Interview | Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein - "Wir lernen gerade eine Menge"

Mo 30.03.20 | 13:43 Uhr
Dompropst Tobias Przytarski (M) steht am 21.03.2020 bei der Probe für einen Gottesdienst, der wegen des Coronavirus ohne Besucher Live gestreamt wird, vor dem Altar (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Bild: dpa/Christophe Gateau

Gottesdienste abgesagt, gepredigt wird nur noch im Fernsehen, Radio und Internet. Doch auch bei der Seelsorge führen die Kontaktsperren zu einer beschleunigten Digitalisierung. Ein Gespräch mit der Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein.

Was Sie jetzt wissen müssen

rbb: Frau Trautwein, Gottesdienste und andere Massenveranstaltungen sind für die nächste Zeit abgesagt. Wie bereitet sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) darauf vor, dass die Gläubigen nun vor allem per Fernsehen und Internet erreicht werden müssen?

Ulrike Trautwein: Wir drehen kleine Videos, es werden Gottesdienste gestreamt, ich mache viel bei Instagram und Twitter. Das ist jetzt unser Alltag. Und natürlich telefonieren wir alle viel - besonders die Pfarrerinnen und Pfarrer in den Gemeinden, wo ältere Menschen nicht so digital unterwegs sind. Wir arbeiten auf allen Ebenen.

Sorgt das für einen Digitalisierungsschub bei der EKBO, der auch anhalten wird, wenn die Coronakrise vorerst überwunden ist?

Selbstverständlich. Wir lernen gerade eine Menge, das wir später weiter benützen werden. Vor allem Videokonferenzen erlebe ich als gutes neues Mittel. Wir sind eine Landeskirche mit großen Entfernungen. Es ist einfach toll, wenn nicht mehr so viel mit dem Auto herumgefahren werden muss.

Wie kommen der ökumenische Gottesdienst und die verstärkten Aktivitäten im Netz bei der evangelischen Gemeinde in Berlin und Brandenburg an?

Der Fernsehgottesdienst hat eine sehr positive Resonanz gehabt. Sonst hätten wir mehr Kritik bekommen an dem gemeinsamen Gottesdienst. Es gibt ja leider doch sehr viele Menschen, die islamophob sind und sich schnell empören. Aber das hatten wir ganz wenig, denn es wurde wahrgenommen, dass wir uns alle zusammen als Kinder Gottes begreifen und zusammenstehen.

Aber auch im Netz sind erstaunlich viele Ältere unterwegs und die verwehren sich immer dagegen, wenn wir sie extra dafür belobigen. Sie sagen oft: "Für wen haltet ihr uns? Wir sind da auch fit."

Wo sehen Sie in der jetzigen Krise die wichtigste Aufgabe für die EKBO?

Wir verstehen uns als Fürsprecher für Menschen in Schieflagen, besonders für Obdachlose. Es ist wichtig, dass sie jetzt angemessene Unterkünfte und Quarantäneräume finden. Das zweite große Anliegen sind die Familien, die unter stressigen Bedingungen diese Situation wuppen müssen. Wir haben deshalb ein Corona-Seelsorgetelefon [www.notfallseelsorge-berlin.de/corona-seelsorge] eingerichtet, weil gerade Menschen mit Angststörungen und die, die sich einsam fühlen, ein offenes Ohr finden müssen.

Was sind aktuell die größten Sorgen der Gemeindemitglieder?

Es gibt eine große Angst um die Alten: Wie können sie versorgt werden? Wann kann ich sie wieder sehen? Wie können Beerdigungen organisiert werden? Gleichzeitig freue ich mich, dass gerade die alten Leuten unheimlich tapfer sind. Da merkt man, dass sie durch den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit eine Lebenserfahrung mitbringen, die sie für diese Krise ganz anders stärkt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sendung: rbbKultur, 27.03.2020, 19:04 Uhr

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Antwort auf [H. Haas] vom 30.03.2020 um 15:49
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