Anstieg durch Corona-Krise - Berliner Polizei erhält mehr Notrufe wegen häuslicher Gewalt

So 26.04.20 | 11:08 Uhr
Auf einer Wand sind Schatten von Armen zu sehen, die aggressiv aufeinander zugehen (Quelle: DPA/Maurizio Gambarini)
Bild: DPA/Maurizio Gambarini

Die Zahl der Notrufe wegen häuslicher Gewalt ist in Berlin in diesem Jahr bisher deutlich höher als im vergangenen. Laut Polizei wurden in den ersten 16 Wochen des Jahres etwa 4.100 entsprechende Notrufe registriert, 2019 waren es im gleichen Zeitraum 3.460. Besonders deutlich sei der Anstieg seit Mitte März mit wöchentlich mehr als 300 solcher Anrufe. Vom 16. März bis 19. April rückten Polizisten zu 1.580 Einsätzen wegen Gewaltverdachts in Familien aus.

Gleichzeitig ist die Zahl entsprechender Anzeigen weitaus weniger angestiegen. Insgesamt wurden zwischen Jahresbeginn und dem 19. April 4.270 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt in Berlin aufgenommen. Das waren 210 mehr Vorfälle als im Vergleichszeitraum 2019. Seit den Kontaktbeschränkungen Mitte März wegen der Corona-Krise wurden rund 1.380 Gewaltvorfälle in Familien angezeigt, das sind 46 Fälle mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres (12. bis 19. Kalenderwoche).

Damit wird der Eindruck verstärkt, dass es in der Corona-Krise möglicherweise weitaus öfter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb von Familien in Berlin kommt, diese Vorfälle aber viel seltener angezeigt werden. rbb|24 hatte bereits vergangenen Dienstag über dieses Missverhältnis berichtet, nun liegen offizielle Zahlen der Polizei vor.

Deutlich mehr schwere Fälle von Kindesmisshandlung

Als einen weiteren Faktor für diese Entwicklung sieht die Gesundheitsverwaltung, dass Nachbarn derzeit sensibler reagierten und schneller die Polizei riefen. Einige Alarmierungen stellten sich auch als Lärmbelästigung oder Streit heraus.

Ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung sagte, die beschränkten Kontakte seien für viele Menschen eine außerordentliche Belastung und erhöhten das Risiko, Konflikte nicht mehr konstruktiv zu lösen. Ob es mehr häusliche Gewaltvorfälle gab, werde sich erst später zeigen. Betroffene Frauen hätten weniger Chancen als sonst, Hilfe zu rufen. Bei Kindern sei auch die soziale Kontrolle von außen eingeschränkt.

In der rbb-Abendschau hatte ein Dezernatsleiter des Landeskriminalamtes gesagt, derzeit kämen gar keine Anzeigen wegen misshandelter Kinder. Er befürchte, dass diese gestellt werden, wenn Kitas und Schulen wieder geöffnet sind.

Die Vizechefin der Berliner Gewaltschutzambulanz, Saskia Etzold, sagte, nach Ostern habe in ihrer Einrichtung die Zahl Betroffener zugenommen. "Auffällig ist, dass wir im Moment fast nur schwere Fälle sehen", sagte sie der Nachrichtenagentur. Auffällig sei hingegen der Rückgang bei Sexualdelikten durch Fremdtäter, da Clubs und Bars geschlossen seien.

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