Interview | Arabische Commuity und Corona - "Sie sind daran gewöhnt, immer in Gruppen zu laufen"

So 05.04.20 | 11:24 Uhr
Haroun Sweis (هارون الصويص) (Quelle: COSMO)
Audio: Inforadio | 05.04.2020 | Kollegengespräch mit Haroun Sweis | Bild: COSMO

Die Corona-Krise beeinflusst auch das Leben der arabischen Community in Berlin. Der rbb-Journalist Haroun Sweis beobachtet, dass manche noch Probleme mit der Abstandsregel haben. Aber auch Falschinformationen machen ihm Sorgen.

Was Sie jetzt wissen müssen

rbb: Haroun Sweis, wie ist seit dem Shutdown wegen des Coronavirus die Stimmung in den arabischen Communities?

Haroun Sweis: Am Anfang haben sehr viele Leute die Situation nicht so ernst genommen und haben sich normal bewegt. Doch seitdem die Ausgangsverbote und Abstandsregeln gelten, hat sich die Stimmung geändert. Viele halten sich daran, aber leider auch nicht ganz korrekt.

Es herrscht der Eindruck, dass in Stadtteilen in Berlin, wo viele Türken und Araber wohnen, die gesetzlichen Mindestabstandsregeln nicht eingehalten werden. Ist da irgendetwas dran, und wenn ja, woran liegt das?

Vor zwei Wochen war ich in Neukölln unterwegs. Viele Leute waren in Gruppen unterwegs oder mit Kindern einkaufen. Auch in diesen Tagen sind viele mit ihren Kindern unterwegs, gehen einkaufen, stehen in Gruppen an der Ampel und halten keinen Abstand. Aber auf jeden Fall sind weniger Menschen als vorher unterwegs. Sie diskutieren auch mehr über das Thema.

Hat das auch damit etwas zu tun, dass in vielen arabischen Familien mehr Personen in einem Haushalt leben? Und es ist ja auch erlaubt, dass sich mehrere Personen, die in einer Wohnung leben, sich auch frei bewegen können.

Das hat auch mit der Kultur zu tun, besonders für die Neuen in Deutschland. Sie sind daran gewöhnt, immer in Gruppen zu laufen. Am Anfang haben sie gedacht, das sind meine Freunde, die können mich nicht anstecken. Ich bin sowieso den ganzen Tag mit ihnen zusammen. Aber bis die Informationen angekommen sind, dass man sich auch bei fremden Personen anstecken kann und dass man Abstand halten muss, hat es ein bisschen gedauert. Ich hoffe, das bessert sich. Meine Kritik richtet sich besonders an die Eltern, die ihre Kinder zum Einkaufen mitnehmen. Auch ist es wichtig, an der Ampel nicht zu dicht zu stehen.

Von Politik und Medien wird ein neues Wir-Gefühl beschworen. Da wird gesagt, wir müssen gemeinsam diese Krise jetzt durchstehen. Wir müssen uns alle an die Regeln halten, damit das so schnell wie möglich vorbei ist. Hast Du das Gefühl, dass sich die Araber und Muslime in Berlin von diesem Wir-Gefühl auch angesprochen fühlen?

Ich glaube ja. Ich habe auch Gespräche in einigen Moscheen geführt. Es gibt keine Freitagsgebete mehr, das heißt, es wird nicht mehr in den Moscheen gebetet. Jeder betet zu Hause. Versammlungen und Veranstaltungen finden nicht mehr statt. Es gibt auch mehr Informationen im Internet oder über Whatsapp. Es kursieren aber auch leider sehr viele Informationen über irgendwelche Theorien: Man soll bestimmte Sachen essen oder auf bestimmte Sachen achten, die medizinisch damit nichts zu tun haben.

Was sind das für medizinische Theorien?

Man soll beispielsweise bestimmte Pflanzen oder Gewürze essen. Das ist eigentlich mehr Hokuspokus. Für meine arabische Sendung produziere ich jeden Tag Corona-Nachrichten, das Video wird immer um 15 Uhr auf Facebook gepostet. Viele Menschen sollen damit erreicht werden, damit die arabische Community weiß, was verboten und erlaubt ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Haroun Sweis führte Marcus Latton, Redaktion Gesellschaft und Religion.
Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung. Den vollständigen Beitrag können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Inforadio, 05.04.2020, 12:44 Uhr

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