Interview | Infektiologe zur Maskenpflicht - "Temperaturen ab 60 Grad töten beim Waschen alle Viren ab"

Mo 27.04.20 | 06:30 Uhr
Menschen in Berlin mit Mundschutz (Quelle: dpa/imago)
Audio: Inforadio | 27.04.2020 | Oliver Soos | Bild: dpa/Engeler/Carstensen/Gambarini/Niefeld/imago/Müller/Müller-Stauffenberg

In Krankenhäusern wird das Personal speziell geschult, um Mundschutz so zu benutzen, dass er virenfrei bleibt. Längst nicht alle diese Regeln sind im Alltag praktikabel, weiß Infektiologe Peter Walger. Trotzdem schützen auch einfache Masken vor Ansteckungen.

rbb|24: Herr Walger, ab Montag gilt in Berlin Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Brandenburg auch im Einzelhandel. Wie beurteilen Sie als Infektiologe diese Maßnahme?

Peter Walger: Eine Maske zu tragen ist in Situationen sinnvoll, in denen Sie anderthalb Meter Abstand womöglich nicht einhalten können - beim Einkaufen oder in der U-Bahn zum Beispiel. Dann bietet die Maske der Person, die sie trägt, effektiven Schutz.

Also dient die Maske nicht nur zum Schutz anderer vor den Tröpfchen, die ich ausatme? So liest man es häufig.

Diese Meinung ist in der Öffentlichkeit verbreitet, stimmt aber nicht. Der wichtigste Grund, eine Maske zu tragen, ist Eigenschutz - damit Sie sich nicht bei anderen anstecken. Da sind die Stoffmasken für Privatpersonen in ihrer Funktion vergleichbar mit dem OP-Mundschutz. Den trägt das medizinische Personal primär auch, um sich selbst nicht zu infizieren. Ein zweiter wichtiger Grund zum Tragen der Maske ist, andere vor den Tröpfchen zu schützen, die Sie ausatmen - falls Sie möglicherweise infiziert sind, ohne es zu wissen.

Wie viele Stoffmasken muss ich besitzen, um hygienisch mit ihnen umzugehen?

Ich denke, wenn jeder drei Stoffmasken besitzt, ist das eine gute Zahl. Es reicht im Normalfall eine frisch gewaschene Maske pro Tag. Man sollte seine Maske aber nicht mit anderen teilen. Es sollte klar sein, wem welche Maske gehört - zum Beispiel durch eine Markierung oder einen bestimmten Haken zu Hause, an dem die Maske einer Person immer hängt.

Wo und wie sollte ich meine Maske aufbewahren, wenn ich sie gerade nicht trage?

Sie sollte möglichst an der Luft trocken hängen. Denn in einer trockenen Umgebung sterben Viren ab. Meine Maske hängt zum Beispiel, während ich Auto fahre, oft am Innenspiegel.

Es wird immer wieder davon abgeraten, Masken in einer Tasche zu transportieren. Warum ist das so?

In einer Tasche kann die Feuchtigkeit vom Atmen nicht gut abtrocknen. Viren überleben dort deswegen länger. Außerdem berühren sich die Innen- und Außenseite der Maske, wenn Sie sie zusammenknüllen und in eine Tasche stopfen. Das gibt Viren, die möglicherweise auf der Außenseite sitzen, die Möglichkeit, sich auch auf der Innenseite zu verteilen. Wenn Sie die Maske dann später wieder aufsetzen, könnten Sie diese Viren einatmen. 

Wie wahrscheinlich ist das?

Das Risiko, dass Sie im öffentlichen Raum auf eine gefährliche Virendosis treffen, ist viel geringer als zum Beispiel im Krankenhaus. Das medizinische Personal muss wirklich lernen, eine Maske so auf- und abzusetzen, dass die Innenseite nicht kontaminiert wird. Man darf dabei nur die Gummibänder berühren. Für den Alltag sind so strikte Vorsichtsmaßnahmen nicht nötig. Zu Hause empfehlen wir auch niemandem, sich die Hände zu desinfizieren. Da reicht Waschen vollkommen aus. Im Krankenhaus gelten selbstverständlich andere Regeln.

Eine Maske, die zusammengeknüllt in meiner Tasche war, schützt aber andere Menschen weiterhin vor meinen Tröpfchen, wenn ich sie wieder aufsetze?

Ja, das funktioniert weiterhin. An der Qualität der Maske ändert sich dadurch nichts. Die Schutzfunktion lässt erst nach, wenn die Maske wirklich durchfeuchtet ist. Dann kann sie Tröpfchen nicht mehr abhalten und muss gewaschen werden.

Man liest von vielen unterschiedlichen Verfahren, um Masken zu reinigen - von Bügeln über die Mikrowelle bis zum Backofen. Was empfehlen Sie?

Ich empfehle, Stoffmasken heiß zu waschen. Sie sollten aus kochfestem Stoff genäht sein - mehrlagige Baumwolle zum Beispiel - damit man sie bei mindestens 60 Grad waschen kann. Eine kurze Kochwäsche geht auch. Temperaturen ab 60 Grad töten beim Waschen alle Viren ab, die sich möglicherweise auf der Maske befinden. Alle anderen Verfahren wie Bügeln, Mikrowelle und so weiter sind weniger sicher. Man muss seine Maske auch nicht unbedingt jeden Tag waschen. Aber ich würde es empfehlen, damit man eine gewisse Routine kriegt.

Zum Umgang mit Stoffmasken gibt es Video-Tutorials, die einem sehr komplexe Regeln zeigen: vor jedem Auf- und Absetzen Hände waschen, die Maske nur an den Gummibändchen berühren. Ist das im Alltag wirklich praktikabel?

Im öffentlichen Raum ist die Maske nur ein Schutzmechanismus von mehreren. Man muss sie immer im Zusammenspiel sehen mit den Abstandsregeln, dem Händewaschen und der Etikette beim Husten und Niesen. Das alles ist aufreibend genug für das private Leben. Zusätzlich noch all die Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, die es für den Umgang mit dem Mundschutz im medizinischen Bereich gibt - das ist sicherlich realitätsfern. Solche Regeln wie jedes Mal Hände waschen, bevor man die Maske berührt - die sind im Krankenhaus wichtig, aber im Alltag nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anne Kohlick.

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Antwort auf [Gabi] vom 30.04.2020 um 15:53
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