Von Homeoffice bis Schutzmasken - Wie Firmen in Berlin und Brandenburg mit Corona ringen

Do 27.02.20 | 07:18 Uhr | Von Roberto Jurkschat
Der Eingang zum Dynamowerk der Siemens AG in der Nonnendammallee Berlin-Spandau. Quelle: dpa/Schoening
Bild: dpa/Schoening

Unternehmen bekommen die Ausbreitung des Coronavirus schon jetzt zu spüren. Trotz voller Auftragsbücher bleiben Waren an Häfen stecken und stapeln sich in Lagerhallen. Auch für Angestellte gibt es erste Schutzmaßnahmen.

Was Sie jetzt wissen müssen

Homeoffice, Atemmasken, Reiseverbot - viele Unternehmen in Berlin und Brandenburg bereiten sich auf eine Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in Europa vor. Dazu gehören verstärkte Hygienemaßnahmen im Büro, Videokonferenzen statt persönlicher Treffen aber auch Anweisungen, was Mitarbeiter tun sollen, wenn es wegen der Verbreitungen des Virus etwa zu Einschränkungen der Mobilität kommt. 

Telefonkonferenz statt Dienstreise

Der Industrie- und Technologiekonzern Siemens weitete seine Empfehlungen für Dienstreisen Anfang der Woche aus. Zunächst sollten Mitarbeiter Dienstreisen nach China (inklusive Hongkong, Taiwan, Macau) vermeiden, verschieben oder durch Telefonkonferenzen zu ersetzen - nun gilt dies auch für Japan, Südkorea und Italien, wie eine Sprecherin am Mittwoch sagte. Den Mitarbeitern in den betreffenden Ländern werde empfohlen, soweit möglich im Home Office zu arbeiten.

In China sind demnach alle Siemens-Fabriken noch in Betrieb, bis auf eine in Wuhan. Siemens-Sprecher Christian Datzer erklärte rbb|24 am Mittwoch auf Nachfrage, dass eine Task-Force die Situation beobachte und mit Behörden kooperiere, um die nötigen Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter abzuleiten. "Zum aktuellen Zeitpunkt können wir noch keine Aussage zu möglichen Auswirkungen auf unser Geschäft treffen", so Datzer. "Wir haben mittlerweile ein Team im Einkauf zusammengestellt, um sicherzustellen, dass wir Komponenten und Teile fristgerecht bekommen." Der Konzern verfüge auch über Krisenreaktionspläne. Allerdings werde der Konzern darüber keine näheren Auskünfte erteilen, so Datzer: "Wir wollen keine unnötigen Spekulationen schüren."

BASF in Schwarzheide könnte Pandemieplan anwenden

Der Chemiekonzern BASF hat bereits seit mehreren Jahren einen auf das Unternehmen zugeschnittenen Pandemieplan, der medizinische, hygienische sowie organisatorische Maßnahmen umfasst. Ziel sei es, die Beeinträchtigung des operativen Geschäfts durch Krankheitsfolgen, wie etwa die Grippe, möglichst gering zu halten, teilte ein Unternehmenssprecher am Mittwoch mit. Der Pandemieplan, der auch für die BASF-Niederlassung im brandenburgischen Schwarzheide (Oberspreewald-Lausitz) gilt, könnte durch eine weitere Verbreitung des Coronavirus angewendet werden, hieß es. Szenarien zur Versorgung größerer Zahlen von Infizierten seien in der Vergangenheit bereits praktisch geübt worden.

Alle großen Produktionsstandorte von BASF in Greater China hätten seit dem 17. Februar die Arbeit wieder aufgenommen, so der Sprecher. Es gebe kein generelles Reiseverbot, Dienstreisen nach Wuhan seien allerdings eingestellt worden. Reisen nach China gelte es sorgfältig abzuwägen, so der Konzern.

Onlinehändler beklagen Lieferengpässe

Gleichzeitig wirkt sich die Ausbreitung des Virus auf die Wirtschaft in der Region aus, bestimmte Produkte aus China können laut der Industrie- und Handelskammer (IHK) Brandenburg Süd wegen geschlossener Fabriken in Wuhan derzeit nicht geliefert werden. Andererseits seien die Containerschifffahrt und die Luftfracht eingeschränkt, was vor allem den Händlern zu schaffen mache, die Schuhe und Kleidung aus dem Reich der Mitte und aus dem Risikogebiet in Norditalien beziehen. "Einige Lieferketten funktionieren nicht mehr lückenlos", sagte Silke Schwabe, Sprecherin der IHK Brandenburg-Süd rbb|24 auf Nachfrage.

In einer Umfrage habe ihr IHK-Bezirk 75 Unternehmen zwischen den Landkreisen Dahme-Spree und Elbe-Elster nach den Auswirkungen des Virus auf das Geschäft befragt. 30 Prozent der Unternehmen haben laut Umfrage ein Problem beim Export gemeldet – 13 Prozent erwarten sogar Umsatzeinbußen. Auch das habe etwas mit den ausfallenden Flügen und Schifffahrten und mit blockierten Exportwegen zu tun, sagt Schwabe.

"Wir gehen davon aus, dass sich die Situation für manche Unternehmen seit dem Beginn der Umfrage am 12. Februar verschärft hat", sagte Schwabe rbb|24. Eine Lieferung per Containerschiff brauche etwa vier Wochen von China nach Deutschland. "Deshalb ist davon auszugehen, dass der Höhepunkt der Lieferengpässe noch nicht erreicht ist", so Schwabe. Dabei gehe es vor allem um bestimmte Schuhe, um Kleidung, Spielzeug und elektronische Geräte, die in den kommenden Wochen in den Geschäften knapp werden könnten.

Jedes zweite Unternehmen in Berlin rechnet mit Auswirkungen

Noch härter trifft es offenbar die Wirtschaft in Berlin, wie das Ergebnis einer Umfrage der Berliner IHK zeigt, an der 364 Unternehmen teilgenommen haben: Demzufolge berichten 39 Prozent Betriebe bereits von Auswirkungen des Coronavirus-Ausbruchs auf ihre Geschäfte, während fast jeder zweite Betrieb mit Auswirkungen in den kommenden Wochen rechnet.

In Berlin gebe es Anzeichen, dass Lieferketten nicht mehr reibungslos funktionieren, Geschäfts- und Messereisen abgesagt werden müssen, sagte IHK-Sprecherin Claudia Engfeld rbb|24 am Mittwoch. "China hat sich in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Außenhandelspartner Berlins entwickelt, daher überrascht es nicht, dass fast jedes zweite Berliner Industrie- und Großhandelsunternehmen in unserer Umfrage mit geschäftlichen Auswirkungen der Epidemie in den kommenden Wochen rechnet."

China ist Berlins wichtigster Wirtschaftspartner

Von den Einschränkungen im Geschäft mit China seien vor allem Maschinenbauer betroffen, die Lieferungen in das Reich der Mitte auf Eis legen mussten, weil Flieger gestrichen wurden und einige Containerschiffe im Moment nicht nach China fahren. Betroffen sind der Umfrage zufolge auch Hersteller von Elektrogeräten oder die Pharmabranche der Hauptstadt, die Waren nach China verkaufen. Allein in den Monaten zwischen Januar und November 2019 sind laut IHK Waren im Wert von mehr als 900 Millionen Euro von Berlin nach China gegangen. 

Der Umfang der Importe von China nach Berlin lag demzufolge in diesem Zeitraum sogar bei rund zwei Milliarden Euro. Viele Berliner Unternehmen kaufen aus China elektronische Ausrüstungen, Onlinehändler bestellten Kleidung und Schuhe.

Zalando liefert nicht mehr nach Norditalien

Der Berliner Onlinehändler Zalando etwa erklärte gegenüber rbb|24, mit den "Marktpartnern in Kontakt zu stehen" und alle Entwicklungen genau zu beobachten. Angaben über mögliche wirtschaftliche Einbußen wollte das Unternehmen nicht machen. "Wir achten selbstverständlich die Sperrzonen in Norditalien, sodass unsere Kunden in diesen betroffenen Regionen zur Zeit leider nicht beliefert werden können", teilte Unternehmenssprecherin Catherine Westphal rbb|24 auf Anfrage schriftlich mit.

"Aufgrund unseres dichten Logistiknetzwerks sind unsere verbleibenden Kunden zum aktuellen Zeitpunkt nicht von Lieferverzögerungen betroffen. Die Mitarbeiter an allen Standorten, aber insbesondere in Stradella bei Mailand und Nogarole Rocca bei Verona, weisen wir auf eine strenge Einhaltung der Hygienerichtlinien hin."

BVG-Kontrolleure bislang ohne besondere Vorgaben

In anderen Sparten ist die Hygiene nicht erst seit Corona ein großes Thema. So sagte Petra Nelken, Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), rbb|24 auf Nachfrage, dass die Kontrolleure in den Bussen und U-Bahnen der Hauptstadt bislang keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden. Für die Mitarbeiter der BVG sei die Situation nicht unbedingt neu, durch den Kontakt mit Menschen würden Kontrolleure ohnehin immer mit möglichen Krankheitserregern in Berührung kommen. "Deshalb empfehlen wir unseren Mitarbeitern schon lange, sich regelmäßig die Hände zu waschen und bieten allen an, sich gegen Grippe kostenlos impfen zu lassen", so Nelken. Eine besondere Sorge in der Belegschaft sei nicht zu beobachten.

FAQ zum Umgang mit dem Coronavirus

  • Ich fürchte, infiziert zu sein. Was tun?

  • Was passiert mit möglichen Infizierten?

  • Was passiert mit Kontaktpersonen?

  • Welche Kapazitäten haben die Kliniken?

  • Welche Reisebeschränkungen gibt es?

  • Wie viele bestätigte Fälle gibt es?

  • Ist das Virus meldepflichtig?

  • Was ist das Coronavirus?

  • Woher kommt das Virus?

  • Wie kann ich mich anstecken?

  • Wie ansteckend ist das Virus?

  • Wer ist besonders gefährdet?

  • Wie funktioniert der Test?

  • Was sind die Symptome?

  • Wie kann ich mich schützen?

  • Welche Behandlung gibt es für Infizierte?

  • Gibt es Immunität gegen das Virus?

  • Wie hoch ist die Sterberate?

Sendung: rbb Praxis, 26.02.2020, 20.15 Uhr

Beitrag von Roberto Jurkschat

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