Der Absacker - Ein Ende ohne Schrecken

Di 07.07.20 | 21:04 Uhr
Touristen besuchen die Stadt Pompeji (Quelle: dpa/Alvise Armellini)
Bild: dpa/Alvise Armellini

Die Forschung des Untergangs vergangener Zivilisationen könnte uns helfen die aktuelle Gefahr durch das Coronavirus oder die akute Gefahr durch den Klimawandel besser einzuschätzen, findet Efthymis Angeloudis. Oder wir können Augen und Ohren verschließen und lalalala.

Zivilisationen, das zeigt uns die Geschichte, kollabieren meist nicht von einem Tag auf den anderen. Vielmehr ist ihr Untergang ein langwieriger, schmerzvoller Prozess. Zu diesem Schluss kommt der Universalhistoriker Arnold Toynbee in seinem 12-bändigen Werk "Der Gang der Weltgeschichte", in dem er den Aufstieg und Fall von 28 verschiedenen Zivilisationen erkundet [bbc.com].

Die Gründe, die zum Untergang führten, sind meist sehr verschieden und nur schwer vorhersehbar: Naturkatastrophen, Klimawandel, Überexpansion oder schlechte Führung. Oft aber ist der Grund des Absturzes, dass diese Kulturen die Augen vor ihren systemischen Problemen verschlossen und versuchten sich einzureden, dass man nicht alles gleich so schlimm reden solle.

US-Präsident Donald Trump scheint in die Fußstapfen dieser Tradition zu treten. "Wenn wir nicht testen würden, hätten wir keine Fälle", sagte er über die dramatisch ansteigende Zahl von Coronavirusinfektionen in den USA in einem Ende Juni ausgestrahlten Interview mit dem Sender Fox News.

Aber auch hierzulande verschließt man nur all zu gern Augen und Ohren, wenn es darum geht systemische Probleme aufzudecken. So wie Bundesinnenminister Horst Seehofer, der keine Studie zu Racial Profiling bei Polizeikontrollen in Auftrag geben will [zeit.de], weil es dort keinen strukturellen Rassismus geben kann, da dieser verboten ist – Ganz im Sinne der trumpschen These "Wenn wir nicht testen würden, hätten wir auch keine Infektionen".

1. Was vom Tag bleibt

Apokalyptisch anmutende Zahlen werden auch in der diesjährigen Wachstumsprognose der EU-Staaten erwartet. Dass das Coronavirus die EU in die schwerste Wirtschaftskrise in über 70 Jahren stürzt, ist soweit bekannt. Nun hat die EU-Kommission ihre bereits ernüchternde Frühjahrsprognose von -7,4 Prozent für die 27 EU-Staaten auf -8,3 Prozent angepasst [handelsblatt.de]. Die Volkswirtschaften der 19 Euro-Staaten werden dieses Jahr voraussichtlich um 8,7 Prozent schrumpfen, erklärte die Kommission am Dienstag.

Am härtesten trifft die Krise den Süden der EU. Die Wirtschaften Spaniens, Frankreichs, Italiens und Kroatiens stürzen dieses Jahr um jeweils mehr als zehn Prozent ab. Aber auch Deutschland muss mit einem Minus von 6,3 Prozent rechnen. Abhilfe, da sind sich die meisten Experten einig, kann nur das Corona-Wiederaufbaupaket der EU schaffen, dass die Finanzierung der Volkswirtschaften am Laufen hält und wichtige Investitionen ermöglicht.

Auf diesem Feld ist Berlin der EU einen ganzen Schritt voraus. In den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) in Berlin will das Land bis 2035 insgesamt 19 Milliarden Euro investieren, wie Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) am Dienstag mitteilte. Besonders in neue Fahrzeuge und in die Infrastruktur soll viel Geld fließen: Während hier im vergangenen Jahrzehnt durchschnittlich knapp 300 Millionen Euro jährlich vorgesehen worden seien, würde diese Summe nun um mehr als das Zweieinhalbfache, nämlich auf durchschnittlich 800 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt.

2. Abschalten

Nach dem Ende einer Ära sieht es zurzeit auch bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus. Einem Bericht der Zeit zufolge, empfiehlt der Wissenschaftsrat, das wissenschaftspolitische Beratungsgremium für Bund und Länder, die Auflösung der Preußen-Stiftung. Zu ihr gehören unter anderem die Häuser auf der Museumsinsel (Pergamon-Museum, Altes und Neues Museum, Alte Nationalgalerie und Bode-Museum) sowie die Neue Nationalgalerie und das Museum Hamburger Bahnhof.

Für die Museen sind momentan Zeitfenstertickets [smb.museum] erforderlich. Aber zu dem Besuch kann ich Ihnen allemal raten. Erst am Freitag geisterte ich mutterseelenallein durch das Alte Museum und genoss die Ausstellungsstücke aus der Epoche der Griechen, Etrusker und Römer. Besonders bei der jetzigen Untergangsstimmung könnten sie uns das ein oder andere beibringen.

Altes Museum Berlin foto: AP/Markus Schreiber
Bild: AP/Markus Schreiber

3. Und, wie geht's?

Davon lässt sich unsere Leserin Ilona nicht runterkriegen. Sie schrieb uns heute:

Mich hat gerade folgendes erheitert: Nämlich, wenn offensichtlich der Hund der Herr im Hause ist.

Herrchen fragte gerade seinen Hund bei der Gassirunde: "Wo woll'n wa lang? Rechts oder links?" Und Herrchen folgt der Richtung, die sein Vierbeiner vorschlug.

Det nenn' ick mal Demokratie.

Nach dem Motto: man muss miteinander reden. Schönen Tag noch.

4. Ein weites Feld

Miteinander reden – Ja, das müssen wir. Auch darüber, wie wir aus unserer Geschichte lernen können, nicht immer dieselben Fehlschlüsse zu ziehen, denn unsere Vergangenheit ist gespickt von Fehlern und Misserfolgen. Diese zu ignorieren, kann temporär für Erleichterung sorgen – aber selbst ein Ende ohne Schrecken ist ein Ende. Letztendlich hängt es auch von uns ab, ob das Coronavirus oder in einem größeren Ausmaß der Klimawandel eine kleine Anomalie unserer Geschichte bleibt, oder ob eines Tages die ganze Menschheit das Schicksal anderer bereits erloschener Zivilisationen teilt.

Auf Ihr Wohl,

Efthymis Angeloudis

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Antwort auf [Kurt Meister] vom 07.07.2020 um 23:17
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