wie sie offenbar immer mehr asiatische Menschen in unserer Region machen. Jo Goll hat mehrere zum Teil erschreckende Beispiele zusammengetragen.

Den Familienurlaub auf dem Bauernhof haben wir bereits sausen lassen, und auch beim Sommerurlaub richten sich meine Frau und ich mental auf unseren Garten statt Spanien ein: Eine Rückkehr zur Normalität beim Tourismus ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Meine Kollegin Andrea Everwien hat Ihnen mal aufgeschrieben, welche Verbraucherrechte wir haben, wenn der Urlaub an Corona scheitert.

2. Abschalten

Kurz nachdem uns das Coronavirus alle zu Einsiedlern machte, hat ein interessanter Hype meine märkische Kleinstadt ergriffen: "Berkelstones" [Instagram]. Menschen bemalen Steine, legen sie aus, andere Leute nehmen sie mit, fotografieren sie für Facebook oder Instagram und legen die Steine wieder aus. Dabei kommen zum Teil richtige Kunstwerke heraus: japanische Landschaften, leuchtende Sonnenuntergänge, Gesichter von Fernsehstars der 80er Jahre, alles schon gesehen. Und aus Gründen, die ich unbedingt mal recherchieren muss, hat dieser Hype genau zwei Epizentren in Deutschland: das nordrhein-westfälische Stadtlohn an der deutsch-niederländischen Grenze … und Hennigsdorf, Landkreis Oberhavel. Distanz zwischen beiden Städten: 540 Kilometer. Was dahinter steckt, werde ich für Sie mal recherchieren, versprochen.

3. Und, wie geht's?

Am Anfang dieser Kolumne habe ich ja gemeckert, weil die geschlossene Kita meiner Kinder das Leben meiner Familie auf den Kopf stellt. Aber dann habe ich vor ein paar Tagen einen Facebook-Post gesehen, der mich ein wenig auf den Boden der globalen Tatsachen geholt hat. Da schrieb sich ein Deutscher, der auf Fuerteventura lebt, seinen Frust vom Leib – und zwar weil ihm das deutsche Gemecker auf den Geist geht.

Wir dürfen seit 40 Tagen unsere Häuser und Wohnungen nur für Einkäufe von Lebensmitteln und Medikamenten oder Arztbesuche verlassen. Wenn du draußen erwischt wirst und keinen Einkauf bzw. Kassenbon vorweisen kannst, zahlst du 600 Euro Strafe! Kindern ist es bis jetzt noch nicht mal erlaubt mit zum Einkaufen zu fahren.
Und in Deutschland werden die eh schon sehr milde gehaltenen Zügel gelockert und das Volk bekommt den Hals nicht voll und schreit direkt nach mehr!
Die Regierung wird beschimpft, obwohl der Deutsche Staat mit Abstand die besten Soforthilfen überhaupt raushaut.
Da können hier die Menschen nur von träumen!
Man sollte einfach mal damit zufrieden sein was good old Germany so alles macht und über den Tellerrand schauen wie es in anderen Ländern zugeht.

Den Post habe ich im umgehend geteilt – und ein anderer deutscher Auswanderer, der in Phuket, Thailand wohnt, teilte seine Geschichte.

Dort wo wir leben gibt es GAR NIX, wir haben ähnliche Ausgangssperren und Hilfe gibt es genau ZERO ....aber das sag ich ja seit Tagen, der Deutsche ist der geborene Meckerkopp, egoistisch bis sonst wohin.
Wir haben hier so ziemlich genau von Dezember bis März Zeit, um Geld zu verdienen, dann ist Hauptsaison. Seit Anfang Februar kommt nix rein... GAR NIX ... hier springen die Leute inzwischen reihenweise von Häusern, weil sie Hunger haben. In Deutschland heulen sie, dass sie nicht zum Frisör gehen können.. Luxusprobleme.

Fuerteventura, Thailand: Zwei Paradiese, in denen es jetzt offenbar alles andere als paradiesisch zugeht. Da erscheinen einem die eigenen Probleme vielleicht etwas kleiner.

Und wie geht es Ihnen? Schreiben Sie uns: sebastian.schoebel@rbb-online.de 

4. Ein weites Feld...

... ist die Funktionsweise meiner Ikea-Nähmaschine. Die schmeiße ich jetzt am vierten Abend in Folge an. Natürlich um Masken zu nähen. Als moderner Mann sage ich das natürlich nicht ganz ohne Stolz: Schaut her, ich habe Bartwuchs und kann eine Nähmaschine bedienen.

Sowas sage ich aber nicht, weil es nicht stimmt. Das mit dem Bartwuchs schon, aber der andere Teil nicht. Ich schaffe es nie, mal zwei Nähte nacheinander zu nähen, ohne den Faden komplett wieder einfädeln zu müssen. Und eine Bitte an all die tollen Schneiderinnen da draußen, die uns die vielen YouTube-Nähanleitungen geschenkt haben: Bitte so Handgriffe wie "absteppen" nochmal erklären. Ich vermute nämlich, dass das, was ich darunter verstehe, nicht stimmen kann... sonst würden meine Masken anders aussehen.

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund.

Sebastian Schöbel

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Antwort auf [borninc_burg] vom 01.05.2020 um 08:10
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