Interview | Schulleiter Ralf Treptow - "Die Lehrer wissen seit ewigen Zeiten, wann sie lüften müssen"

Do 22.10.20 | 08:20 Uhr
Symbolbild: Eine Schülerin öffnet mit einer Mund-Nasen-Bedeckung das Fenster. (Quelle: dpa/Daniel Bockwoldt)
dpa/Daniel Bockwoldt
Audio: Radioeins | 21.10.2020 | Interview mit Ralf Treptow | Bild: dpa/Daniel Bockwoldt Download (mp3, 5 MB)

Nächste Woche fängt die Schule in Berlin und Brandenburg wieder an, trotz steigender Corona-Zahlen mit voller Besetzung. Die Anweisung bis jetzt: Dick anziehen und Fenster auf. Für den Notfall gibt es einen Stufenplan. Schulleiter Ralf Treptow überzeugt das nicht.

rbb: Herr Treptow, was wird denn in Bezug auf Lüften an Ihrer Schule nach den Herbstferien besser sein als vor den Herbstferien?

Ralf Treptow: Letztlich gar nichts, außer dass es draußen kälter ist und die Kinder sich dann wahrscheinlich wärmer anziehen müssen. Aber ansonsten wird nichts besser sein.

Studien zeigen, dass mobile Lüftungsanlagen wirken. Wäre das für Schulklassen denkbar, gibt es vielleicht sogar Pläne und Geld dafür?

Mobile Lüftungsanlagen sind sicherlich wirksam. Aber bei einer Klassenraumgröße von, sagen wir mal 60 Quadratmetern und einer Höhe von mehr als drei Metern - da sind wir bei 200 Kubikmeter Luftraum – müsste man schon Anlagen reinstellen, die pro Raum um die 6.000 Euro kosten dürften. Ich habe ungefähr 80 Räume. Das ist ein Vielfaches eines Jahreshaushalts meiner Schule.

Und dann könnte ich nichts weiter machen, als Lüftungsanlagen kaufen: Kein Papier, keine Kopierkosten, keine Bücher, keine technischen Instrumente, keine Möbel, sondern nur Lüftungsanlagen. Das kann die Schule nicht leisten. Und deshalb ist das im Bereich der Utopie.

Sie persönlich sind ja auch an einer Schule in Berlin. Bayern hat tatsächlich 50 Millionen Euro für Lüftungsanlagen und CO2-Ampeln in Schulen und Kitas angekündigt. Wäre das denn auch für Berlin denkbar?

Die 50 Millionen werden auch in Bayern nicht reichen. Man kann ja mal ausrechnen, für wieviele Schulen die ausreichen würden, um alle Räume mit Lüftungsanlagen zu versehen. Die CO2-Ampeln, die jetzt beschafft werden, sind natürlich gelinde gesagt Unfug, denn die sagt ja nichts weiter als dass die Konzentration von Sauerstoff derart abgenommen hat, dass man lüften sollte. Ich meine, das wissen die Lehrer auch seit ewigen Zeiten, wann sie lüften sollen. Und wir wissen, dass wir alle 20 Minuten für fünf Minuten die Fenster aufmachen müssen. Das wird also letztlich nichts bringen außer vielleicht die Disziplin beim Lüften zu erhöhen.

Sie sehen, dass ich ein bisschen bisschen verzweifelt bin, weil wir an der Stelle nicht so sehr viel erreichen werden.

Und was halten Sie von den neuen Notfallplänen?

Da ist direkt vor den Ferien etwas geschehen. Die Senatorin hatte ja bis dahin immer nur Normalbetrieb beziehungsweise Szenario B – so nannte sie das – also Halbierung der Klassen. Vor den Ferien sind zwei Zwischenstufen eingeführt worden, nämlich Gelb und Orange, bevor dann die Stufe Rot - das Szenario B - die Halbierung der Klassen, eintritt.

Momentan soll die Schulaufsicht im Zusammenwirken mit dem Gesundheitsamt entscheiden, ob zum Beispiel an einer Schule die Maskenpflicht im Unterricht eingeführt wird. Als Schulleiter sage ich, das ist Unfug. Das Gesundheitsamt ist möglicherweise für einen Schüler aus der Schule zuständig. Bei mir wären es acht Gesundheitsämter, die zuständig sind, denn ich habe Schülerinnen und Schüler aus acht Bezirken. Übrigens habe ich dann noch mehrere Lehrer, die in den restlichen vier Bezirken wohnen.

Ich müsste also mit allen Gesundheitsämtern dieser Stadt zusammenarbeiten. Die arbeiten selbst untereinander nicht zusammen, aber ich soll es dann tun. Und dann soll das Gesundheitsamt mit der Schulaufsicht entscheiden, ob irgendeine Zwischenstufe eintritt. Das geht alles nicht. Die Einzigen, die Verantwortung haben und die das entscheiden können, sind die Schulleiterinnen und Schulleiter. Also verändert das bitte, liebe Senatsverwaltung.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Tom Böttcher und Marco Seiffert für Radioeins.

Es handelt sich um eine bearbeitete Version des Interviews. Das komplette Gespräch können Sie hören, wenn Sie auf den Audiobutton im Titelbild klicken.

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