Gesundheitsämter in Berlin und Brandenburg - Bundeswehr hilft mit 460 Soldaten in der Region

Do 15.10.20 | 17:23 Uhr
Soldaten des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung werten am 02.06.2020 im Gesundheitsamt Berlin-Mitte an Computern die Daten zur Corona-Kontaktverfolgung aus. (Quelle: dpa/Carsten Koall)
Audio: Inforadio | 15.10.2020 | Ansgar Hocke | Bild: dpa/Carsten Koall

Ohne den Einsatz mehrerer Hundert Bundeswehrsoldaten hätten viele Gesundheitsämter der Region wohl schon längst die Belastungsgrenze überschritten. Das zeigt eine Umfrage von rbb24 Recherche. Von Ansgar Hocke

In der Region Berlin Brandenburg unterstützen derzeit 460 Bundeswehrsoldaten die Arbeit in den Gesundheitsämtern, vor allem bei der Nachverfolgung von Corona-Kontakten. Das ergab eine Umfrage von rbb24 Recherche unter den Bezirken Berlins und den Landkreisen Brandenburgs.

Die meisten Bundeswehrsoldaten sind im Bezirk Mitte tätig. Dort leisten 94 Soldaten und Soldatinnen ihren Dienst und helfen bei Corona-Tests und bei der Kontaktverfolgung. Das Gesundheitsamt benötigt trotzdem dringend mehr qualifiziertes Personal, um langfristig die Pandemie zu bekämpfen. Im Monat September mussten über 3.000 Kontakte von möglichen Infizierten nachverfolgt werden. In den ersten zwölf Tagen des Oktobers waren es bereits über 1.500 Kontakte. Der Arbeitsaufwand für diese Nachverfolgungen ist enorm, denn, so erklärt das Gesundheitsamt Mitte, um sieben mögliche Kontaktpersonen zu überprüfen, benötige man 13 Stunden.

Linke will keine Bundeswehr in Neukölln

In Steglitz-Zehlendorf unterstützen 15 Soldaten und Soldatinnen das Gesundheitsamt. Trotz der Hilfe ist die Grenze der Belastbarkeit erreicht: "Wir werden aktuell die Wochenenddienste ausweiten und weiteres Personal akquirieren", so Carolina Böhm, die Dezernentin für Gesundheit in Steglitz-Zehlendorf.

Was für eine Herkulesarbeit die Gesundheitsämter stemmen, zeigt sich in Neukölln, dem Spitzenreiter in der Corona-Statistik. Dort sind seit September 16.666 Personen kontaktiert worden, um zu ermitteln welches Risiko vorliegt und was zu tun ist. Für Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) steht fest, dass die 27 Soldaten und Soldatinnen in Neukölln große Hilfe leisten und dringend benötigt werden: "Selbstverständlich brauchen wir sie", sagt der Stadtrat. Anders sieht dies die Fraktion Die Linke in seinem Bezirk: Sie sprach sich gegen den Einsatz von Bundeswehrsoldaten aus. Es sei "fatal", Soldaten für zivile Aufgaben zu beschäftigen. Die Betroffenen erwarteten in dieser Situation vor allem "Vertrauen und Schutz".

Es bleibt dabei: Keine Bundeswehr in Kreuzberg - Friedrichshain

In elf Berliner Bezirken unterstützen Soldaten die Gesundheitsämter, nur Friedrichshain-Kreuzberg lehnt weiterhin den Einsatz der Bundeswehr ab. So hatte es die Bezirksverordnetenversammlung beschlossen. Auf einer vor kurzem einberufenen Personalversammlung gab es von Seiten der Beschäftigten keine Einwände gegen den BVV-Beschluss zu hören. Das Gesundheitsamt befinde sich mitten im Kiez: "Da passen Uniformen nicht zu den Kreuzberger Befindlichkeiten", so ein Vertreter des Personalrates. Auf Nachfrage von rbb24 Recherche bestätigte das Gesundheitsamt, dass ausreichend Personal vorhanden sei: "Das Amt hält mehr als das geforderte Personal zur Kontaktnachverfolgung vor."

Auch in Charlottenburg-Wilmersdorf reicht das derzeit vorhandene Personal nach Angaben des Bezirks aus. Allerdings arbeiten dort über 20 Soldatinnen und Soldaten. Um die Belastung der Mitarbeiter zu reduzieren, will der Bezirk bei weiter steigenden Fallzahlen seine Strategie ändern und Kontaktpersonen erst dann testen, wenn sie Symptome zeigen. Außerdem werde man sich bei der Pandemieeindämmung auf besonders schützenswerte Gruppen konzentrieren, heißt es in der Antwort an rbb24 Recherche.

Potsdam bräuchte bis zu 30 zusätzliche Mitarbeiter

"Wir befinden uns im Dauereinsatz", so die Auskunft aus dem Gesundheitsamt in Potsdam. Eine Entlastung sei schnell erforderlich, denn die Fallzahlen und die Nachverfolgungen der Kontaktpersonen steigen vor allem durch die Kontakte und durch die Besuche der Potsdamer in Berlin. Für die Hotline und für die Nachverfolgung wären bis zu 30 Personen zusätzlich erforderlich: "Der Bedarf wird aktuell mit 10 Soldatinnen und Soldaten gedeckt", erklärt der Sprecher der Landeshauptstadt Jan Brunzlow. Im Kreis Potsdam Mittelmark müssten für die Fallermittlung und die Nachverfolgung der Kontaktpersonen statt der 11 mindestens 60 Beschäftigte im Einsatz sein: "Davon sind wir weit entfernt - auch mit dem Einsatz der Bundeswehr", berichtet der Sprecher des Landkreises Kai-Uwe Schwinzert.

Der Landkreis Spree-Neiße, der 169 Personen in Quarantäne betreut, benötigt mehr Fachkräfte im Bereich der Hygiene und hofft darauf, dass die Zahl der Soldaten aufgestockt wird. Auch der Landkreis Dahme-Spreewald, wo über 350 Menschen in Quarantäne sind, teilt mit, dass das Gesundheitsamt an der Grenze der Belastbarkeit angekommen sei: "Die Lage ist dynamisch und verändert sich täglich, denn die Fallzahlen steigen."

Cottbus: "Wir sind am Limit"

Verschärft sich die Lage weiter, dann ist auch Frankfurt (Oder) dringend auf weitere Unterstützung angewiesen. Bisher ist die Bundeswehr dort nicht im Corona-Einsatz. Im Landkreis Oberspreewald-Lausitz dagegen ist sie mit fünf Soldaten im Gesundheitsamt präsent: "Wir haben die höchste Zahl an nachweislich Infizierten", so der Landkreis. "Die Kontaktverfolgungen binden immense Kapazitäten."

Und in Cottbus, dem ersten Corona-Risikogebiet in Brandenburg, helfen ebenfalls fünf Bundeswehrangehörige: "Wir sind am Limit und steuern aus dem Verwaltungspersonal nach. Es muss flexibel reagiert werden", kommentiert Jan Glossmann von der Stadtverwaltung die Situation.

Datenrecherche: Anna Geßner

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.10.2020, 16 Uhr

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Antwort auf [Björn] vom 15.10.2020 um 19:35
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