Regeln zur Virus-Eindämmung missachtet - Scharfe Kritik an Corona-Demo auf dem Landwehrkanal

Di 02.06.20 | 12:40 Uhr
Ravekultur Retten! Wasserdemo - Rebellion der Träumer, vor dem Urbankrankenhaus in Berlin Kreuzberg
Bild: Eventpress Porikys/dpa

Mit ein paar Booten wollten Fans der Berliner Rave-Kultur am Sonntag für den Erhalt der corona-gebeutelten Clubs demonstrieren. Am Ende versammelten sich aber viel mehr Menschen - dicht beieinander und meist ohne Mundschutz. Nun hagelt es Kritik.

Nach einer Boots-Demonstration zu Pfingsten auf dem Berliner Landwehrkanal mit bis zu 400 Booten ist der Veranstalter "Rebellion der Träumer" massiv in die Kritik geraten. Die Versammlung "Für die Kultur - Alle in einem Boot" war von der Spree über den Landwehrkanal nach Kreuzberg gezogen. Laut Veranstalter sollte unter anderem auf die Bedrohung der Club-Kultur aufmerksam gemacht werden. Allerdings nahmen statt der angemeldeten 100 Personen rund 3.000 teil, oftmals ohne Mundschutz und ohne den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten.

Polizei setzte auf Deseskalation

Laut Polizei wurde die Demo vom Veranstalter aufgelöst.  Dieser habe die Teilnehmenden zunächst mehrmals aufgefordert, die Abstände einzuhalten. Das aber habe nicht geklappt - der große Andrang habe den Veranstalter offenbar überfordert, sagte eine Polizeisprecherin am Dienstag auf Nachfrage des rbb. "Aufgrund der nicht eingehaltenen Abstände zueinander und von Beschwerden über zu laute Musik, beendete der Anmelder nach einem Gespräch mit der Polizei seine Versammlung gegen 17.35 Uhr", so die Polizei. Allerdings habe es bis 21 Uhr gedauert, den Landwehrkanal und das Ufer zu räumen.

Anders als bei den Corona-Demonstrationen am Samstag wurden laut Polizei keine Ordnungswidrigkeiten festgestellt oder Strafanzeigen gestellt. Das geschehe nur, wenn Personen "den Anweisungen der Polizei nicht folgt", so die Polizeisprecherin, "vor allem, wenn man sich gar nicht einsichtig zeigt". Die Beamten seien bemüht, "Augenmaß und Fingerspitzengefühl" zu zeigen. So habe es vor allem auf dem Landwehrkanal einfach lange gedauert, bis die Paddel- und Schlauchboote wegbewegt werden konnten.

Der Bußgeldkatalog zur Eindämmungsverordnung gilt weiterhin, hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) vergangene Woche deutlich gemacht. Kritik des Verfassungsgerichts sei umgesetzt und die entsprechenenden Paragraphen soprachlich angepasst worden, so Geisel. In Berlin drohen bei Verstößen gegen die Corona-Auflagen bis zu 25.000 Euro Bußgeld.

Clubcommission kritisiert Veranstalter

Die Berliner Clubcommission distanzierte sich von der Demo und rief die Teilnehmer auf, vorübergehend weniger Menschen zu treffen. "Um das Risiko einer Ausbreitung einer möglichen Infektion zu unterbinden, bitten wir alle Teilnehmer*Innen der Demo ihre sozialen Kontakte in den nächsten 14 Tagen auf ein Minimum einzuschränken - insbesondere beim Umgang mit älteren oder kranken Menschen", teilte das Gremium in sozialen Medien mit.

Die Veranstalter hätten "zweifellos gute Intentionen" gehabt, hieß es im Statement der Clubcommission. "Boote mit Beschallung und Redebeiträgen auf dem Wasser - und das lange Spreeufer sollte dazu dienen, dass die Teilnehmer*Innen ausreichend Abstand halten können."
Leider sei der Plan nicht aufgegangen und es seien deutlich mehr Menschen gewesen als erwartet. Die Demo stehe im Kontrast zu ihren Bemühungen, im Rahmen ihrer "United We Stream"-Kampagne Bewusstsein zu schaffen und Social Distancing einzuhalten, hieß es.

Kalayci: "Grob fahrlässig"

Scharfe Kritik kam auch von Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). "Ich bin entsetzt über die Bilder vom Wochenende", teilte Kalayci am Dienstag mit. "Die Partyszene und die Clubs waren die Hotspots in Berlin zu Beginn der Ausbreitung des Coronavirus. Es war richtig und wichtig diese frühzeitig zu schließen, um die schnelle und unkontrollierte Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern." Kalayci bat um Verständnis für die schwierige wirtschaftliche Lage der Clubs. "Dafür gibt es finanzielle Hilfen. Aber das, was am Wochenende auf dem Landwehrkanal passierte, ist in Pandemiezeiten grob fahrlässig."

Clubs hätten die Möglichkeit, finanzielle Hilfe von Land und Bund zu beantragen. "Ich habe es am Anfang der Pandemie gesagt und sage es heute, es ist nicht die Zeit für Partys", so Kalayci. "Das Virus ist nach wie vor da und eine Gefahr für die Gesundheit aller Menschen!"

Kritik auch von der Bezirksbürgermeisterin

Auch die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne) kritisierte die Demo-Teilnehmer. Der Urbanhafen biete sich "grundsätzlich nicht an" für solche Aktionen, schrieb Herrmann auf Twitter. "Dort ist nämlich ein Krankenhaus, in dem Menschen auch um ihr Leben kämpfen und da finde ich derartige Partys einfach unangebracht."

Kalayci wies darauf hin, dass die Corona-Ampel des Senats am Dienstag erneut auf rot springen könnte. Die Reproduktionszahl, die die Ausbreitung des Virus anzeigt, habe in den vergangenen beiden Tagen über dem Grenzwert 1,2 gelegen. Kommt ein dritter Tag hinzu, springt eiine der drei Ampeln auf rot. Sind zwei von drei Ampeln rot, will der Senat Lockerungen zurücknehmen. "Riskieren wir nicht die erreichte Eindämmung des Virus", appellierte Kalayci, "riskieren wir nicht aufs Gefährlichste unsere Gesundheit und letztlich unsere Freiheiten, halten wir uns alle an Abstands- und Hygieneregeln und tragen Mund-Nasen-Bedeckung."

Florian Kluckert, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, kommentierte: "Die Veranstaltung zeigte deutlich, dass die Politik wohl kaum verantworten kann Clubs wieder zu öffnen, solange die Besucher zu Eigenverantwortung weder bereit noch in der Lage sind." Er kritisierte zugleich den Senat: Dieser erlasse Verordnungen, "an die sich viele dann nicht halten und auch keine Konsequenzen zu befürchten haben".

Veranstalter bitten um Entschuldigung

Auf Facebook räumten die Veranstalter am Montag ein, Fehler gemacht zu haben. Man sei "überwältigt von der breiten Unterstützung" gewesen, man hätte für "ein umfassenderes Sicherheitskonzept, auch in Zusammenarbeit mit den Behörden" sorgen müssen. "Wofür wir uns ganz deutlich Entschuldigen möchten, ist der mehr als schlecht gewählte und symbolisch völlig unangemessen Demo-Endpunkt vor einem Krankenhaus", heißt es weiter. "Das hätten wir und die anderen beteiligten Akteure besser machen müssen. Dies tut uns leid und dafür möchten wir uns aufrichtig entschuldigen."

An der Forderung, dass Berlins Musikclubs in der Coronakrise mehr Hilfe benötigen, halte man jedoch fest. "Wir fordern eine offene Debatte darüber, wie Vermögende von Amazon bis Immobilienwirtschaft an den Kosten der Krise beteiligt werden können."

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Antwort auf [M. ] vom 03.06.2020 um 07:10
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