Genesene berichten - Wie es ist, Covid-19 überstanden zu haben

So 17.05.20 | 08:39 Uhr | Von Martin Adam
Symbolbild: Eine Person steht vor dem Fenster. (Quelle: dpa/David Zorrakino)
Audio: Inforadio | 16.05.2020 | Martin Adam | Bild: dpa/David Zorrakino

Drei Menschen - ein Arzt, eine Journalistin, eine Kunstlehrerin - erzählen, wie sie ihre Corona-Infektion erlebt haben. Deutlich wird: Wenn die Krankheit kommt, lässt sie kaum Raum für anderes. Von Martin Adam  

Hans-Peter Maass ist noch schwach – zu schwach, um das Haus zu verlassen. Aber er hat Covid-19 hinter sich. Am Donnerstag kam das Testergebnis, es war negativ. Drei Wochen nach den ersten Symptomen, eine Woche nach dem Fieber. Immer um die 38 Grad seien es gewesen, erzählt Maass. Kein Husten, keine Lungenentzündung, dafür aber diese "unglaubliche Schwäche". Nach dem Aufwachen morgens habe er zwei Stunden gebraucht, um überhaupt aufzustehen und sich einen Tee kochen zu können. "So schlapp habe ich mich selten gefühlt in meinem Leben", sagt er am Telefon, "zu schwach, um mir etwas zu essen zu kochen."

Hans-Peter Maass ist 64, ein freundlicher Mann, der nüchtern die Ereignisse der letzten Wochen beschreibt. Denn Maass ist Arzt, Internist in einem großen Berliner Klinikum. Als die Diagnose kam, scheint es, war er nicht überrascht. Ein paar Tage zuvor hatte er einen Patienten wegen anderer Beschwerden behandelt. Kurz darauf rief der Mann im Krankenhaus an und teilte mit, er sei positiv auf das Coronavirus getestet worden. Am Wochenende danach bekam der Arzt selbst Symptome.

Das Gesundheitsamt fühlte sich nicht zuständig

Maass muss zu Hause in die Quarantäne. Angst habe er nicht gehabt, aber doch das Bewusstsein, dass die Krankheit schwer verlaufen kann und er zur Risikogruppe gehört. "Ich wusste, dass viele Menschen, die an der Krankheit auch sterben, eine Lungenembolie bekommen." Er spritzt sich daher von Anfang an selbst ein Medikament zur Blutverdünnung. Mit den Kollegen im Klinikum ist abgesprochen, dass er sich selbst einweist, wenn das Virus auf die Lunge übergreift.

Susanne Leinemann hätte sich selbst - und noch viel lieber ihren Mann - gern in ein Krankenhaus eingewiesen. Die Journalistin lebt mit ihrer Familie in Charlottenburg. Als ihr Mann Mitte März plötzlich Fieber bekommt, witzelt die Familie noch - das sei jetzt bestimmt Corona. Heute schäme sie sich ein wenig dafür, erzählt Leinemann heute. Denn das Fieber geht nicht weg. Sie rufen beim Gesundheitsamt an. "Dort wurde sehr formal abgefragt: Waren Sie im Urlaub, in Italien, China? Kennen Sie jemanden, der ein Coronafall ist? Nein? Dann sind sie kein Fall für uns." Es sei ein sehr unschöner Moment gewesen, als sich niemand zuständig gefühlt habe, sagt sie.

Obwohl sie und ihr Sohn inzwischen ebenfalls Symptome aufzeigen, will das Gesundheitsamt auch bei einem späteren Anruf weder testen, noch eine Kontaktliste zur Nachverfolgung erstellen. Als Familienangehörige seien sie, wenn überhaupt, nur "peripher infiziert". Was das bedeuten soll, kann die Mitarbeiterin des Gesundheitsamts allerdings nicht erklären.

Nicht krank genug fürs Krankenhaus

Susanne Leinemann muss selbst die Menschen warnen, die sie, ihr Mann und die beiden Kinder in den Tagen zuvor getroffen hatten - auch das ein unschöner Moment. Sie habe sich geschämt, sagt sie, obwohl sie wisse, dass Scham in dieser Situation keinen Platz hat. Es war ihr Hausarzt, der sich am Ende bereit erklärt, die Familie zu testen - obwohl seine Praxis eigentlich geschlossen war. Leinemann ist coronapositiv, ihr Mann auch, ebenso der 15-jährige Sohn. Nur ihre 17 Jahre alte Tochter wird negativ getestet, bleibt symptomfrei und zeigt auch in einem späteren Antikörpertest keine Anzeichen, dass sie jemals mit dem Virus in Berührung gekommen ist - obwohl sie vier Wochen mit der Familie in Quarantäne war.

Susanne Leinemanns Mann wird von einem Krankenwagen abgeholt und in die Klinik gebracht. Kurze Zeit später steht er wieder vor der Tür. Man habe ihn nach Hause geschickt, berichtet er, die Sauerstoffwerte seien noch ganz gut, hätten sie ihm in der Klinik gesagt. Zu Hause gebe es immerhin keine Krankenhauskeime.

Bei ihr sei die Krankheit im Vergleich dazu recht mild verlaufen, berichtet sie: leichtes Fieber, eher Schnupfen als Husten. Ob der Druck auf der Brust vom Virus, von der Angst oder von beidem kam, könne sie nicht mit Bestimmtheit sagen. Als sie einen selbstgebackenen Kuchen kosten will, merkt sie, dass sie nicht erkennen kann, ob er süß oder salzig schmeckt. Sie hat ihren Geruchs- und Geschmackssinn verloren.

Der tägliche Parfümtest

Davon berichtet auch eine Berliner Kunstlehrerin, die gerne anonym bleiben möchte. Die Gliederschmerzen, das Fieber, auch die Kreislaufprobleme seien anstrengend gewesen. Sie habe den Unterschied zu einer Erkältung oder einem grippalen Effekt sehr deutlich gespürt. Wirklich schlimm war aber, dass sie plötzlich keine Gerüche mehr wahrnehmen konnte: "Man riecht den Kaffee nicht mehr. Man riecht das Duschgel nicht mehr beim Duschen." Sie habe sich ein Parfümfläschchen genommen und jeden Tag daran gerochen, in der Hoffnung, dass der Geruchssinn nicht dauerhaft verloren ist. "Ich weiß genau, wie der Moment war, als ich im Bad stand und an dem Parfüm gerochen habe, direkt an der Flasche, wo es am intensivsten ist, und ich es dann zum ersten Mal ein bisschen gespürt habe."

Sie alle haben die Krankheit nach drei bis vier Wochen überstanden. Die große Erleichterung blieb aber aus. "Im Leben danach", sagt Susanne Leinemann, sei es wie mit dem Virus zuvor. Es sei einfach zu vieles unsicher. Zu vage bleibt, ob sie jetzt tatsächlich zuverlässig immun sind. Nur Hans-Peter Maass ist sich sicher, dass er erstmal Ruhe vor Corona hat und auch nicht mehr ansteckend ist. Nach drei Wochen allein in der Quarantäne will er jetzt endlich seine Freundin wieder treffen.

Sendung: Inforadio, 16.05.2020, 07.09 Uhr

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Beitrag von Martin Adam

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Antwort auf [Corvo63] vom 17.05.2020 um 17:57
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