Ordensleben in Neuzelle zu Corona-Zeiten - Ostern zwischen Klosterstille und Youtube-Gottesdiensten

So 12.04.20 | 08:36 Uhr | Von Rocco Thiede
Online-Gottesdienst in der Stiftskirche in Neuzelle (Bild: rbb)
Video: rbb|24 | 12.04.2020 | Material: Brandenburg aktuell | Bild: rbb

In Neuzelle herrscht klösterliche Stille. Wegen Corona findet das Ordensleben der Zisterzienser ohne Publikum statt - auch an Ostern. Doch die Mönche haben sich einiges ausgedacht, um Gläubige trotzdem teilhaben zu lassen. Ein Ortsbesuch von Rocco Thiede  

Was Sie jetzt wissen müssen

Keine Fotoapparate oder Smartphones von Touristen klicken. Niemand spricht laut in der Kirche. Menschen, denen liturgische Abläufe fremd sind, befinden sich nicht auf dem Klostergelände. Die sprichwörtliche klösterliche Ruhe dominiert die katholischen St. Marienkirche in Neuzelle. Bis der gregorianische Gesang der Mönche einsetzt. Eigentlich müsste das doch den Zisterziensern gefallen, die seit September 2018 hier klösterliches Leben wiederbeleben. Aber: "Es bleibt dieses schmerzliche Moment, dass es eine verordnete Stille ist", sagt Pater Kilian Müller, der Ökonom der klösterlichen Gemeinschaft.

"Ora et labora"

Als Besucher gewinnt man den Eindruck, erst jetzt, in der Corona-Krise, sei das Kloster in Neuzelle ein richtiges Kloster. Das Stundengebet der Mönche in ihrem schwarz-weißen Habit läuft in der barockisierten Marienkirche ohne Einschränkungen ab. Scheinbar ist für sie alles ideal. Der Alltag folgt dem lateinischen Mönchsmotto aus dem Mittelalter: "Ora et Labora" (bete und arbeite). Doch mit dem Arbeiten ist es bei der Mönchsgemeinschaft ähnlich wie in anderen Familien auch: der Schulunterricht an der katholischen Grundschule, wo sie Religion lehren, ist eingestellt und das pfarrliche Leben ruht ebenso.

Ostern ist das wichtigste Fest der Christen. Am Ostersonntag wird der Auferstehung von Jesus nach seinem Tod am Kreuz gedacht. Aber in Europa werden in diesem Jahr keine Gemeindegottesdienste stattfinden. Auch in der Wallfahrtskirche in Neuzelle fallen wegen Corana die Ostermesse und das feierliche Hochamt mit vielen hundert Gläubigen aus. "Es ist natürlich besonders schmerzlich, dass wir keine öffentlichen Gottesdienste feiern dürfen", klagt Pater Kilian.
Kloster Neuzelle in Brandenburg (Quelle: rbb/Rocco Thiede)
Bild: rbb/Rocco Thiede

Täglich streamen sie live auf YouTube ihr Rosenkranzgebet

Also beten die Mönche hinter verschlossenen Türen. "Am Glockenläuten kann dann jeder hören, wann und zu welchem Zeitpunkt bestimmte wichtige Schritte in der Liturgie gefeiert werden", erklärt der Gottesmann. Einmal täglich streamen sie live auf Youtube ihr Rosenkranzgebet und anschließend den Nachtsegen mit dem "Vater Unser".

Neben der Internetpräsenz haben sich die Mönche noch etwas ausgedacht. Sie fahren mit ihrem gelben VW-Bus über Land und segnen die Menschen, ihre Tiere, Häuser und die Natur: "Die Pfarrei Neuzelle-Eisenhüttenstadt ist flächenmäßig sehr groß – fast 500 Quadratkilometer. Immer sonntags, so auch Ostern, fahren wir an den nördlichsten, den südlichsten, den westlichsten und den östlichen Punkt und segnen von dort aus alles."

Im Mutterhaus in Österreich gibt es mehr Einschränkungen

Dennoch sind die Wohnungen der Mönche im ehemaligen Pfarrhaus noch immer mehr WG als Klosterzelle. So kennen sie es von ihrem Mutterkloster im österreichischen Heiligenkreuz im Wienerwald. In Österreich waren die Bestimmungen und Restriktionen des öffentlichen Lebens von Anfang an deutlich schärfer als in Deutschland. So wurde der Gästebetrieb des Mutterklosters komplett eingestellt. Dort wo früher zivile Angestellte ihr "täglich Brot verdienten" – zum Beispiel in der Küche und der Wäscherei – haben mittlerweile die Mönche den Job vorübergehend selbst übernommen.

"Zum Glück koche ich nicht mit Klopapier"

Im Orden der Zisterzienser gibt es durch Covid-19 die ersten Tragödien, erzählt Pater Kilian: "Die 85-jährige Schwester Luisa Alvarez starb am 22. März an ihrer Corona Infektion in ihrem Kloster in Madrid." In Italien stünden im 1045 gegründeten Kloster Casamari im Latium alle Mönche des Konvents unter Quarantäne. Ein Abt werde auf der Intensivstation behandelt. Bisher gebe es im Amt Neuzelle fünf gemeldete Fälle und im benachbarten Eisenhüttenstadt sollen es sieben sein. Wenn einer der sechs Mönche des Klosters gesundheitliche Probleme hat, geht er zu seinem Hausarzt im Ort oder fährt ins fünf Kilometer entfernte Eisenhüttenstadt.

Bis Ostersonntag galten für die Zisterzienser noch die strengeren Regeln der Fastenzeit. Gegessen wurde weniger, und nur einfache Gerichte kamen auf den Tisch. Wie gewohnt kochte der Frater Aloysius Maria für die Gemeinschaft und kümmerte sich um den Haushalt. Engpässe bei der Versorgung scheinen die Mönche nicht zu stören. Der Pater Kilian sagt, die Situation lasse tief blicken: "Die Amerikaner horten in dieser Situation Waffen, die Franzosen Rotwein und die Deutschen Toilettenpapier."

"Wer gut singt, betet doppelt"

Zum Abschied hat der Gottesmann noch zwei Tipps für Gläubige – nicht nur für die Osterzeit: Erstens das Singen: "Also einfach mal lossingen und den Herrn preisen, vielleicht auch mit eigenen Worten oder mit altbekannten Kirchenliedern, die man mag." Hier gelten die Worte vom berühmten Kirchenlehrer, dem Heiligen Augustinus aus dem 4. Jahrhundert. Dieser soll gesagt haben: "Wer gut singt, betet doppelt".

Und seine zweite Empfehlung: "Wir sind Fans der 150 Psalmen, so dass wir sie immer und immer wieder beten.". Dort würden alle Stimmungslagen des Menschen verarbeitet. "Man findet sie in der Bibel im Alten Testament: einfach mal nachschauen und ein bisschen reinlesen."

Sendung: rbb Inforadio, 11.04.2020, 7 Uhr

Beitrag von Rocco Thiede

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