Gutschein oder Geld zurück? - Diese Rechte habe ich, wenn ich meine Reise nicht antreten kann

Mi 29.04.20 | 13:40 Uhr | Von Andrea Everwien
Corona: Ein Mann steht allein mit seinem Koffer am Hauptbahnhof in Berlin (Quelle: Imago/bildgehege)
Video: SUPER.MARKT | 27.04.2020 | Andrea Everwien | Bild: Imago/bildgehege

Der Flug storniert, die Pauschalreise abgesagt, das Ferienhaus gekündigt – und dann noch Gutscheine statt Geld zurück. Reisen zu Zeiten von Corona - und was Sie bei Stornos jetzt tun können. Andrea Everwien

"Wir bleiben zuhause" – das gilt in diesem Jahr womöglich nicht nur für die vergangenen Wochen, sondern auch für den Sommerurlaub. Seit Mittwoch erstreckt sich die "Weltweite Reisewarnung für nicht notwendige, touristische Reisen" des Außenministeriums auf die Zeit bis zum 14. Juni 2020. Außenminister Heiko Maas hatte mehrmals erklärt, ein Ende der Reisebeschränkungen sei noch nicht abzusehen.

Doch schon jetzt storniert nach einer Umfrage des ARD-Morgenmagazins rund ein Drittel der Bundesbürger seine Reisen, denn wer will schon zwischen Plexiglasscheiben am Strand liegen und sich bei jedem Urlaubskontakt fragen, ob der jetzt gefährlich war.

Welche Rechte habe ich, wenn ich meine Reise nicht antreten will oder kann?

- Antworten auf die wichtigsten Fragen

Meine Flugreise wurde wegen Corona annulliert. Bekomme ich mein Geld zurück?

Im Prinzip ja. Die Europäische Fluggastrechte-Verordnung gibt Reisenden das Wahlrecht. Sie können entscheiden, ob sie sich von ihrer Fluggesellschaft die Reisekosten erstatten lassen, oder einen Gutschein akzeptieren. Will ein Reisender sein Geld zurück, müssen die Fluggesellschaften es innerhalb von sieben Tagen erstatten.  

Tatsächlich haben Länder wie Griechenland und Italien ihren Fluggesellschaften aber in der Corona-Krise erlaubt, ihren Gästen nur Gutscheine oder Umbuchungen anzubieten.

KLM hat nach Aussage des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland dazu die "Billigung der niederländischen Regierung". Und in Deutschland hat etwa Lufthansa nach Berichten des Fluggastmagazins Airliners einfach die Schaltfläche für die Kostenerstattung von der Website genommen. Allerdings soll ein Antrag auf Kostenerstattung dennoch telefonisch oder per Mail möglich sein, wenn auch erschwert.  

Bei Easyjet muss sich der Kunde erst durch mehrere Schaltflächen für Umbuchung und Gutscheine klicken, um schließlich eine Adresse für die Kostenerstattung zu finden. Aber es gibt diese Seite immerhin.

Symbolbild: Literatur zum Thema Reiserecht. (Quelle: dpa)
Bild: dpa

EU-Recht geht vor Entlastung der Tourismus-Industrie

Wie andere Länder wollte auch die Bundesregierung die Tourismus-Industrie dadurch entlasten, dass sie ihr grundsätzlich erlaubt, nur Gutscheine anstelle von Kostenerstattung zu gewähren und forderte die Europäische Kommission dazu auf, dazu das geltende EU-Recht auszusetzen.

Doch der für Justiz zuständige Kommissar Didier Reynders hat dies mehrfach abgelehnt und sich klar geäußert: "Alle Mitgliedstaaten sollten (...) sicherstellen, dass nationale Entscheidungen im Einklang mit dem EU-Verbraucherrecht stehen." Nach EU-Recht haben Verbraucher die Wahl, ob sie einen Gutschein akzeptieren oder eine Rückerstattung bevorzugen.

Rechtsanwalt Roosbeh Karimi, Reise-Rechtsexperte aus Berlin, fasst die Rechtslage so zusammen: "Wenn eine Fluggesellschaft dem Verbraucher einen Gutschein anbietet, dann braucht der Verbraucher hierauf nicht einzugehen. Das europäische Recht ist eindeutig, und der Verbraucher hat einen Rückzahlungsanspruch."

Ich habe eine Pauschalreise gebucht. Kann ich stornieren?

Es kommt darauf an. Wenn Sie die Reise stornieren wollen, weil Sie sich vor einer Infektion fürchten, gilt dies nicht unbedingt als ausreichender Grund für eine kostenfreie Stornierung. Dafür müssen laut BGB 651h "am Urlaubsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise .... erheblich beeinträchtigen." Ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, kann man natürlich vor Gericht erstreiten.

Wollen Sie aber sicher gehen, nicht mit Stornokosten belastet zu werden, sollten Sie von sich aus nur Reisen stornieren, für deren Zeitraum eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes oder des Bestimmungslandes vorliegt. Gleiches gilt für die Zahlung noch ausstehender Kosten.

Mein Pauschalreiseveranstalter bietet mir einen Gutschein oder eine Umbuchung an. Muss ich das akzeptieren?

Nein, das müssen Kunden genau so wenig akzeptieren wie die Gutscheine von Fluggesellschaften. Hier stärkt die sogenannte "Pauschalreisen-Richtlinie" den Rücken der Verbraucher. Danach haben Pauschalreisende im Falle von "unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen", die ihre Reise erheblich beeinträchtigen, Anspruch auf die Wahl: Geld zurück – und zwar innerhalb von 14 Tagen – oder Gutschein bzw. Umbuchung. 

Doch auch in Sachen Pauschalreisen sind einige Europäische Länder in der Corona-Krise ausgeschert. So müssen etwa in Frankreich Gutscheine akzeptiert werden. Einen Überblick, welche Sonderregelungen es im Augenblick in verschiedenen Ländern gibt, finden Sie beim Europäischen Verbraucherzentrum für Deutschland. Das EVZ bietet auch Verbraucherunterstützung bei allen Fragen an, die grenzüberschreitende Reisen in Europa betreffen.

Die EU-Kommission hält es jedoch für den falschen Weg, Verbraucherrechte zum Schutz der Reiseanbieter aufzugeben. Auf Anfrage des rbb erläutert ein Kommissionssprecher die Entscheidung: "Die Europäische Kommission kann nicht einfach per Federstrich den Verbraucherinnen und Verbrauchern ihre Rechte vorenthalten und Rechtsunsicherheit schaffen. Dies würde letztlich auch den Unternehmen schaden, da die Reisenden das Vertrauen verlieren würden. Die Kommission arbeitet daran, gemeinsame Regeln zu entwickeln, mit denen die Tourismusbranche in den Ländern gestützt werden kann, ohne Verbraucherrechte zu beschneiden. Hier sind in naher Zukunft also Veränderungen zu erwarten.

Gibt es Gründe, warum ich dennoch einen Gutschein oder eine Umbuchung für einen Flug oder eine Pauschalreise akzeptieren sollte?

Jein.

Einerseits: Heute ist unklar, ob die Gesellschaften, mit denen Sie jetzt verhandeln, im nächsten Jahr noch existieren, oder ob sie aufgrund der vielen Rückzahlungen gezwungen sind, in Insolvenz zu gehen. Nach Auskunft des DRV, des Deutschen Reiseverbands, rechnen seine Mitglieder bis Ende April dieses Jahres mit Umsatzverlusten von 4,5 Mrd. Euro. Zwei Drittel der Unternehmen sollen die Insolvenz befürchten, drei Viertel hätten jetzt schon Kurzarbeit angemeldet. Sollten im großen Umfang Unternehmen zusammenbrechen, weil die Mehrheit der Urlauber auf Auszahlung besteht, ist Ihr Vertragspartner vielleicht nicht mehr zahlungsfähig, wenn Sie vor Gericht einen Rechtssieg erstritten haben. Dann haben Sie nichts davon.

Andererseits: Es gibt zurzeit keine Insolvenzabsicherung für die Gutscheine, etwa durch den Staat. Akzeptieren Sie den Gutschein, geben Sie dem Reiseveranstalter einen zinslosen Kredit in Höhe Ihres Reisepreises. Wenn das dem Unternehmen aber doch nicht hilft, zu überleben, ist ihr Gutschein am 31.12.2021 nichts mehr wert. Dafür müsste es eine staatliche Garantie für den Wert der Gutscheine geben, die gibt es aber bisher nicht. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält grundsätzlich nichts von der Idee, die Verantwortung für die Liquidität von Reiseanbietern deren augenblicklichen Kunden aufzubürden. "Die Liquidität der Reisebranche muss durch einen Fonds ermöglicht werden, nicht durch Kundengelder", fordert vzbv-Vorstand Klaus Müller.

Worauf muss ich achten, wenn ich einen Gutschein akzeptiere?

Folgende Bedingungen sollte ein Gutschein erfüllen:

- Der Gutschein sollte auf den eigenen Namen ausgeschrieben sein. Eventuell kann man verhandeln, dass der Gutschein übertragbar sein soll.

- Seine Geltungsdauer muss definiert sein. Die günstigste Variante, die es zurzeit gibt, lautet: Buchung bis Ende 2020, Reiseantritt bis Ende 2021. Sollte die Reise bis dahin nicht angetreten werden können: Auszahlung durch die Fluggesellschaft.

Ich habe ein Ferienhaus gemietet, mein Anbieter kann es mir wegen Corona nicht mehr zur Verfügung stellen. Was sind meine Rechte?

Die Frage lässt sich nur im Einzelfall beantworten.

Es kommt darauf an, ob der Vermieter ein großer Anbieter ist, der Ihnen freiwillig die Rechte einer Pauschalreise in den Vertragsbedingungen zugesprochen hat. Dann können Sie diese Rechte einfordern (s.oben).

Vielleicht haben Sie aber auch einen Mietvertrag mit dem Eigentümer der Unterkunft geschlossen. Dann kann es sogar sein, dass das Mietrecht im Ausland berücksichtigt werden muss.

Was bietet die Deutsche Bahn ihren Kundinnen und Kunden?

Bahnreisen, die im Zeitraum bis Ende April gebucht wurden, können in Gutscheine umgetauscht oder flexibel bis Ende Juni genutzt werden.

Sparpreis und SuperSparpreisTickets können auch kostenlos storniert werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
  - Der Kauf fand vor dem 13.3.2020 statt.
  - Reisezeitraum bis 30.4.2020.
  - Ticket wird nicht flexibel bis zum 30.6.2020 genutzt.

Den Stornierungsantrag findet man ganz einfach im Internet. Es lohnt sich, darauf zu achten, welche Daten gelten, da Reisebeschränkungen auch innerhalb von Deutschland alle zwei Wochen neu definiert werden.

Weitergehende Informationen zum Umgang der DB mit Corona-bedingten Reiseeinschränkungen finden Sie hier [bahn.de]

Und wie sieht’s aus beim VBB?

Für alle Kunden: Fahrausweise des Bartarifs mit aufgedrucktem Gültigkeitstag können vor Gültigkeitsbeginn zurückgegeben werden.

Für Abokunden gibt es die Möglichkeit, Zeitkarten zurückzugeben: Wenn der Kunde krank ist und die Karte nicht nutzen kann. Das gilt auch bei amtlich verordneter Quarantäne.

Dazu heißt es im Detail auf der Website:

"Nicht oder nur teilweise genutzte Zeitkarten (im Barkauf erworbene Monatskarten, 7-Tage-Karten) können zurückgegeben werden, der Kaufpreis wird erstattet. Bei Teilnutzung werden je genutztem Tag zwei Einzelfahrten abgerechnet und vom Erstattungsbetrag abgezogen. Ergänzend zu dieser bestehenden tariflichen Regelung können Fahrgäste gegen Vorlage einer Bescheinigung vom Gesundheitsamt auch rückwirkend eine Erstattung für den Zeitraum einer angeordneten häuslichen Quarantäne erhalten. Inhaber von Jahreskarten, die nachweisen, dass während des Gültigkeitszeitraumes häusliche Quarantäne bestand, können rückwirkend eine Erstattung für den Zeitraum der Quarantäne erhalten. Eine Bescheinigung vom Gesundheitsamt sowie der Wertabschnitt für den Gültigkeitszeitraum ist beim Verkehrsunternehmen einzureichen. Es wird kein Bearbeitungsentgelt erhoben."

Eine generelle Erstattung gibt es nicht, etwa für Kunden, die aus Vorsicht auf Bus- und U-Bahnfahrten verzichten oder aber wegen des verordneten Home Office ihre Abokarten nicht nutzen.

Für welche Gruppen gibt es weitere Kulanzregelungen beim VBB?

Für Studierende, die ihre Semestertickets nicht verlängern können, weil die Büros an den Universitäten nicht besetzt sind, gilt: "Für Studienanfänger*innen im Sommersemester 2020, die noch kein Semesterticket haben, wird als Fahrtberechtigung die Immatrikulationsbescheinigung für das Sommersemester 2020 im Original in Verbindung mit dem Personalausweis anerkannt. Dies gilt ebenfalls befristet bis 31. Mai 2020. VBB-Semestertickets für das Wintersemester 2019/20, die am 31.03.2020 ablaufen, werden zunächst bis einschließlich 31.05.2020 weiter als Fahrausweis zur Nutzung des ÖPNV akzeptiert. Voraussetzung ist, dass gleichzeitig eine Immatrikulationsbescheinigung für das Sommersemester 2020 vorgelegt werden kann.

Für Inhaber von Mobilitäts- und Berlin-Tickets S heißt es auf der Seite des VBB: "Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales teilt mit, dass berlinpässe, die in den nächsten Wochen auslaufen, ihre Gültigkeit behalten. Der Erwerb des Berlin-Ticket S ist auch mit einem abgelaufenen Berlinpass möglich. Neue berlinpässe werden vorerst nicht ausgestellt. Das Berlin-Ticket S kann auch ohne berlinpass erworben werden. Dazu müssen die anspruchsberechtigten Personen den Leistungsbescheid mit sich führen und ihre Bedarfsgemeinschaftsnummer, das Aktenzeichen oder die Wohngeldnummer auf dem Berlin-Ticket S eintragen. Das Verfahren ist vorerst befristet bis zum 31. Mai 2020, kann bei Bedarf jedoch entsprechend verlängert werden. Abgelaufene Kundenkarten für das Mobilitätsticket, die bis 29. Februar 2020 gültig waren, werden in Fahrausweiskontrollen - zusammen mit einer gültigen Wertmarke für das Mobilitätsticket - vorrübergehend bis vorerst 31. Mai 2020 anerkannt.

Sendung: Super.Markt, 27.04.2020, 20:15 Uhr

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Beitrag von Andrea Everwien

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