Nachbarschaftshilfe in Berlin - Wie soziale Medien in der Corona-Krise wirklich sozial werden

Mo 16.03.20 | 12:07 Uhr | Von Anke Fink
Archivbild: Eine Seniorin hält am 04.12.2019 ihr Smartphone in den Händen. (Quelle: v)
Bild: dpa/Jens Kalaene

Die Schwächsten haben unter dem Corona-bedingten Stillstand am meisten zu leiden. Kranke und Ältere sind in ihren Kontakten am stärksten eingeschränkt. Genau jetzt zeigen sich die Jungen von ihrer sozialsten Seite und bieten Hilfe an. Von Anke Fink

Berlin schweigt und ist wie verwandelt. Eigentlich lebt diese Stadt von dem, was jetzt nicht mehr erlaubt ist: von den Sozialkontakten. Sie sollen vermieden werden, um die besonders gefährdeten Menschen vor dem Coronavirus zu schützen: die Älteren und die Kranken.

Doch diese notwendige Distanz ist für viele Menschen bitter. Die Alten dürfen nicht mehr zu Hause und in den Pflegeheimen besucht werden, wo doch die Familie oft der einzige Sozialkontakt ist. Und so fühlt sich die Einsamkeit womöglich schlimmer an als einem die Gefahr eines potenziell todbringendes Virus erscheint.

In Krisenzeiten zeigt sich eine Gesellschaft von ihrer ehrlichsten Seite, heißt es oft. Der erzwungene Stillstand hat in Berlin ziemlich schnell, ziemlich viel Menschliches zum Vorschein gebracht. Gerade die Jungen zeigen sich solidarisch, bieten Hilfe an.

"Für irgendwas muss diese doofe Krise doch gut sein"

Da hängt etwa Stephie einen Zettel an die U-Bahn-Station "Samariterstraße" und bietet den älteren Nachbarinnen Einkaufsdienste im Supermarkt oder in die Apotheke an. Auch für Ständchen vor dem Balkon wäre sie zu haben. Ihre zwei Kinder, die nun Corona bedingt fünf Wochen nicht zur Schule dürften, würden mitträllern: "Für irgendwas muss diese doofe Krise doch gut sein", schließt sie ihren Aufruf ab.

Plattformen zum Austausch

In der Facebook-Gruppe "Wedding Solidarisch - Gemeinsam gegen Corona" sollen die Hilfsaktionen für die besonders gefährdeten Nachbarinnen und Nachbarn koordiniert werden. "Statt Vereinzelung und Hamsterkäufen suchen wir nach solidarischen Perspektiven und wollen die unterstützen, die von der Gefahr durch das Virus am härtesten getroffen werden", heißt es da. Knapp 500 Mitglieder hat die Gruppe, die sich um alle kümmern will, "unabhängig von Geschlecht oder Herkunft".

Auch in Kreuzberg hat sich eine Plattform zum Austausch über Hilfsangebote gegründet. Der Twitter Account @hilftbei bündelt wichtige Infos, Ansprechpartner und Telefonnummern für Hilfsbedürftige. In ihrem Aufruf heißt es, man wolle denjenigen helfen, die unter Quarantäne stünden und auf Hilfe angewiesen seien: Ältere, mittellose Meschen, Alleinerziehende, Hartz-IV-Empfänger, Expats und Behinderte. "Deshalb lasst uns gemeinsam Nachbarschaftsdienste organisieren, damit für das Nötigste gesorgt ist", schreiben sie weiter.

In vielen Hausfluren bieten die jüngeren Nachbarn Hilfe an, etwa Franziska im Wrangelkiez.

Hilfe auf allen Kanälen: Vordrucke, Zettel, Websites

Der Jugendsender Fritz vom rbb hat gleich mal einen Vordruck über seine sozialen Kanäle verbreitet, den sich die hilfsbereite Hörerschaft nur noch ausdrucken, ausfüllen und in den eigenen Hausflur kleben muss. Ihr Aufruf: "We‘re all in this together! Helft Euch gegenseitig, achtet aufeinander, supportet Eure Nachbarn und bietet der Corona-Risikogruppe (Menschen mit Vorerkrankungen, geschwächtem Immunsystem oder aus der Altersgruppe 65+) Hilfe an."

Die Autorin und Moderatorin Ronja von Rönne hat es laut ihrem Instagram-Account ebenfalls getan. Weil sie einen solchen Zettel im Haus gesehen und sich inspiriert gefühlt hat.

Der 15-jährige Berliner Noah Adler setzte an diesem Wochenende sogar eine Website auf, über die Hilfsbedürftige in Berlin in der jetzigen Situation Helfende finden - für Einkauf oder Kinderbetreuung. Auf seiner Seite können sich Helferinnen und Helfer anmelden und aufschreiben, wie man sie kontaktieren kann.

Es braucht das aktive Hinschauen aller

Jede Form von Hilfe sei gut, erklärte Gabriele Schlimper vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin im Deutschlandfunk. Ein Angebot in den Briefkasten werfen oder per Aushang im Treppenhaus Hilfe anbieten: Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme gebe es viele. Es brauche das aktive Hinschauen aller, denn auch die professionellen ambulanten Pflegedienste seien sehr gefordert.

"Soziale Distanzierung" heißt gerade eine der wichtigsten Handlungsanweisungen, um die Infektionsquote nicht exponenziell ansteigen zu lassen. Die sozialen Medien zeigen sich ausnahmsweise mal so, wie es ihr Name eigentlich verspricht. Sie sorgen dafür, dass diejenigen, die vom Virus besonders gefährdet sind, Hilfe bekommen.

Jung hilft Alt, Gesunde sorgen sich um Kranke – der alte Begriff Solidarität wird mit neuem Inhalt gefüllt. Vielleicht ist diese Krise genau dafür gut.

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  • Gibt es Immunität gegen das Virus?

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Beitrag von Anke Fink

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Antwort auf [Xxxxxxx] vom 13.04.2020 um 06:20
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