Bei jedem Schnupfen zum Arzt? - Corona-Tests verursachen Andrang bei Haus- und Kinderärzten

Di 01.09.20 | 20:51 Uhr
Symbolbild: Eine Ärztin untersucht ein Mädchen mit einem Stethoskop (Bild: dpa/Patrick Pleul)
Audio: Inforadio | 02.09.2020 | Nico Hecht | Bild: dpa/Patrick Pleul

Der Herbst naht, und damit auch die Zeit der niesenden und hustenden Kita- und Schulkinder. Viele Kinder müssen dann einen negativen Corona-Test vorlegen, bevor sie wieder in ihre Klassen oder Gruppen dürfen. Ein Problem für viele Eltern - und Ärzte. Von Nico Hecht

Nach drei Wochen Schule rätseln viele Eltern in Berlin immer noch: Wie muss ich eigentlich in diesem Corona-Jahr reagieren, wenn mein Kind niest oder hustet?

Da seien die Eltern verunsichert und beinahe hilflos, weil Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sie dabei im Unklaren lasse, sagt Thorsten Stadler, Eltern-Sprecher an einer Schule in Tempelhof. "Weil von der Senatsverwaltung oder von Frau Scheeres einfach einiges, was man doch einheitlich für ganz Berlin regeln könnte, einfach auf die einzelnen Schulen abgeladen wird."

Bei jedem Schnupfen zum Corona-Test?

Von der Senatsverwaltung gebe es kaum mehr als die Vorgabe, dass kranke Kinder nicht in die Schule sollen. Eltern berichten aber, das Schulen und Kitas oft bei kleinsten Erkältungsanzeichen fordern, die Kinder zu Hause zu behalten.

Bei deutlicheren Symptomen fordern einige Einrichtungen sogar negative Corona-Tests, bevor die Kinder zurückkehren können. Auch das hätten Eltern Stadler berichtet. "Aber alle Eltern wissen, wie oft ein Kind erkältet ist. Da dann immer zu sagen: 'Oh, jetzt muss ich gleich zum Arzt und auch noch zum Test …' Warum hier so ein Aufwand gemacht wird, ist nicht und auch nicht einheitlich mit den Eltern kommuniziert."

Behandlung in Vollschutzmontur

Tatsächlich empfiehlt das Robert-Koch-Institut (RKI), bei jeder Atemwegserkrankung, unabhängig von der Schwere, einen Corona-Test. Also eine niedrigschwellige Testung. Für Kinder- und Hausärzte ist das kaum mehr zu schaffen. Sie testen bereits Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten.

Das sei viel Arbeit, sagt der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Berlin-Brandenburg, Wolfgang Kreischer. Testpersonen müssten dabei umfassend beraten, beim Praxis-Besuch von anderen Patienten separiert und in Vollschutzkleidung behandelt werden. "Wir können das auf Dauer in den Praxen nicht leisten, weil jetzt die normalen Erkältungen kommen. Vielleicht kommt auch eine Grippewelle. Und dann müssen wir bei jedem Verdachtsfall, also auch wenn jemand erkältet ist, davon ausgehen, dass es ein Corona-Fall sein könnte. Und dann in Vollmontur arbeiten."

Zu wenig Impfdosen für Risikogruppen

Bei so viel Testaufwand drohe, dass die Zeit für wirklich Kranke fehlt. Kinderärzte in Berlin berichten, dass ihre Praxen schon jetzt - also vor der Grippesaison - aus allen Nähten platzen. Was helfen würde: das Impfen, sagt Stephan Bernhardt von der Ärztekammer Berlin. Aber der Hausarzt in Berlin-Schöneberg rechnet auch vor: Alle Kinder impfen zu wollen, wie es etwa die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie empfiehlt, sei illusorisch.

Dafür gebe es gar nicht genug Impfstoff, hätte die ständige Impfkommission (Stiko) mitgeteilt. "Wir haben für dieses Jahr ungefähr 25 Millionen Impfdosen. Deswegen hat sich die Stiko dafür ausgesprochen, dass nur Risikogruppen geimpft werden sollen. Das heißt: alle Menschen über 60, alle Kinder mit Vorerkrankungen."

Allein für diese Risikogruppen wären 40 Millionen Impfdosen notwendig. Und die fehlenden Dosen nachzubestellen wäre sinnlos, so Stefan Bernhardt. Weil die Herstellung viel zu lange dauern würde.

Sendung: Inforadio, 01.09.2020, 16:40 Uhr

Was Sie jetzt wissen müssen

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um eine Antwort zu verfassen.

Antwort auf [Ramona] vom 02.09.2020 um 11:32
Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren