Berliner Firma bringt Verfahren auf den Markt - Skepsis gegenüber Schnelltests auf Coronavirus-Antikörper

Do 09.04.20 | 19:23 Uhr
Beispiel für einen Antikörper-Bluttest für SARS-CoV-2. (Quelle: dpa/Geisler-Fotopress)
Bild: dpa/Geisler-Fotopress

Für die Kontrolle der Coronavirus-Epidemie wären sie eine große Hilfe: Schnelltests auf Antikörper gegen das neuartige Virus. Diese sind bereits auf dem Markt, doch Experten scheuen sich noch vor einem Einsatz.

Was Sie jetzt wissen müssen

Schnelltests, die anzeigen, ob eine Person Antikörper gegen das neuartige Coronavirus im Blut hat - hilfreich wären sie zurzeit vor allem für medizinisches und Pflegepersonal. Die Tests könnten zeigen, ob jemand eine Infektion bereits durchgemacht hat, womöglich ohne es bemerkt zu haben. Ein Test gäbe dann Auskunft darüber, ob eine getestete Person Antikörper gegen Sars-Cov-2 im Blut hat und das Risiko sich selbst oder andere anzustecken sehr gering, vielleicht gar nicht vorhanden ist. 

Antikörpertests würden außerdem dabei helfen festzustellen, wie viele Menschen in Deutschland bereits mit dem neuartigen Coronavirus infiziert waren. Denn die Höhe der Dunkelziffer, die wiederum Aufschluss darüber gibt, wie viele Menschen tatsächlich im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist nach wie vor unklar.

Das RKI kündigte am Donnerstag mehrere Studien an, bei denen Blutproben auf Antikörper untersucht werden sollen.

Schnelltest bereits seit Anfang März auf dem Markt

Mehrere Firmen haben bereits Tests für Antikörper entwickelt, darunter ist auch das Berliner Pharmaunternehmen "Pharmact", dessen Schnelltest bereits seit Anfang März auf dem Markt ist. Die Firma verspricht: Ohne Labor sollen mit dem Test innerhalb von 20 Minuten sicher Antikörper gegen Covid-19 im Blut nachgewiesen werden können.

Die Abbildung zeigt den Corona-Schnelltest der Firma Pharmact. Ein schmales weißes Plastik-Gerät. (Quelle: Pharmact)
Auf den Schnelltest wird Blut aus der Fingerkuppe geträufelt. In einem Fenster wird dann angezeigt, ob Antikörper gegen das neuartige Coronavirus im Blut vorhanden sind. | Bild: Pharmact

Somit könnten schneller als bisher bereits Genesene und Erkrankte, die schon Antikörper gebildet haben, erkannt werden. Eigentlich eine positive Nachricht in den Bemühungen, die Coronavirus-Epidemie zu kontrollieren.

Doch was die Zuverlässigkeit solcher Schnelltests angeht, haben Experten nach wie vor Zweifel. Der Chefvirologe der Charité, Christian Drosten, weist im Corona-Podcast des NDR auf das Risiko hin, dass die Tests falsch-positiv ausfallen. Also Antikörper nachgewiesen werden, die sich nicht auf das neuartige, sondern ein bereits bekanntes Coronavirus beziehen. Denn die Coronavirus-Familie hat viele Typen, die den Mensch befallen können. Einige lösen nur eine gewöhnliche Erkältung aus. Laut Drosten werden fünf bis fünfzehn Prozent aller Erkältungskrankheiten durch eines dieser Coronaviren ausgelöst. Es bestünde also die Gefahr, dass Getestete sich und andere in falscher Sicherheit wiegen, weil sie zwar Antikörper haben, aber nicht gegen das neuartige, sondern ein bereits bekanntes Coronavirus.

Gunther Burgard, medizinischer Direktor von Pharmact, beschreibt die Antikörpertests des Unternehmens mit einer sehr hohen Spezifität und Empfindlichkeit: "Wir haben lediglich eine falsch-positiv Rate von 0,2 Prozent", sagt er, 272 Probanden habe man getestet. Außerdem habe eine Validierung in fünf Kliniken stattgefunden. Aktuell erfolge eine weitere Validierung, da das Produkt aufgrund der erweiterten Erfahrung optimiert worden sei.

Stichprobe fällt positiv aus

In einer Stichprobe des rbb funktioniert der Schnelltest. Bei einer Ärztin, die vor etwa zwei Wochen positiv auf das neuartige Coronavirus im Labor getestet wurde, zeigt der Schnelltest nun an, dass sie Antikörper im Blut hat. Bei ihrem Mann, der im Labor vor vier Tagen positiv getestet wurde und seit sechs Tagen Symptome von Covid-19 aufweist, werden mit dem Schnelltest allerdings noch keine Antikörper nachgewiesen. In der Regel sind Antikörper im Blut aber auch erst eine knappe Woche nach Erkrankungsbeginn nachweisbar, meist sogar erst nach zwei Wochen.

Berliner Ärztekammer: "Falsche Rate für den Betroffenen möglicherweise tödlich"

Doch auch eine geringe Fehlerquote, bewertet der Präsident der Ärztekammer, Günther Jonitz, als zu riskant: "Selbst bei einer sehr hohen Genauigkeit bekomme ich sehr viele falsch-positive Befunde, wenn ich viele Menschen teste." Die Gefahr bestehe darin, einen Test anzuwenden, der eine falsche Sicherheit erzeugt. Im Extremfall könne ein verfälschtes Ergebnis zu einem schweren Krankheitsverlauf führen: "Das heißt, diese falsche Rate an Tests ist möglicherweise für den Betroffenen tödlich", so Jonitz.

Jeder Test, der behauptet, er stelle eine richtige Diagnose, müsse dies in klar definierten Studien beweisen: "Die Studien müssen offen sein, jeder bis in das letzte Detail reinschauen können: Was habt ihr gemacht, wie habt ihr es gemacht und was sind eure Ergebnisse." Wenn ein Antikörpertest zuverlässig funktioniere, sei das allerdings eine sehr wichtige Entlastung für die Gesundheitsberufe.  

Berlin will auf sicheren Qualitätsnachweis warten

Dementsprechend scheut sich auch die Berliner Regierung vor dem Einsatz von Antikörperschnelltests. "Das Interesse ist natürlich da", sagt Berlins Gesundheitssenatorin, Dilek Kalayci (SPD). "Wir würden das auch gerne flächendeckend machen, aber solange wir kein grünes Licht bekommen, was die Qualität angeht, wäre die Frage tatsächlich: Was hat man davon, wenn man viele negative Tests und eigentlich keinen Erkenntniszugewinn hat?"

Wolfgang Albers (Die Linke), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, gibt außerdem die Kostenfrage zu bedenken. "Solche Tests sind ja auch nicht billig. Das heißt, man würde Ressourcen vergeuden, die man dann da, wo sie wirklich notwendig sind, nötiger brauchen würde."

Berliner Ärztekammer: "Soziale Medizin im Moment wirksamer"

"So sehr wir uns alle die Pille oder den Test wünschen, wir sind da emotional in der Gefahr uns auf den Holzweg zu begeben", meint Jonitz. Zurzeit sei die soziale Medizin, also die Kontaktbeschränkungen, wesentlich wirksamer. Zusätzliche Verfahren in Form von Tests und Medikamenten auf den Weg zu bringen, sei sinnvoll und richtig. Doch im Moment sei die Reihenfolge klar.   

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