Bestätigter Fall in Berlin - Erster Coronavirus-Infizierter hatte Kontakt zu 60 Personen

Mo 02.03.20 | 14:42 Uhr
Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité, Dilek Kalayci (SPD), Senatorin für Gesundheit und Lukas Murajda, Amtsarzt bei der Pressekonferenz zum ersten Fall von Corona am 02.03.2020 in Berlin. (Quelle: rbb)
Video: Abendschau | 02.03.2020 | Kerstin Breinig/Iris Marx | Studiogespräch mit Ulrich Frei | Bild: rbb

Das Coronavirus ist in Berlin angekommen: Es gibt einen ersten bestätigten Fall. Ein 22-Jähriger, der im Bezirk Mitte wohnt, hat sich angesteckt. Bei wem, ist nicht bekannt. Mit dem Erkrankten standen 60 Menschen in Kontakt, die nun auch getestet werden.

Was Sie jetzt wissen müssen

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat am Montagmittag Details zum ersten bestätigten Fall des neuen Coronavirus in Berlin bekanntgegeben. Demnach handelt es sich bei dem Infizierten um einen 22-jährigen Mann aus dem Bezirk Mitte. Er ist im Virchow-Klinikum der Charité im Ortsteil Wedding stationär untergebracht und isoliert. Es gehe dem Mann den Umständen entsprechend gut, so Kalayci. Der Zustand des Patienten habe sich am Montagvormittag etwas verbessert.

Mann wurde zunächst aus dem Krankenhaus entlassen

Der Infizierte habe eine Reise geplant und sich am Samstag im Zentrum für Reise- und Tropenmedizin in Berlin-Mitte impfen lassen, hieß es. Nach der Impfung habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, berichtete der ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Senatorin Kalayci und Amtsarzt Lukas Murajda. Mitbewohner hätten die Feuerwehr gerufen, die den fiebrigen Patienten mit Anzeichen einer oberen Atemwegsinfektion sowie einer gestörten Wachheit am frühen Sonntagmorgen gegen 4 Uhr in die Rettungsstelle des Virchow-Klinikums transportiert habe, so Frei.

Ein erster Verdacht auf neurologische Probleme, etwa eine Hirnhautentzündung, habe sich nicht bestätigt, auch ein Influenza-Abstrich sei negativ gewesen, woraufhin der Patient am Sonntagmittag aus dem Krankenhaus entlassen und nach Hause transportiert worden sei. Am Sonntagabend gegen 21 Uhr habe dann - durch Zufall - ein Corona-Test, der in der Charité seit einer Woche parallel zum Influenza-Test durchgeführt werde, ein positives Ergebnis gebracht. Daraufhin sei der 22-Jährige erneut mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus eingeliefert worden.

Rettungsstelle zeitweise geschlossen

Acht Mitarbeiter der Rettungsstelle des Virchow-Klinikums hätten mit dem Mann im Krankenhaus Kontakt gehabt; sie fallen laut Frei zunächst für 14 Tage aus und werden auf das Coronavirus hin überprüft.

Der Rettungsdienst im Virchow-Klinikum wurde nach Bekanntwerden des Coronavirusfalls vorsorglich geschlossen, die Versorgung von Patienten sei dadurch aber nicht maßgeblich beeinträchtigt worden, so Kalayci.

Kontaktpersonen in häuslicher Quarantäne

Der zuständige Amtsarzt Murajda erklärte, dass insgesamt 60 Kontaktpersonen ermittelt worden seien, die mit dem Mann in letzter Zeit in Kontakt standen. Dazu zählen unter anderem Menschen, mit denen der 22-Jährige im Rettungsdienst, im Institut für Tropenmedizin, in seinem Freundeskreis und in seiner Familie in Kontakt getreten war.

Zu den Kontaktpersonen gehören auch die Eltern des Patienten. Sie hatten ihn am Wochenende zuvor in Berlin besucht, stammen aus Nordrhein-Westfalen - und sind bislang symptomfrei. Laut Frei führt bei der Ansteckung "eine leise Spur" Richtung Nordrhein-Westfalen; wo sich der Mann letztlich genau angesteckt habe, könne man nicht sagen, so der Charité-Direktor.

Testergebnisse sollen Dienstag vorliegen

Alle betroffenen Kontaktpersonen seien häuslich isoliert, hieß es. Erst wenn bei ihnen Tests auf das Coronavirus positiv verlaufen, sollen auch ihre Kontakte nachverfolgt werden. Bis Dienstag sollen die Testergebnisse der Kontaktpersonen vorliegen. Nicht alle von ihnen wohnen in Mitte.

Auf der Pressekonferenz hieß es, Beschäftigte von Kitas und Schulen seien nicht betroffen - später hieß es dann allerdings, dass die Berlin Metropolitan School im Bezirk Mitte den Unterricht wegen des Coronavirus' vorsorglich für zwei Tage ausgesetzt habe. Auf Nachfrage des rbb erklärte das Sekretariat: Eine Person aus dem Umfeld der Privatschule habe Kontakt zu dem an dem Virus erkrankten 22-Jährigen aus Mitte gehabt. Nun sollen die Testergebnisse zur Sicherheit abgewartet werden, so die Schule im Gespräch mit rbb 88.8.

Die Schule und den Kindergarten besuchen rund 1.000 Kinder, hinzu kommen 200 Mitarbeiter. Die Testergebnisse sollen am Dienstag vorliegen. Zuerst hatte die "Berliner Zeitung" berichtet.

Anlaufstelle im Virchow-Klinikum - RKI sieht "mäßiges" Ansteckungsrisiko

Charité-Direktor Frei kündigte auf der Pressekonferenz an, man habe am Standort Virchow-Klinikum inzwischen eine Anlaufstelle für die Tests und Abstriche auf das Coronavirus eingerichtet, damit "besorgte Bürger" nicht die Rettungsstellen aufsuchten. In einem Einzelgebäude, einem kleinen Häuschen mit einem Zelt mit Wartebereich, an der Mittelallee auf dem Gelände des Klinikums könne ab Dienstag ein Coronavirus-Anlaufzentrum aufgesucht werden.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat derweil am Montag die Bewertung des neuen Coronavirus für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland leicht heraufgesetzt. Die Risikoeinschätzung sei auf "mäßig" gestellt worden, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler in Berlin. Bisher wurde sie als "gering bis mäßig" eingestuft.

Wieler bekräftigte, die Lage sei weiterhin sehr dynamisch und müsse wirklich jeden Tag neu bewertet werden. Bis Montagfrüh registrierte das RKI bundesweit 150 nachgewiesene Fälle in zehn Bundesländern und 49 Landkreisen.

CDU und FDP kritisieren Kalayci

Die Opposition im Abgeordnetenhaus übte inzwischen Kritik am Krisenmanagement des Senats in Bezug auf den ersten Fall von Coronavirus. Senatorin Kalayci habe die Öffentlichkeit stundenlang im Dunkeln gehalten, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Tim-Christopher Zeelen: "Erst am Montagmittag wurde bekannt, dass der Betroffene bereits am Sonntag positiv getestet und zuvor sogar noch mal nach Hause geschickt worden war. Diese Panne und die verspätete Information sind völlig unangemessen angesichts der Gefährlichkeit dieser ansteckenden Krankheit." Er bezweifle stark, dass Berlin gut vorbereitet sei.

Auch der gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, 
Florian Kluckert, bezweifelt, dass Berlin gut aufgestellt ist: "Es macht leider den Anschein, dass der Berliner Senat keine einheitliche Gesundheitsstrategie hat, wie mit dem Coronavirus oder einer sich entwickelnden Epidemie in der Hauptstadt umzugehen ist. Es wird bis jetzt nur im Einzelfall entschieden."

FAQ zum Umgang mit dem Coronavirus

  • Ich fürchte, infiziert zu sein. Was tun?

  • Was passiert mit möglichen Infizierten?

  • Was passiert mit Kontaktpersonen?

  • Welche Kapazitäten haben die Kliniken?

  • Welche Reisebeschränkungen gibt es?

  • Wie viele bestätigte Fälle gibt es?

  • Ist das Virus meldepflichtig?

  • Was ist das Coronavirus?

  • Woher kommt das Virus?

  • Wie kann ich mich anstecken?

  • Wie ansteckend ist das Virus?

  • Wer ist besonders gefährdet?

  • Wie funktioniert der Test?

  • Was sind die Symptome?

  • Wie kann ich mich schützen?

  • Welche Behandlung gibt es für Infizierte?

  • Gibt es Immunität gegen das Virus?

  • Wie hoch ist die Sterberate?

Sendung: Abendschau, 03.03.2020, 19:30 Uhr

Kommentar

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Antwort auf [Just] vom 02.03.2020 um 16:21
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