Friedrich-Loeffler-Institut - "Tiere dürfen nicht mit Desinfektionsmitteln besprüht werden"

Do 09.04.20 | 11:23 Uhr
Symbolbild: Eine Frau joggt auf dem Tempelhofer Feld mit einem Hund (Bild: dpa/Robert Guenther)
Bild: dpa/Robert Guenther

Nachdem sich ein Tiger im New Yorker Zoo mit dem neuartigen Coronavirus infiziert hat, rückt eine Frage in den Fokus: Welche Rolle spielen Tiere bei der Pandemie? Das Friedrich-Loeffler-Institut hat dazu erste Forschungsergebnisse veröffentlicht.

Was Sie jetzt wissen müssen

Anfang der Woche hatte sich ein Tiger im New Yorker Zoo bei einem Tierpfleger mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Seitdem stellen sich Wissenschaftler die Frage, welche Rolle Tiere bei der Verbreitung des Virus spielen.

Elke Reinking, Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts, dem Bundesforschungsinsitut für Tiergesundheit, das zur Gesundheit von landwirtschaftlichen Nutztieren und dem Schutz des Menschen vor Zoonosen (Infektionen, die zwischen Mensch und Tier übertragen werden) forscht, über den Stand der Forschung und darüber, welche Tiere von dem neuartigen Virus befallen werden können.

rbb|24: Das Friedrich Loeffler Institut führt seit einigen Wochen Coronavirus-Infektionsstudien an Schweinen, Hühnern, Flughunden und Frettchen durch. Warum gerade an diesen Tieren?

Elke Reinking: Wir beschäftigen uns als Institut hauptsächlich mit lebensmittelliefernden Tieren. Deshalb wollten wir wissen, ob wir zum Beispiel Schweine und Hühner vor dem Kontakt mit Menschen schützen müssen. Die ersten Zwischenergebnisse haben gezeigt, dass weder Schweine noch Hühner empfänglich für das Virus sind. Man könnte natürlich noch Rinder untersuchen, aber alles deutet darauf hin, dass unsere landwirtschaftlichen Nutztiere raus sind aus der Nummer.

Bei den Untersuchungen mit Flughunden und Frettchen geht es um andere Fragen. Das Sars-CoV-2 stammt sehr wahrscheinlich aus einer bestimmten Fledermausart in China. Hier am Institut haben wir Nilflughunde, die uns Aufschluss geben könnten über die Interaktion des Virus mit der eigentlichen Wirtstierart. Frettchen sind für uns interessant, weil sie bezüglich ihrer Atemwege eine ähnliche Zellausstattung haben wie der Mensch.

Konnten Sie anhand Ihrer Versuche herausfinden, welche Rolle Tiere bei der Coronavirus-Pandemie spielen?

Unsere Studie ist noch nicht komplett abgeschlossen. Wir können leider nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass sich ein Mensch bei einem Frettchen anstecken kann. Studien, bei denen man Menschen mit infizierten Tieren kuscheln lässt, sind nicht erlaubt. Wir gehen aber davon aus, dass der Kontakt mit einem Frettchen schon sehr intensiv sein müsste, damit man sich ansteckt und dass sich das mit den normalen Hygieneregeln vermeiden lässt.

Wir haben beobachtet, dass sich Frettchen, wie Menschen, per Tröpfcheninfektion über die Nase anstecken lassen. Sie vermehren das Virus, scheiden es aus und stecken ihre Artgenossen an. Dabei zeigen sie keine schweren Krankheitssymptome. Frettchen eignen sich also als Modell für Impfstofftestungen.

Infektionen bei Katzenarten haben für einiges Aufsehen gesorgt. In Belgien steckte sich eine Hauskatze an, die mit einer infizierten Person zusammenlebt. Sie zeigte Symptome, wie Atemnot, Erbrechen und Durchfall. Beim Tiger im New Yorker Zoo geht man davon aus, dass das Virus durch einen Pfleger übertragen wurde. Gibt es bei Katzen eine Gefahr, die man bislang unterschätzt hat?

Die Geschichte der Katze aus Belgien sollte man mit Vorsicht genießen, weil bei dieser Katze keine Differentialdiagnostik gemacht wurde. Die Symptome könnten z.B. auch auf den berühmten Katzenschnupfen hindeuten. Das wurde leider nicht abgeklärt. Der Tiger und weitere Studien aus China haben gezeigt, dass sich Katzen über den Menschen anstecken können. Das Friedrich-Loeffler-Institut geht im Moment allerdings davon aus, dass Katzen keine Rolle bei der Verbreitung spielen. Die Pandemie ist eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung.

Gibt es dennoch Regeln, die Katzen- oder Hundebesitzer beachten sollten?

Ja, die gibt es. Infizierte Personen in häuslicher Isolation sollten Abstand zu ihren Tieren halten und sie nicht anniesen oder anhusten. Freigängerkatzen sollte man während der Isolation nach Möglichkeit drinnen lassen. Hunde können sich offenbar nicht infizieren, das haben chinesische Studien gezeigt. Sie können von Verwandten und Freunden ausgeführt werden. Wichtig ist dabei, dass sich die Menschen bei der Übergabe des Hundes nicht gegenseitig anstecken. Deshalb empfehlen wir Gassigängern eine eigene Leine mitzubringen.

Darf man Hunden überhaupt noch ins Fell fassen? In Hundeauslaufzonen in Parks kann man beobachten, dass die Hundebesitzer Abstand zueinander halten, die Hunde jedoch nicht.

Bislang lässt sich nicht beobachten, dass das Fell bei der Übertragung eine besondere Rolle spielt. Da gelten die normalen Hygieneregeln. Wenn man den Hund angefasst hat, sollte man sich sofort die Hände reinigen, zumindest bevor man sich ins Gesicht langt. Wenn es der Hund gewohnt ist, mit Hundeshampoo gewaschen zu werden, ist das auch eine gute Lösung.

Das Gute an behüllten Viren ist, dass sie meistens sehr schnell durch Seife oder Shampoo zerstört werden. Auf keinen Fall dürfen Tiere mit Desinfektionsmitteln besprüht werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Oliver Soos.

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