Bestattungen zu Corona-Zeiten - Die Liebsten zu Grabe tragen - ohne Umarmungen

So 19.04.20 | 08:25 Uhr | Von Carmen Gräf
Symbolbild: Beerdigung per Live-Stream (Quelle: imago images)
Audio: Inforadio | 19.04.2020 | Carmen Gräf | Bild: Symbolbild/imago images

Trauerfeiern mit höchstens zehn Personen, nur noch unter freiem Himmel, ohne vorherige Aufbahrung - so sind die Vorschriften zur Zeit in Berlin. Kann man auf diese Weise noch würdevoll Abschied nehmen? Von Carmen Gräf  

Eine Handvoll Angehörige im Sicherheitsabstand, ein Pfarrer oder eine Pfarrerin, kein Orgelspiel, kein Trauerzug. Eine sehr schlichte Feier am offenen Grab - so sehen die Beerdigungen zurzeit aus, die die Berliner Bestatterin Susanne Jung begleitet. "Letztens sind nur zwei Angehörige mitgegangen. Der Mann hat zum Urnenträger gesagt: 'Ich würde gerne die Urne zur Grabstelle tragen.' Da sagte der: 'Nein, das erlaubt die Verwaltung nicht.' Ich finde das ziemlich hart in diesen Zeiten."

Susanne Jung ärgert sich auch darüber. Viele Angehörige seien verunsichert, was noch möglich sei und was nicht, sagt sie - zumal die Friedhöfe in Berlin unterschiedliche Regelungen hätten. Es bedrücke sie, dass sie den Menschen, die sie begleite, so wenig anbieten könne: "Ich kann eigentlich gar nichts machen. Und das bisschen, was möglich wäre, ist oft verboten. Ich wünschte mir sowohl von der kirchlichen als auch von den städtischen Friedhofsverwaltungen etwas mehr Überlegung dahingend: Was können wir für die Angehörigen tun?"

"Nehmt die Trauerfeier auf, filmt sie"

Jörg Zabka ist evangelischer Pfarrer in der Martin-Luther-Gemeinde in Lichterfelde-West. Er hat schon einige Beerdigungen begleitet, seit Umarmungen unter Freunden und Angehörigen auf Trauerfeiern verboten sind. Gerade bei Trauer und Abschied sei es wichtig, sich in den Arm zu nehmen, sagt er. "Wie kann man eine Nähe herstellen trotz körperlicher Distanz? Ich versuche mit den engsten Angehörigen, der Witwe, dem Witwer, ein bisschen abseits zu stehen, so dass uns niemand hört, einen gewissen Schutzraum zu haben, dass einfach so eine Nähe möglich ist."

Zabka versucht auch, die richtigen Worte in dieser sonderbaren Situation zu finden. Dabei hilft ihm seine jahrelange Erfahrung in der Telefonseelsorge. Er schlägt pragmatische Lösungen vor: "Mein Angebot: Nehmt die Trauerfeier auf, filmt sie." Oder er schreibe den Angehörigen einen Text, den sie mitnehmen könnten. Dennoch bliebe die Grundproblematik bestehen: "Es dürfen nicht alle kommen, die sich gerne verabschieden würden - und dafür gibt's keine gute Lösung."

Deshalb entscheiden sich manche Hinterbliebene für einen anderen Weg. Viele Angehörige würden die Beerdigung verschieben, erzählt Susanne Jung. Sie seien in einer Art Standby-Modus. "Sie sagen: Okay, wir warten, weil wir die Menschen, die kommen möchten, auf keinen Fall ausschließen möchten." Sie hofft darauf, dass sie die Termine Mitte Juni buchen kann.  

"Es wird improvisiert"

Dass Angehörige die Beerdigung verschieben wollen, erlebt auch Pfarrer Jörg Zabka. "Ich denke, die tun sich damit nichts Gutes. Trauer ist ein Prozess, ein Weg, und die Trauerfeier ist ein wichtiger Schritt. Aber den muss man auch hinter sich bringen, um dann die nächsten Schritte der Trauer gehen zu können."

Auch ein weiteres Ritual fällt derzeit aus: Dass die Hinterbliebenen nach der Trauerfeier noch zusammenkommen, ein Symbol dafür, dass das Leben jetzt weitergehen kann. Stattdessen wird improvisiert, beobachtet die Bestatterin Susanne Jung: "Ich hatte letztlich eine dieser Beisetzungen, die sehr reduziert sind. Die älteren Damen, so jenseits der 80, hatten eine Kaffeekanne mitgebracht. Am Auto haben sie dann zumindest eine Tasse Kaffee gemeinsam getrunken in gebührendem Abstand. Sie haben sich diese Zeit genommen, denn sie konnten tatsächlich nirgendwo hingehen." Das sei ein schöner Moment gewesen, sagt sie, den es unter normalen Umständen nicht gegeben hätte.

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Beitrag von Carmen Gräf

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