Interview | Corona-Alltag von Berliner Kinderarzt - "Die Praxen zu schließen, wäre fatal"

Fr 27.03.20 | 06:25 Uhr
Symbolbild: Ein Kinderarzt untersucht einen jungen Patienten (Quelle: dpa/Keystone)
Audio: Inforadio | 26.03.2020 | Interview mit Jacob Maske | Bild: dpa/Keystone

Die Corona-Pandemie krempelt auch den Alltag in den Arztpraxen um. Der Berliner Kinderarzt Jacob Maske hat mittlerweile seine Sprechzeiten geändert. Sorgen bereiten ihm vor allem, dass die Schutzmaterialien immer knapper werden.

Was Sie jetzt wissen müssen

rbb: Herr Maske, wie hat Corona ihren Praxisalltag bisher verändert?

Jacob Maske: Wir haben unsere Sprechzeiten komplett umgestellt. Das heißt, wir trennen die kranken von den gesunden Kindern, damit sich keiner in der Praxis ansteckt.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie und Ihr Personal nicht angesteckt werden?

Wir versuchen, die wenigen Schutzmaterialien, die uns noch bleiben, zu benutzen und möglichst hygienisch zu arbeiten. Aber das ist natürlich ein großes Problem, weil Schutzmaterialien eigentlich nicht mehr zur Verfügung stehen.

Als Sprecher der Kinder- und Jugendärzte haben Sie bereits beim Senat Alarm geschlagen, dass Desinfektionsmittel oder Mundschutz knapp werden. Welche Resonanz hat Ihr Hilferuf bisher gehabt?

Die Senatsgesundheitsverwaltung hat sich bei uns leider noch nicht gemeldet. Wir haben auf verschiedenen Wegen versucht, Kontakt aufzunehmen. Das hat leider bisher überhaupt nicht geklappt. Wir sehen unsere Kassenärztliche Vereinigung, die die Vertretung der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte ist, schon sehr viel arbeiten an der Materie, eben auch Materialien zu beschaffen. Aber vom Gesundheitssenat ist da im Moment überhaupt gar keine Reaktion erfolgt.

Was geschieht, wenn Ihnen die Schutzausrüstung komplett ausgeht? Können Sie Ihre Praxis noch offenhalten?

Wenn zum Beispiel das Desinfektionsmittel oder der Mundschutz ausgehen, weil es deutlich mehr Erkrankte gibt, muss man im Zweifelsfall, um Personal und auch die gesunden Kinder zu schützen, die Praxis komplett schließen. Das wäre fatal.

Was hören Sie von anderen Kinderärzten in der Stadt? Wie gesichert ist deren Versorgung?

Im Moment ist die Versorgung noch gesichert. Die Kinder- und Jugendärzte sind motiviert, das auch so zu lassen. Keiner hat vor seine Praxis zu schließen. Wenn die Versorgung aber kippt, müssen auch die Kollegen die Praxen schließen. Die Situation herrscht nicht nur in unserer Praxis, sondern eigentlich in allen Praxen.

Wie untersuchen Sie ein Kind, das möglicherweise an Covid-19 erkrankt ist? Ein Mindestabstand ist bei der Untersuchung eigentlich gar nicht möglich?

Nein, das geht natürlich nicht. Wir versuchen bei jedem Kind, das krank ist, hygienisch zu arbeiten. Im Moment natürlich mit Mundschutz, ansonsten aber auch mit dem gesicherten Abstand. Wir desinfizieren die Hände vor und nach der Kontaktaufnahme, sowie die Geräte. Das klappt derzeit noch alles gut. Aber irgendwann ist es vorbei, wenn die Menge der mit Covid-19 infizierten Menschen, die es nicht wissen und in unsere Praxis kommen, größer wird. Insofern wird die Ansteckungsgefahr immer größer.

Wenn Sie bei einem jungen Patienten einen Corona-Verdacht haben, führen Sie den Test selbst durch?

Da wir keine entsprechende Schutzausrüstung haben, dürfen wir das nicht. Wir schicken die Kinder an die Abstrichstellen oder zu die jeweiligen Außenstellen des Gesundheitsamtes.

Im Moment ist unser Alltag angespannter als sonst. Woran macht sich das in Ihrem Wartezimmer bemerkbar?

Wir haben den positiven Effekt, dass die Eltern mit ihren nicht so stark erkrankten Kindern zuhause bleiben und anrufen. Viele Eltern brauchen sehr viel Beratung, weil die Ängste sehr groß sind. Aus unserer kinder- und jugendärztlichen Sicht können wir nur sagen, dass sich die Eltern nicht so viel Sorgen um ihre Kinder machen müssen. Kinder entwickeln in der Regel keine schweren oder sehr schweren Krankheitssymptome. Das sind absolute Raritäten. Da befinden wir uns in einer sehr freudigen Situation. Wir sehen eigentlich kaum an Covid-19 erkrankte Kinder. Aber sie sind natürlich trotzdem infiziert und können andere anstecken, wie die Omas und Opas, aber auch die Eltern. Hier besteht ein sehr hoher Beratungsbedarf bei den Eltern und den müssen wir decken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Jacob Maske führte Alexander Schmidt-Hirschfelder, Inforadio.

Bei dem Text handelt es sich um eine redigierte Fassung. Das Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Inforadio, 26.03.2020, 08:25 Uhr

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