Wohnungsbesichtigungen in Berlin - Auf Wohnungssuche während der Pandemie

Sa 04.04.20 | 08:39 Uhr
Symbolbild: Junge Erwachsene bei einer Wohnungsbesichtigung in Berlin halten Abstand. (Quelle: imago images)
Bild: imago images

Haus- und Wohnungssuche bedeuten in Berlin auch ohne Coronavirus viel Stress. Um das Infektionsrisiko zu minimieren, bieten Wohnungsunternehmen nun Einzelbesichtigungen oder virtuelle Rundgänge an. Die Nachfrage nach Wohnungen ist weiterhin hoch. Von Efthymis Angeloudis

Was Sie jetzt wissen müssen

Eine Wohnung zu finden, ist in Berlin auch ohne Ausgangsbeschränkungen und Mindestabstand nicht leicht. Nun aber scheint die Wohnungssuche durch die Corona-Pandemie noch schwieriger geworden zu sein. Für Mieter, die gerade dringend eine neue Wohnung suchen oder umziehen wollen, stellen sich viele Fragen: Lohnt es sich jetzt noch, etwas zu suchen? Und wie kann man Wohnungen überhaupt noch besichtigen?

Private Anbieter aber auch städtische Bau- und Wohngenossenschaften wollen ihre freien Wohnungen natürlich auch während der Corona-Pandemie vermieten. Die Zeiten der Massenwohnungsbesichtigungen, die mit mehreren hunderten Interessenten eher Pilgerfahrten ähnelten, sind allerdings wegen der verhängten Ausgangbeschränkungen und der Einhaltung von Mindestabständen vorbei.

Einzelbesichtigung ohne Makler und mit Einmalhandschuhen

Stattdessen bieten die meisten Wohnungsgesellschaften Einzelbesichtigungen an - oft sogar, ohne einen Makler dabei zu haben. "Mietinteressenten können sich den Schlüssel für eine Wohnungsbesichtigung in unseren Vermietungsbüros abholen, ohne diese betreten zu müssen", sagt Mirko Rosteck von der Deutsche Wohnen – mit 111.500 Einheiten der größte Anbieter der Hauptstadt. "Wir geben die Schlüssel an der geöffneten Tür oder dem geöffneten Fenster in einer verschlossenen, desinfizierten Verpackung aus. Dieser Verpackung legen wir zudem Einmalhandschuhe bei, damit die Mietinteressenten in der Wohnung Türen und Fenster öffnen können."

So macht es auch Vonovia. "Wir führen Wohnungsbesichtigungen durch, allerdings mit Einschränkungen", sagt der Sprecher des Unternehmens, Matthias Wulff. "Deshalb führen wir nur Einzelbesichtigungen durch und sorgen für den notwendigen Abstand." Auch das Wohnungsunternehmen ADO habe sich an die Beschränkungen angepasst. Wohnungsbesichtigungen fänden nur statt, wenn sie seitens des Interessenten unbedingt notwendig sind und ausschließlich im Rahmen von Einzelbesichtigungen, teilte ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage von rbb|24 mit.

Virtuelle Besichtigung mit VR-Brille oder App

Andere Unternehmen bieten Interessenten virtuelle Rundgänge durch Wohnungen an. Denn für eine Wohnungsbesichtigung reicht schon heute eine VR-Brille oder Smartphone-App, um aus sicherer Entfernung eine Immobilie zu besichtigen.

Stellt sich also die Frage, ob überhaupt jemand noch zu wahren Wohnungsbesichtigungen geht. Für eine 1-Zimmer-Wohnung in Schöneberg, erklärt dem rbb eine Maklerin, die nicht genannt werden möchte, hätten mehrere Interessenten ihre Einzelbesichtigungstermine am Montag abgesagt. "Dabei haben wir klar kommuniziert, dass die Besichtigung nur einzeln im 15-Minuten-Takt stattfinden", so die Maklerin einer Hausverwaltung. Angst, dass sie die Wohnung nicht vermieten werden kann, hat sie nicht. "Jetzt kontaktieren uns eben 20 statt 50 Bewerber. Das bereitet uns keine Sorgen."

Es fehlen 145.000 Wohnungen in der Stadt

Selbst wenn aufgrund der aktuellen Situation weniger Menschen eine Wohnung suchen, ist die Nachfrage in Relation zum Angebot immer noch sehr hoch. Hat aber Corona auch Auswirkungen auf die Anzahl angebotenen Wohnungen. "Nein", sagt David Eberhart vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). "Der Trend zeigte sowieso, dass das Angebot in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist." Über Jahre hinweg gebe es einfach viel zu wenige Wohnungen.

Und das, obwohl die Hauptstadt laut Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) 2018 mit 16.706 fertiggestellten Wohnungen erneut einen Höchstwert innerhalb der letzten 20 Jahre verzeichnete. Dennoch ist das nicht genug, sagt IBB-Vorstandschef Jürgen Allerkamp: "Obwohl sich die Bauintensität auf einem Rekordniveau befindet, fehlen weiterhin rund 145.000 Wohnungen in der Stadt, die durch weiteren Wohnungsbau entstehen müssen."

"Warum sollte jetzt jemand seine Wohnung kündigen?"

Für Wohnungssuchende kann es laut David Eberhard jetzt wegen Corona sogar noch schlimmer werden: "Die Gründe fallen weg umzuziehen." Die Fluktuation der Wohnungen würde durch die Pandemie zurück gehen. "Warum sollte jetzt jemand seine Wohnung kündigen?"

Außer den Gründen fehlen letztlich auch die Mittel. Denn die Corona-Krise stellt auch Menschen, die einen Umzug bereits geplant hatten, vor ganz neue Probleme. Ein Umzug mit der Hilfe des Freundeskreises fällt derzeit aus, wie die Berliner Polizei mitteilte. Stattdessen könne ein Umzug durch ein Unternehmen, das sich an die Hygiene-Standards hält, oder mit Helfenden aus dem eignen häuslichen Umfeld durchgeführt werden.

Über 90 Prozent der Mietwohnungen oberhalb des Mietendeckels

Und auch der seit den 24. Februar in Kraft getretene Berliner Mietendeckel scheint sein Ziel, die hohen Quadratmeterpreise der Hauptstadt einzudämmen und Menschen zu einer bezahlbaren Miete zu verhelfen, momentan nicht einhalten zu können. Das ist natürlich nicht auf Corona zurückzuführen, sondern in Erwartung einer Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, ob der Mietendeckel gegen die Verfassung verstößt oder nicht.

Das scheint aber Immobilienanbieter in Berlin nicht davor abzuschrecken, den Mietendeckel weiterhin zu ignorieren. Die Online-Plattform Immobilienscout 24 meldete dazu am vergangenen Freitag, dass auch nach Inkrafttreten des Gesetzes über 90 Prozent der Mietwohnungen in Berlin mit Preisen oberhalb des Mietendeckels angeboten werden.

Kein verlockendes Angebot

Und selbst wenn in einigen Fällen, die angegebene Miete den Maßgaben des Mietendeckels entspricht, wird darauf aufmerksam gemacht, dass, falls der Mietendeckel als verfassungswidrig eingestuft werde, der oft immense Unterschied nachträglich zu begleichen sei.

Wohl kaum ein verlockendes Angebot. Doch eines, das viele Menschen in Berlin, die kein mietvertraglich abgesichertes Wohnverhältnis haben, kaum ausschlagen werden können.

Kommentar

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Antwort auf [#stay home] vom 04.04.2020 um 09:32
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