Warnung vor Corona-Tests aus dem Internet - "Für Laien ohne medizinische Vorkenntnisse gar nicht so einfach"

Mo 19.10.20 | 16:15 Uhr | Von Olaf Lippegaus
Blick auf einen Corona-Schnelltest (Quelle: dpa/Vincent Jannink)
Video: Supermarkt | 19.10.2020 | O. Lippegaus / A. Pecanic | Bild: dpa/Vincent Jannink

Die Arztpraxen sind voll mit Corona-Testwilligen, die Labore kommen kaum hinterher. Die Verlockung, einen Covid19-Selbsttest im Internet zu kaufen, ist daher groß. Experten halten Sets für den Hausgebrauch jedoch für problematisch.

Die derzeitige Überlastung der Berliner Gesundheitsämter hat zur Folge, dass Bürger mit Kontakten zu Corona-Infizierten teils mehrere Tage warten müssen, bis sie informiert und zu einer offiziellen Teststelle geschickt werden. Das bestätigen Anfragen des rbb-Verbrauchermagazins Supermarkt an Berliner Gesundheitsämter. Ärzte halten jedoch angesichts steigender Fallzahlen Schnelligkeit für das oberste Gebot der Stunde.

So kritisiert beispielweise Sibylle Katzenstein, Allgemeinärztin in Berlin-Neukölln, Testtermine eine Woche nach Auftreten erster Symptome würden nichts bringen. "Kontaktverfolgung kann nur funktionieren, wenn man schnell reagiert, wenn schnell getestet wird, das Labor schnell die Resultate wieder liefert und dann die Kontaktverfolgung beginnt", sagte sie dem rbb.

Viele Menschen versuchen deshalb derzeit, sich auf eigene Kosten testen zu lassen. Vor Arztpraxen und Teststellen bilden sich Schlangen, verschärft wird die Lage durch das Beherbergungsverbot, das einige Bundesländer für Reisende aus Berlin ohne negativen Corona-Test erlassen haben. In ihrer Praxis bietet Katzenstein daher Schnelltests ohne Termin an, bis zu 300 täglich. Doch die Laborkapazitäten sind mitunter schon nach zwei Stunden Sprechzeit erschöpft.

Entnahme und Auswertung sind entscheidend

Einen Ausweg wollen Firmen anbieten, die im Internet zum Preis von 150 bis 250 Euro sogenannte PCR-Tests anbieten. Es sollen die gleichen sein, die auch Ärzte und Testzentren nutzen, heißt es. Die rbb-Sendung Supermarkt hat diese Alternative von Christine Wagner beurteilen lassen, die im Neuköllner Gesundheitsamt den Pandemiestab leitet - und sie ist skeptisch. "Wenn ein Test nicht korrekt durchgeführt wurde und man ein negatives Ergebnis erhält, kann man ja trotzdem positiv sein", so ihre Bedenken. Ein unkorrektes negatives Ergebnis könnte zum Beispiel entstehen, wenn die Auswertung im Labor nicht nach medizinischen Standards erfolgt.

Vom Anbieter wird versprochen, dass die Probe per Kurier in ein akkreditiertes Labor gebracht wird - welches das ist, erfährt der Käufer aber nicht. Außerdem hält es Wagner für riskant, dass der Rachenabstrich selbst und ohne ärztliche Anleitung gemacht werden muss: "Ich muss in die Nase und da auch ziemlich tief rein. Ich glaube, dass das für einen Laien ohne medizinische Vorkenntnisse gar nicht so einfach ist", sagt sie. "Ich habe einfach die Befürchtung, dass da viele falsche negative Ergebnisse vorliegen von Menschen, die vielleicht doch infiziert sind."

Antigen-Schnelltests für Medizinpersonal gedacht

Auch die mit 20 Euro vergleichsweise günstigen neuen Antigen-Schnelltests sind keine Alternative, denn sie sind vorerst nur für medizinisches Personal gedacht. Anders als bei normalen PCR-Tests wird hier nicht das Erbmaterial des Virus nachgewiesen, sondern seine Proteine. Dadurch sind sie weniger exakt, dafür aber wesentlich schneller.

Die Anwendung jedoch will geübt sein. Sich den Stab bis zur Rachenwand in die Nase zu schieben, ist nicht jedermanns Sache. Der Rest funktioniert ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest: Abstrich in die Lösung und dann auf den Teststreifen tröpfeln. Nach wenigen Minuten liegt das Ergebnis vor.

Katzenstein, die in ihrer Praxis nur die regulären PCR-Tests durchführt, findet die Ergebnisse aber vielversprechend: "Die Situation ist doch so, dass man morgens irgendwie vielleicht mit etwas Kopfschmerzen und verschnupft aufwacht und nicht weiß: Kann ich das jetzt riskieren, zur Arbeit zu gehen? Wenn man diesen Schnelltest zu Hause selber durchführen könnte, hat man vielleicht keine hundertprozentige Sicherheit, aber wenn es eine 95-prozentige Sicherheit ist, reicht das."

Preise in Privatpraxen schwanken

Für einen freiwilligen Test bleibt also der Gang zum Arzt vorerst die sichere Lösung. Die Preise dafür schwanken zwischen 100 und 180 Euro. Michael Müller vom Verband der akkreditierten Labore bestätigte dem rbb, dass die Laborsätze zwar festgelegt sind, wieviel jedoch die Ärzte für ihre Leistung kalkulieren, schwankt je nachdem, wie die Gebührenordnung angewendet wird. "Wenn für die Leistung keine Gebührenordnungsziffer da ist, gibt es die Aufgabe, die analog zu bewerten. Und so wenden alle Ärztinnen und Ärzte diese Gebührenordnung für Ärzte dann an, und dann kann es sein, dass für den Endverbraucher, eine unterschiedliche Perspektive entsteht."

Sendung: Super.Markt, 19.10.2020, 20:30 Uhr

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Beitrag von Olaf Lippegaus

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