Corona-Krise - Viele Herzinfarkt-Patienten trauen sich nicht ins Krankenhaus

Di 19.05.20 | 07:06 Uhr | Von Anna Corves
Zwei mit durchsichtiger Folie überzogene Krankenhausbetten in Berlin auf einem Flur in der Charité. Quelle: Soeren Stache/dpa
Bild: Soeren Stache/dpa

Offenbar haben viele Patienten mit Herzinfarkt- oder Schlaganfallsymptomen in den vergangenen Wochen den Weg ins Krankenhaus gescheut. Die Angst vor dem Coronavirus kann lebensgefährliche Folgen haben, befürchten die Mediziner. Von Anna Corves

Offenbar aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus bleiben Herzpatienten mit teils gefährlichen Symptomen zu Hause. Die Kardiologie in der Berliner Charité hat in den vergangenen Wochen einen Rückgang bei den Behandlungszahlen verzeichnet, wie deren Direktor, Ulf Landmesser, feststellt.

Ihm bereite diese Entwicklung Sorgen, sagt Landmesser. "Wir haben das auch ausgewertet und sehen, dass - seit die Corona-Infektionen in Berlin aufgetreten sind - 25 bis 30 Prozent weniger Patienten mit Herzinfarkt in die Klinik gekommen sind im Vergleich zu den Vorjahren." Knapp ein Drittel weniger Patienten melden auch seine Kollegen von der Station für Schlaganfälle in der Charité

Bundesweit gehen Herzbehandlungen zurück

Allerdings berichten Kliniken bundesweit von diesem Phänomen: Seit Beginn der Corona-Pandemie kommen weniger Schlaganfall- und Herzinfarkt-Patienten zur Behandlung. Und die Patienten, die kommen, seien oft schon in einem kritischen Zustand. Das beobachtet auch Christian Butter, Chefarzt der Kardiologie am Immanuel Klinikum Bernau, dem Herzzentrum Brandenburg.

Er verzeichnet zwar nur zehn Prozent weniger Notfallpatienten, aber: "Die, die kommen, haben dann auch einen höheren Behandlungsbedarf und eine höhere Dringlichkeit." Das könne man indirekt daran sehen, ob die Patienten eine Ballonerweiterung oder einen Stent benötigten. "Bei zwei Dritteln ist dann auch eine Notwendigkeit gewesen, etwas zu machen", stellt der Chefarzt fest.

Mehr Herztode außerhalb der Kliniken in Italien

Manch einen dürfte die Angst, sich mit Corona zu infizieren, von der Fahrt ins Krankenhaus abgehalten haben. Andere befürchteten wohl, gar nicht behandelt werden zu können - weil Kapazitäten für Covid-Erkrankte freigehalten werden müssen. Diese Scheu kann lebensgefährlich sein.

"Wir müssen befürchten, dass es bei Patienten, die einen unversorgten Herzinfarkt zuhause erlebt haben, auch zu mehr Todesfällen gekommen ist", sagt Charité-Kardiologe Ulf Landmesser und verweist auf erste Zahlen aus dem besonders von Corona betroffenen Italien: "Dort gibt es tatsächlich Analysen, dass weniger Patienten in die Klinik kamen und man eine Zunahme von plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillständen außerhalb der Kliniken beobachtet hat."

Ausreichend Kapazitäten für alle Patienten vorhanden

Für Deutschland liegen darüber noch keine Zahlen vor. Es sei auch schwierig, diesen Zusammenhang wissenschaftlich hieb- und stichfest zu belegen, sagt Kardiologe Christian Butter vom Immanuel Klinikum Bernau. Die Sorge, dass behandlungsbedürftige Herz-Patienten zu spät oder gar nicht zum Arzt gehen, teilt Butter dennoch.

"Ein Brustschmerz, den ich nicht ernst nehme, kann ein Infarkt sein, kann eine Lungenembolie sein, kann ein Einriss der Hauptschlagader sein", sagt Butter. Man könne Patienten nur ermutigen und sagen, dass es klare Richtlinien gibt und sich die Wege der Corona-Patienten nicht mit denen anderer Patienten kreuzen. Außerdem seien die Kapazitäten zur Behandlung vorhanden. Menschen mit Anzeichen für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall sollen sich trotz Corona nicht scheuen, notwendige medizinische Behandlungen in Anspruch zu nehmen, appellieren auch die Berliner und Bandenburger Krankenhausgesellschaften.

Sendung: Inforadio, 19.05.2020, 12 Uhr

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Antwort auf [treibel] vom 19.05.2020 um 21:26
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