Corona-Regeln in Berlin - Fahrgäste in der BVG häufiger ohne Masken unterwegs

Do 11.06.20 | 18:54 Uhr
Junge Leute tragen Schutzmasken zum Schutz gegen das neuartige Coronavirus (Quelle: Wolfram Steinberg/dpa)
Video: Abendschau | 11.06.2020 | Norbert Siegmund | Bild: Wolfram Steinberg/dpa

Einige Corona-Regeln hat der Senat inzwischen gelockert, aber die sogenannte Maskenpflicht in Bussen und Bahnen gehört nicht dazu. Die Verkehrsbetriebe bemerken nun eine sinkende Bereitschaft der Fahrgäste, sich daran zu halten - abhängig vor allem von der Tageszeit.

In Berliner U-Bahnen, Trams und Bussen sind trotz nach wie vor geltender Maskenpflicht immer mehr Fahrgäste ohne Mund- und Nasenschutz unterwegs. Die Bereitschaft zum Tragen solcher Masken sei in den vergangenen Wochen "leicht gesunken", wie die Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Petra Nelken, rbb|24 am Donnerstag sagte. "Der Rückgang ist nicht dramatisch, aber seit der Senat einige Corona-Maßnahmen gelockert hat, beobachten wir eine leichte Tendenz in diese Richtung."

Die Beobachtungen der Verkehrsbetriebe beruhen auf Auswertungen, die die BVG einmal pro Woche in einem "Bericht zur Verkehrslage in Berlin" an die Senatsverwaltung für Verkehr schickt. Die Pflicht zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes gilt seit dem 27. April in den Fahrzeugen des Öffentlichen Nahverkehrs aber auch an den Haltestellen der Berliner U-Bahnen, Trams und Busse.

Anteil der Maskenträger im Schnitt bei 78 Prozent

Laut BVG lag der Anteil der Maskenträger an Haltestellen und in den Fahrzeugen des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin im letzten Wochenbericht im gesamten Tagesdurchschnitt bei 78 Prozent. In der U-Bahn trugen demnach rund 85 Prozent der Fahrgäste Masken, ebenso in den Bussen. In der Straßenbahn waren es 75 Prozent.

Allerdings müsse laut BVG-Sprecherin Nelken unterschieden werden: "Die Bereitschaft, eine Maske anzuziehen, hängt stark davon ab, wann die Menschen unterwegs sind. Wir beobachten im Berufsverkehr in den vollen U-Bahnen weiterhin noch deutlich mehr als 90 Prozent." Am Abend, wenn die U-Bahnen und Trams sich leerten, würden die Fahrgäste auch eher auf den Mund-Nasen-Schutz verzichten. Nelken sagt, dass außerhalb der Fahrzeuge, an Tram- und Bushaltestellen zuletzt nur etwa 65 Prozent eine Maske trugen, an U-Bahn-Haltestellen seien es 80 Prozent gewesen. Allerdings sei auf Videoaufnahmen zu sehen, dass die Fahrgäste dort auch Abstand voneinander hielten.  

BVG trägt Daten aus Überwachungskameras zusammen

Die BVG-Statistik wird in einem relativ aufwendigen Verfahren erstellt. Seit die sogenannte Maskenpflicht gilt, geben BVG-Kontrolleure, Sicherheitsstreifen, Mitarbeiter im Außendienst und die Betriebsaufsicht am Ende ihrer Dienste Schätzungen zu Protokoll, wie viele Fahrgäste sich an die Maskenpflicht hielten. Diese Angaben machen laut Nelken aber nur einen Teil der Statistik aus.

"In den Leitstellen scannen Mitarbeiter mehrmals am Tag die Überwachungskameras der 175 Berliner U-Bahnhöfe sowie an Tram- und Bushaltestellen. Auch Aufnahmen aus den Innenräumen von U-Bahnen, Bussen und Trams werden stichprobenartig ausgewertet", erklärt die Sprecherin. 

Kein einheitliches Vorgehen der Kontrolleure

Als die BVG am 27. April damit anfing, ihre Zahlen zu erheben, hatten sich noch mehr Menschen an die Maskenpflicht gehalten. Im Bus seien es anfangs rund 95 Prozent gewesen, in Trams etwa 85 Prozent und zwischen 90 und 95 Prozent in der U-Bahn. Gut vergleichbar seien die Zahlen aus dem April mit den neuesten aus dem Juni zwar nicht, weil im April die Haltestellen nicht mitgezählt wurden. Dennnoch zeige sich ein leichter Trend, die Corona-Regeln weniger ernst zu nehmen.  

Fahrgäste würden mit einem Ticket auch ein Recht auf Beförderung kaufen, sagt Nelken. Und die Regeln der Corona-Verordnung durchzusetzen, sei zudem nicht Sache der BVG, sondern die des Senats und der Bezirksämter. Aber Kontrolleure würden in der Bahn und in Bussen Fahrgäste ohne Maske ansprechen. "Manchmal haben Kontrolleure auch Masken dabei, zum Beispiel für Obdachlose. Sicherheitsleute können aber Fahrgäste ohne Masken auch die Weiterfahrt verbieten", so Nelken, ein einheitliches Vorgehen gebe es dabei nicht. Erst zu Beginn der Woche habe die BVG eine Erhebung gestartet, wie viele Fahrgäste wegen fehlender Masken Busse, Bahnen und Trams verlassen mussten. Zahlen lägen noch keine vor. 

Keine Auskunft, wie viele Corona-Verstöße geahndet wurden

Ob die Zahlen der BVG für Polizei und Ordnungsämter ein Grund für vermehrte Kontrollen und Bußgelder sind, ist bislang unklar, im Corona-Bußgeldkatalog, der unabhängig von der Eindämmungsverordnung beschlossen wurde, gibt es dazu keinen Passus. Bereits am Dienstag hatte der rbb nachgefragt, ob überhaupt schon Verstöße gegen die Maskenpflicht oder andere Regeln der Corona-Verordnung geahndet wurden. Weder die Polizei noch Innensenator Andreas Geisel gaben Auskunft darüber. Stattdessen gab es Stunden später die Nachricht: Der Senat habe bewusst keine Geldbußen eingeführt.

Aus psychologischer Sicht sei die sinkende Bereitschaft unter anderem mit der Dauer der Maßnahmen zu erklären, sagt Florian Kutzner, Professor für Psychologie an der Uni Heidelberg im rbb. "Manche Maßnahmen, wie soziale Kontakte zu reduzieren, machen unser Leben einfach weniger schön. Wenn ich da auf Dauer mitmachen soll, brauche ich schon eine hohe Sicherheit, dass es das Richtige ist, was ich tue", so Kutzner.

Bereitschaft zur kritischen Bestandaufnahme

Eine Voraussetzung für die Akzeptanz der Maßnahmen sei unter anderem eine Bereitschaft der Politik, kritisch zu reflektieren, welche Maßnahmen noch nötig sind und welche nicht. "Die Grundlagen für diese Entscheidungen müssen komplett offengelegt werden, es genügt nicht mehr einfach zu sagen, dass Wissenschaftler etwas empfohlen haben", so Kutzner. Es müsse auch transparent sein, um welche Wissenschaftler es sich handle.

Unabhängig von der Akzeptanz und Kontrolle gilt aber nach wie vor, laut Berliner Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus, die sogenannte Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Sendung: Inforadio, 11.06.2020, 14 Uhr

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Antwort auf [DS] vom 13.06.2020 um 09:10
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