Quarantäne in Neukölln endet - Warum sich Corona vor allem in "beengten Räumen" verbreitet

Fr 26.06.20 | 19:05 Uhr | Von John Hennig
Fassade eines unter Quarantäne stehenden Wohnhauses in Berlin-Friedrichshain (Bild: dpa/Christoph Soeder)
Video: rbb|24 | 03.06.2020 | Material: rbb Spezial | Bild: dpa/Christoph Soeder

Zunehmend wird klarer, was die Verbreitung des Coronavirus begünstigt: In Berlin gab es zuletzt lokale Ausbrüche in größeren, beengten Wohnhäusern. In Brandenburg kehrt dagegen langsam Normalität zurück. Von John Hennig

Viele Menschen haben in den vergangenen Wochen ihr Interesse für Wissenschaft, Statistiken und die Medizin entdeckt. Und genauso wie weltweit Virologen und Epidemiologen versuchen, immer wieder neueste Erkenntnisse zur Verbreitung des Coronavirus zu gewinnen, führen die Menschen mittlerweile erbitterte wissenschaftliche Diskussionen.

Doch immer noch kann vieles über Covid-19 nicht mit Sicherheit gesagt haben. Bei der Diskussion über die Verbreitung geraten zurzeit aber vor allem Aerosole, kleine Schwebeteile in der Luft, in den Fokus. Sie könnten noch mehr als Tröpfchen, etwa beim Husten oder Niesen, für die schnelle Verbreitung des Virus verantwortlich sein, hatte zuletzt auch der gerade für seinen Podcast mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Christian Drosten von der Berliner Charité erklärt [ndr.de].

Aerosole verbleiben länger in stehender Luft - und sinken nicht wie Tröpfchen schnell zu Boden. Sie hätten sich bei den letzten größeren Ausbrüchen in Schlachtbetrieben, Kirchengemeinden oder Wohnkomplexen, aber auch zum Beginn der Pandemie etwa in Clubs oder beim Après-Ski wie im österreichischen Ischgl, mit vielen Menschen auf engem Raum, gut verbreiten können.

Quarantäne in Neukölln endet

Vermutet wird derzeit, dass ein guter Teil der Corona-Ansteckungen darauf zurückgeht - gerade auch in Situationen, in denen viel gesprochen und gesungen wird, wie Chorproben und Gottesdiensten, bei denen Teilnehmer nicht nur einige Minuten zusammen verbringen. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) verwies zuletzt darauf, dass beengtes Wohnen und Arbeiten prinzipiell für die Ansteckung förderlich sei.

Womit auch die beiden größeren Berliner Ausbruch-Geschehen zuletzt gemeint sind: In Neukölln hat sich die Situation mittlerweile beruhigt. Am Freitagabend endet die am 13. Juni verhängte zweiwöchige Quarantäne von sieben Neuköllner Wohnblöcken. Nach letzten Corona-Tests müssen nach dpa-Informationen nur die Bewohner von zehn der ursprünglich 369 Haushalte länger in Quarantäne bleiben, in denen noch Infektionen nachgewiesen wurden - die Verlängerung soll zwischen drei und zehn Tagen dauern, je nach Zeitpunkt der letzten festgestellten Infektion. Die noch betroffenen Haushalte sind verteilt auf alle sieben Standorte.

Insgesamt waren in den Blöcken in den vergangenen Tagen 101 Menschen positiv getestet worden, darunter 39 Minderjährige. [Über den auffälligen Anstieg bei den Corona-Fallzahlen bei jungen Menschen in Berlin haben wir hier berichtet.] Alle anderen Haushalte seien über das Ende der Quarantäne informiert worden, teilte ein Bezirkssprecher am Freitag mit. Das Bezirksamt habe am Mittwoch und Donnerstag bei den Menschen in den Häusern noch einmal Abstriche genommen.

Auf die zweite Testreihe müssen die Bewohner eines Wohnhauses in Friedrichshain noch warten. Dort soll nächste Woche wieder getestet werden, sagte eine Bezirkssprecherin rbb|24. Bis dahin bleibt es unverändert dabei, dass 44 Personen positiv auf Covid-19 getestet wurden und sich "fast alle, aber nicht alle" Haushalte des Komplexes in zweiwöchiger Quarantäne befinden.

Studie belegt höheres Corona-Risiko für Ärmere

Die beiden lokalen Ausbruch-Geschehen hatten in Berlin zu Diskussionen geführt, inwiefern die Wohnsituation von Menschen die Verbreitung des Coronavirus begünstige. In beiden Fällen sollen viele größere Familien in den Mehrfamilienhäusern wohnen, deren Kinder regelmäßig Kontakt haben. Im Fall des Ausbruchs in Neukölln gilt eine Pfingstgemeinde als Auslöser.

Auf der Pressekonferenz am 16. Juni, drei Tage nachdem die über die sieben Wohnhäuser verhängten Quarantäne reichlich Aufregung verursacht hatte, erklärten Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) und Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) die Maßnahme. Dabei sprach Hikel davon, dass das Virus "vom Ski-Club jetzt in den Mietskasernen angekommen" sei und die "beengten Wohnverhältnisse" der "Ärmsten" für die Ausbreitung der Infektion verantwortlich seien. Spätestens da war die Diskussion über die Corona-Ausbrüche auch eine soziale.

Bereits vor kurzem hatte eine Studie ergeben, dass sozial Benachteiligte wie Langzeitarbeitslose in Deutschland ein deutlich erhöhtes Risiko haben, schwer an Corona zu erkranken, also ins Krankenhaus zu kommen.

Infektions-Zentren in Brandenburg: Kliniken und Gemeinschaftsunterkünfte

Dazu passt, dass die Infektionszentren im ländlicheren Brandenburg, wo es zurzeit nur vereinzele Corona-Fälle gibt, bislang vor allem Krankenhäuser wie das Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum und die Brandenburgklinik in Bernau (Barnim) sowie Gemeinschaftsunterkünfte, zuletzt in Templin (Uckermark), waren.

Dazu passen die weiteren Lockerungen in der Corona-Umgangsverordnung, die das Brandenburger Kabinett am Freitag beschlossen hat: Erwachsene Vereins- oder Freizeitsportler müssen unter freiem Himmel ab Samstag nicht mehr den Mindestabstand von 1,5 Metern zu Menschen aus anderen Haushalten einhalten. Damit gibt es kaum noch Einschränkungen im öffentlichen Leben. Aber: In Innenbereichen gilt die Abstandsregel von anderthalb Metern weiterhin.

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Beitrag von John Hennig

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Antwort auf [Alt-West-Berlinerin] vom 27.06.2020 um 08:42
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