Interview | Corona-Tote im Bergmann-Klinikum - "Ein Paradebeispiel dafür, wie Kliniken kaputtgespart werden"

Fr 17.04.20 | 14:59 Uhr
Krankenhaus Ernst von Bergmann Klinikum (Quelle: imago-images/Jürgen Ritter)
Audio: Inforadio | 17.04.2020 | Interview mit Torsten Schulz | Bild: imago-images/Jürgen Ritter

Wie konnte es zu den vielen Corona-Fällen am Ernst-von-Bergmann-Krankenhaus in Potsdam kommen? Torsten Schulz, Verdi-Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Gesundheit, verweist auf schwierige Arbeitsverhältnisse und fordert politische Lösungen.

rbb: Herr Schulz, 36 Corona-Tote am Ernst-von-Bergmann-Krankenhaus - der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert beklagt unvollständige Unterlagen, die Stiftung Patientenschutz hat Strafanzeige gegen Geschäftsführung und Ärzte des Klinikums gestellt. Wie beurteilen Sie das?

Torsten Schulz: Was wir am Ernst-von-Bergmann-Klinikum gerade erleben, ist ein Paradebeispiel dafür, was passieren kann, wenn Krankenhäuser kaputtgespart werden wie in den letzten 20 Jahren. Und dann kommt noch wie jetzt in der Corona-Krise eine Pandemie obendrauf.

Was ist Ihr Vorwurf in dem Zusammenhang? Wie hängt das Sparen mit der Pandemie zusammen?

In den letzten Jahren haben wir am Ernst-von-Bergmann wie auch in anderen Krankenhäusern gemerkt, dass unter Personalnot und schlechten Arbeitsbedingungen, der Ausgliederung von Beschäftigten in Tochterfirmen, eine flächendeckend gute Versorgung für die Patienten nicht gewährleistet werden kann. Wenn dann ein Extremfall wie eine Pandemie in diesem Jahr hinzukommt, führt das natürlich Krankenhäuser extrem an ihre Grenzen.

Nun wurde überall gespart. Warum ist das aus Ihrer Sicht in diesem Klinikum besonders relevant?

Das Klinikum Ernst-von-Bergmann ist Brandenburg-weit ein Fall, wo wirklich viele Beschäftigte in Tochtergesellschaften ausgegliedert wurden.

Beschäftigte am Klinikum sind auch Mitglieder bei Verdi. Was erzählen sie Ihnen?

Die Beschäftigte, die sich bei uns melden, sprechen von einer Intransparenz der Leitung gegenüber den Beschäftigten. Dass sie teilweise Informationen eher von der Presse erhalten, als von ihrer Leitung. Das bringt natürlich Unruhe unter die Beschäftigten, weil die auch wissen wollen: Welche Maßnahmen werden am Klinikum ergriffen, um sich auch im Falle einer Pandemie gut schützen und Patienten gut pflegen zu können?

Gefährdet diese Situation auch Patienten?

Wir können nur feststellen: Wenn in Krankenhäusern wenig Personal da ist und es viele Tochtergesellschaften gibt, ist das ein Indikator, dass eine solche Krise schwerer überwindbar ist.

Vor zwei Jahren hat sich ein Bündnis für mehr Personal in Pflege und Krankenhaus formiert. Hat das etwas gebracht?

Es gibt ein Bündnis für mehr Personal in Krankenhäusern in Berlin. In Brandenburg startete vor Kurzem eine Initiative von über 38 Erstunterzeichnern aus über 20 Brandenburger Kliniken. Die Landesregierung, also Dietmar Woidke und die Gesundheitsministerin Frau Nonnenmacher, wurden aufgefordert, verschiedene Forderungen jetzt endlich umzusetzen. Jetzt sofort in der Krise. Aber die Forderungen sind schon weit vor der Krise entstanden. Wir fordern auch die beiden Minister dazu auf, in einer Videokonferenz mit den betroffenen Beschäftigten aus dem Land Brandenburg zu sprechen, deren Forderungen ernst zu nehmen und umzusetzen.

Reicht eine Videokonferenz mit den Beschäftigten? Oder was wünschen Sie sich grundsätzlich von der Landespolitik?

Eine Videokonferenz ist ein erster großer Schritt. Endlich auf Augenhöhe mit den Beschäftigten, die in den Krankenhäusern täglich gute Arbeit leisten, zu sprechen, deren Nöte und Ängste ernst zu nehmen und Forderungen wie sofortige Schutzmaßnahmen umzusetzen. Aber auch das Fallpauschalensystem (Die Vergütung von medizinischen Leistungen pro Behandlungsfall, Anm.d.Red.) in den Krankenhäuser abzuschaffen, Krankenhäuser vollumfänglich zu finanzieren und zu rekommunalisieren und dann gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das bedeutet wieder die ordentliche Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband für die Krankenhäuser und alle Tochtergesellschaften zugleich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mit Torsten Schulz sprach Leon Stebe, Inforadio. Der Beitrag ist eine gekürzte und redaktionell bearbeitete Version. Das Originalinterview können Sie mit Klick auf das Audiosymbol im Header des Artikels nachhören.

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Antwort auf [keinBeamter] vom 18.04.2020 um 08:36
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