Interview | Prostitution und Corona - "Es ist gut, dass keine Unterschiede gemacht werden"

Di 31.03.20 | 06:23 Uhr
Symbolbild: Eine Prostituierte wartet auf ihrem Zimmer in einem Bordell auf Kundschaft. (Quelle: dpa/Andreas Arnold)
Audio: Radioeins | 30.03.2020 | Interview mit Johanna Weber | Bild: dpa/Andreas Arnold

Nach der Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus müssen auch Bordelle geschlossen bleiben. Deshalb beantragen seit Freitag auch Sexarbeiter Soforthilfen beim Berliner Senat. Für manche reicht das nicht, meint Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen.

Was Sie jetzt wissen müssen

rbb: Frau Weber, dürfen Sexarbeiterinnen und -arbeiter derzeit eigentlich arbeiten oder gar nicht?

Johanna Weber: Das ist nicht hundertprozentig geklärt, denn offiziell ist nur der Kundenverkehr in Prostitutionsstätten und ähnlichen Betrieben verboten.

Also in Bordellen?

Genau. Aber damit war wohl eigentlich die Prostitution, oder sagen wir lieber die Sexarbeit, komplett gemeint. Berlin hat das jetzt auch richtig gestellt, und es ist tatsächlich untersagt.

Halten sich die Sexarbeiterinnen daran?

Zum großen Teil ja. Die meisten sind sehr vernünftig und sehen das auch ein. Andere sagen aber auch, wenn sie sonst in einem Bordell arbeiten, suchen sie jetzt nicht im Internet nach Kunden. Es gibt natürlich viele, die müssen weiter arbeiten, weil sie kaum Rücklagen haben. Diese waren nicht zu blöd, Rücklagen zu bilden, sondern sie haben zu wenig verdient. Für diese Gruppe braucht es auch noch weitere Notfallhilfen - für diese greifen die Soforthilfen nicht

Es gibt auch viele Prostituierte, zum Beispiel aus Osteuropa, die in Bordellen gewohnt haben. Was ist mit denen, wenn die Prostitutionsstätten nun geschlossen sind?

Da gibt es tatsächlich eine erfreuliche Entwicklung: Das Bundesfamilienministerium hat den Abschnitt im Prostituierten-Schutzgesetz außer Kraft gesetzt, der besagt, dass das Übernachten in Prostitutionsstätten verboten ist. Das heißt, dass die Frauen oder auch Männer in Zeiten dieser Krise dort auch wohnen können.

Nehmen auch Sexarbeiter die Soforthilfe für Solo-Selbständige und Kleinunternehmer wahr?

Wir werden genauso behandelt wie andere Solo-Selbständige auch. Ich finde es gut, dass keine Unterschiede gemacht werden und dass das als eine ganz normale Tätigkeit gesehen wird. Viele Frauen machen ganz normal ihre Steuererklärung, wie andere Leute auch. Und sie können jetzt genau wie alle anderen Solo-Selbstständigen auch Geld vom Berliner Senat beantragen. Mal schauen, ob das klappt.

Was ist mit denen, die nicht steuerlich gemeldet sind, die keine Rücklagen haben, die vielleicht sogar keine Krankenversicherung haben. Wer wer hilft denen derzeit?

Das ist eine schwierige Frage. Der Senat hat angekündigt, dass es einen Topf geben soll. Ich sehe den im Moment noch nicht, denn es wäre sehr wichtig, dass in diesen Fällen was passiert. Dabei handelt es sich nicht um Tausende Frauen oder auch Männer, die unterstützt werden müssen, sondern das ist eine überschaubare Anzahl. Und es wäre möglich, tatsächlich etwas zutun.

Wenn sie abgesichert wären, würden sie auch nicht weiter arbeiten müssen. Sie wüssten, dass sie für diese Zeit genug zu essen und ein Dach über dem Kopf haben. Sie müssten auch nicht auf den Straßenstrich gehen oder übers Internet nach Kunden suchen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Johanna Weber führte Frauke Oppenberg, Radioeins. Das Text ist eine redigierte Fassung. Sie können das Interview oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Radioeins, 30.03.2020, 11:10 Uhr

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Antwort auf [Sebastian T.] vom 31.03.2020 um 11:54
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