Corona-Krise auf dem Land - Wie kleine Ostprignitzer Betriebe durchhalten wollen

Di 14.04.20 | 14:38 Uhr | Von Anja Dobrodinsky
Fahrende Bäckerei Janke in der Prignitz. (Quelle: rbb/Lau)
Audio: Antenne Brandenburg | 11.04.2020 | Anja Dobrodinsky | Bild: rbb/Lau

Ob Landwirt, Hotelier, Händlerin oder Bäcker – auch die kleinen Unternehmen auf dem Land rund um Wittstock sitzen in der Corona-Klemme. Wie erleben sie diese Zeit und was tun sie, um heil durch die Krise zu kommen? Von Anja Dobrodinsky

Kühe, Schafe, Pferde, Wald und Acker – das ist die Bio-Ranch am Rande des Dorfes Zempow in der Ostprignitz. Eigentlich wäre die Ranch jetzt voller Touristen. Stattdessen schreibt Wilhelm Schäkel, der hier die Geschäfte führt, bis in die Nacht hinein Anträge auf staatliche Hilfen.

Eine Bioranch am Rande des Dorfes Zempow in der Ost-Prignitz. (Quelle: W. Schäkel)
Kleine Gästehütten auf der Bioranch | Bild: W. Schäkel

Stille statt Schafwanderung

Die 28 Ferienbetten in den hölzernen Ferienhäusern stehen leer, ebenso der Gemeinschaftsraum, die Feuerstelle, der Reitplatz, die Sauna und der Spielplatz. Etwa zehn Kindergruppen kommen jeden Frühling auf die Ranch. Mit ihnen macht Wilhelm Schäkel dann Ranch-Safaris und Schafwanderungen. Aber nicht dieses Jahr. Für seine Mitarbeiter hat er Kurzarbeit angemeldet. Soforthilfen des Landes Brandenburg sind auch beantragt. "Die 9.000 Euro sollten wir problemlos bekommen", sagt Schäkel. Noch ist das Geld nicht da. Und selbst wenn es soweit ist, wird das nicht reichen. Bis zum Sommer werden wohl Umsätze von 39.000 Euro fehlen.

Eine Bioranch am Rande des Dorfes Zempow in der Ost-Prignitz. (Quelle: W. Schäkel)
Sonst ist hier Touristenturbel | Bild: W. Schäkel

Der Tourismus ist nur ein Teil des Geschäfts der Bio-Ranch. Hauptsächlich wird hier Landwirtschaft betrieben. Zehn Mitarbeiter kümmern sich um Tiere und Saat. Doch weil Hotels und Restaurants geschlossen sind, kauft niemand mehr Rindfleisch. Die Preise sind eingebrochen. Bei der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin hat Wilhelm Schäkel um Aufschub gebeten. Die Stundung seiner Kredite wurde ihm gewährt. Mit einem neuen Darlehen für die 30.000-Euro-Lücke tut sich die Bank aber schwer.

Eine Bioranch am Rande des Dorfes Zempow in der Ost-Prignitz. (Quelle: E. Haut)
Kleiner Laden mit Café | Bild: E. Haut

Biolebensmittel auf Rädern

Nur ein paar Hundert Meter weiter mitten im Dorf Zempow betreibt Evelyn Haut ihren Bioladen mit Cafe. Sie lebt vor allem von den Urlaubern. Doch die mussten alle abfahren. Plötzlich hatte Evelyn Haut Zeit zum Nachdenken. Sie entschied sich, etwas auszuprobieren, das sie schon lange tun wollte und startete einen Lieferservice: "Ursprünglich wollten wir den Senioren in der Region helfen. Aber dann haben wir festgestellt, dass auch jüngere Leute nicht mehr in die Supermärkte wollen", sagt Haut. Zweimal in der Woche fährt sie nun die Bestellungen aus. Wer möchte, dem bringt sie auch ein warmes Mittagessen.

Evelyn Haut hat mit dem Gedanken gespielt, staatliche Soforthilfen zu beantragen. Nun will sie es aber erst einmal ohne versuchen: Nur ein paar Tage nach dem Start ihres Lieferservices hat sie schon eine Hand voll neue Kunden. Das stimmt sie optimistisch.

Fahrende Bäckerei Janke in der Prignitz (Quelle: rbb/Lau)
Jankes fahrender Bäckerladen | Bild: rbb/Lau

Mobile Bäckerei

Angst ums Geschäft braucht wohl auch die Landbäckerei Janke aus Flecken Zechlin nicht zu haben. Wie für Corona-Zeiten gemacht sind ihre fünf Bäckermobile, mit denen Brot, Brötchen und Kuchen in die Dörfer gebracht werden.

Enrico Menzel fährt seit 14 Jahren einen der Wagen. Um sich und die Kunden zu schützen, hat er die Auslage mit einer Plexiglasscheibe gesichert. Durch eine Öffnung reicht er die Backwaren heraus. Doch die sind nicht das einzige, was er im Angebot hat: "Wir nehmen jetzt zum einen mehr Waren mit und zum anderen zusätzlich Milch, Eier, Butter und Wurst", sagt Menzel.

Eine Bioranch am Rande des Dorfes Zempow in der Ost-Prignitz. (Quelle: Seehotel Ichlim)
Seehotel Ichlim | Bild: Seehotel Ichlim

Seit 27 Jahren zum ersten Mal geschlossen

Seine tägliche Tour führt ihn auch am Seehotel Ichlim vorbei. Es liegt am Nebelsee genau an der Grenze zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Verlando Konschak führt das Hotel seit 27 Jahren. Nur ein einziges Mal in dieser Zeit musste er schließen. Damals in den 1990er Jahren wurde eine automatische Eingangstür eingebaut. Nun ist es wieder soweit. Corona ist Schuld. Von den 14 Mitarbeitern arbeiten nur noch drei. Zwei beantworten Kundenanfragen für das Sommergeschäft. Der dritte ist der Haustechniker. Er bringt Zimmer, Fahrräder, Boote und Garten auf Vordermann. Das Hotel soll vorbereitet sein, wenn es wieder losgeht.

25.000 Euro Soforthilfe stehen dem Hotel zu. Die Summe reicht allerdings nur für einen Monat. Denn die Kosten laufen weiter. Auch wenn einige Geschäftspartner wie der Wittstocker Abwasserverband angeboten haben, Zahlungen zu stunden. Deshalb hat Verlando Konschak sich an seine Hausbank gewandt wegen eines KfW-Kredits.

Mit seinen Angestellten hält Konschak Kontakt. Vielleicht geraten sie in Schwierigkeiten, weil das Kurzarbeitergeld nicht reicht. Dann will er Wege finden, sie finanziell zu unterstützen. Denn Fachkräfte sind rar. "Wir wollen nicht, dass unsere Mitarbeiter den Mut verlieren und plötzlich auf dem Bau anheuern", sagt Konschak. Er selbst kommt jeden Tag von seinem Wohnort im nächsten Dorf rüber ins Hotel, beantwortet Anfragen im Büro, arbeitet im Garten – und hofft, dass der Ausnahmezustand schnell vorbeigeht.

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Beitrag von Anja Dobrodinsky

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