Kommentar | Corona-Krise - Berliner und Brandenburger sitzen in einem Boot

Mo 30.03.20 | 13:10 Uhr | Von Cornelia Koch
Zwei Männer stehen am 11.12.2013 in einem Ruderboot auf dem Groß Schauener See in Groß Schauen bei Storkow. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Bild: dpa/Patrick Pleul

Distanz ist wichtig in Zeiten von Corona. Abschottung hingegen ein Fehler. Sonst riskieren wir eine langfristige Schädigung unserer Gesellschaft. Ein Plädoyer für weniger Panik - und für mehr Verständnis der Berliner für die Brandenburger und umgekehrt. Von Cornelia Koch

Was Sie jetzt wissen müssen

Das Wochenende ist vorbei und die Berliner haben sich einsichtig gezeigt und das Kontaktverbot weitgehend eingehalten. Und in Brandenburg haben sich die Landräte nicht vom aufrührerischen Ostprignitz-Ruppin anstecken lassen. Kein anderer Landkreis hat nachgezogen und ein Einreiseverbot für Frischluftsuchende aus Berlin und dem Speckgürtel verhängt. Soweit es möglich ist bei zwei Metern Abstand zueinander, gibt es also offenbar noch Menschen, die in dem ganzen Durcheinander Mitmenschlichkeit und einen kühlen Kopf bewahren. Und das ist wirklich gut so.

Wir tun so, als wären wir morgen alle tot

Denn was nützt es, wenn sich jetzt Brandenburger gegen Berliner verbarrikadieren und umgekehrt? Oder wenn auch noch die Landkreise anfangen, sich gegenseitig mit Abschottungsmaßnahmen zu überbieten? Das schürt nur Misstrauen und weiter Panik. Dann kommen wir gar nicht mehr raus aus dem kollektiven "Schockrisiko", das uns die Ökonomin Margit Osterloh attestiert.

Auf uns alle stürmen gerade Unmengen negativer Ereignisse ein, so viele Zahlen von Infizierten, Bilder von Toten, dass wir all diese schrecklichen Eindrücke nicht mehr verarbeiten können und als Ergebnis, das tatsächliche Risiko möglicherweise falsch bewerten. Kurz gesagt: Wir drehen durch und tun so, als wären wir morgen alle tot.

Im Ergebnis richtet die panische Reaktion auf das Ereignis möglicherweise mehr Schaden an als das Ereignis an sich. Wenn wir also anfangen, aus Angst die Mauer wieder hochzuziehen, und sei es auch nur in den Köpfen, können wir damit in unserer Gesellschaft und unserem Leben so viel Schaden anrichten, wie es das Virus hier bei uns vielleicht nie schaffen wird.

Panik hilft uns nicht weiter

Niemanden können die Bilder aus Italien, Spanien und Frankreich kalt lassen. Aber sie dürfen uns nicht unseren gesunden Menschenverstand vernebeln. Panik hilft uns nicht weiter. Gerade wir Deutschen können froh sein, dass unser Gesundheitssystem trotz aller Sparmaßnahmen offenbar doch ziemlich gut funktioniert bisher. Und dass wir so viele engagierte Menschen haben, die es am Laufen halten.

Wenn irgendetwas in diesen Zeiten ein Hoffnungsschimmer für das zerbröselnde Europa ist, dann doch wohl die Tatsache, dass polnische Ärzte hier bei uns in Brandenburg bleiben, um deutsche Patienten zu versorgen, statt – was auch zu verstehen wäre – aus Sorge um die eigenen Familien nach Polen zurückzukehren. Und dass Berliner und Brandenburger Kliniken Patienten aus Italien und Frankreich aufnehmen, die sonst vermutlich sterben würden.

Verständnis für Großstädter,

Tatsächlich wird Mitmenschlichkeit in diesen Tagen auch in unserer Region groß geschrieben. Es melden sich freiwillige Erntehelfer, Einkaufswillige für Ältere, es gibt Spendenaufrufe für Berliner Clubs, Kulturschaffende und Cafébetreiber. Ein Hoffnungsschimmer, dass wir bei allem social distancing die anderen nicht ganz aus den Augen verlieren.

Für uns Brandenburger heißt das auch: Verständnis haben für die Großstädter, die keinen Garten haben und mal raus müssen aus ihrer Enge. Fotos von Berliner Autokennzeichen ins Netz zu stellen und über deren Besuch zu wettern, ist für ein künftiges Miteinander eher kontraproduktiv. Abgesehen davon, dass eine Tröpfcheninfektion beim Vorbeilaufen am Gartenzaun höchst unwahrscheinlich ist.

Andererseits, liebe Berliner, vielleicht kauft ihr vor Eurem Spaziergang auf dem Land zu Hause in Berlin ein - und nicht die Brandenburger Läden leer. Sucht euch einsame Wanderwege, was in den Weiten Brandenburgs nicht schwierig sein dürfte. Und Grillpartys im Garten kommen nicht so gut an in diesen Zeiten.

Aber es kommen ja auch wieder bessere. Dann freuen wir uns wieder, wenn die Berliner die Pensionen, Reiterhöfe und Campingplätze auf dem Land mit Leben erfüllen und die Brandenburger wieder in der Hauptstadt shoppen und ausgehen. Bis dahin sollten wir weiter versuchen, gut miteinander auszukommen. Letztlich sitzen wir alle in einem Boot.

Beitrag von Cornelia Koch

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Antwort auf [Thomas] vom 30.03.2020 um 13:54
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