Interview | Covid-19-Diagnostik - "Wir sind gegen den breiten Einsatz von Schnelltests"

Do 26.11.20 | 17:26 Uhr
Schnelltests für Sars-Covid 19 (Quelle: Imago/Cezanne)
Audio: rbb 88.8. | 26.11.2020 | Interview mit Patrick Larscheid | Bild: Imago/Cezanne

Corona-Schnelltests kann man inzwischen schon im Internet kaufen. Aber wie sinnvoll und realistisch ist es, sie auch für den privaten Gebrauch einzusetzen? Patrick Larscheid, Amtsarzt von Berlin-Reinickendorf, vertritt eine eindeutige Meinung.

rbb: Herr Larscheid, wie sinnvoll ist es, Corona-Schnelltests für den privaten Gebrauch einzusetzen?

Patrick Larscheid: Es handelt sich noch immer um eine medizinische Diagnostik. Für die muss es einen Grund geben. Und diese Indikation, wie wir es nennen, sollte jemand feststellen, der sich dazu Gedanken gemacht hat. Wozu diese Antigen-Schnelltests leider überhaupt nichts taugen – auch wenn seit Monaten versucht wird, uns das weiszumachen – ist das Massentesten von Leuten, die überhaupt keine Symptome haben. Dafür sind sie nicht gedacht. Und dafür sind sie leider auch nicht geeignet.

Patrick Larscheid, Amtsarzt im Berliner Bezirk Reinickendorf, fotografiert am 05.03.2020 (Bild: dpa/Paul Zinken)
Der Mediziner Patrick Larscheid leitet das Gesundheitsamt Berlin-Reinickendorf | Bild: dpa/Paul Zinken

Wie verlässlich sind diese Corona-Schnelltests im Vergleich zu den bisher üblichen PCR-Standardtests?

Diese Tests sind in Ordnung – und wir setzen sie hier und da im medizinischen Bereich ein – wenn ein Patient eine eindeutige Symptomatik hat, eine Erkältungssymptomatik oder Atemwegssymptomatik. Dann ist die Vorhersagewahrscheinlichkeit dieses Tests hinsichtlich Covid-19 hoch. Sie ist leider schlecht, wenn ein Patient keine Symptome hat. Hier ist ein Fall, der uns gerade umtreibt: In einer Altenpflegeeinrichtung wurden neun Leute mit einem Antigen-Schnelltest getestet, alle negativ. Dann wurden sie nachgetestet mit der herkömmlichen Methode PCR, und wir fischten fünf positive heraus. Das ist verheerend, weil man sich bei symptomlosen Menschen nicht auf den Test verlassen kann. Darum sind wir gegen den breiten Einsatz. Wir sind überhaupt dagegen, dass er frei verkäuflich wird. Denn wenn ich ihn online bestellen kann, ist er frei verkäuflich.

Ich habe recherchiert: Eine Packung mit zehn Schnelltests kostet 99 Euro plus Mehrwertsteuer und Porto. Das wäre nächste Woche da.

Das bemängeln wir eben auch: Du wirst allein gelassen mit dem Testergebnis. Was ist denn, wenn er positiv ist? Wer sagt mir, was ich dann mache? Der Hersteller wird darauf verweisen, dass sich an die Gesundheitsbehörden des jeweiligen Landes, wo dieser Test gemacht wurde, zu wenden. Das hilft natürlich den Leuten nicht weiter. Man lässt sie im Prinzip alleine. Das kann auch niemand auffangen. Wir sind im Moment als Gesundheitsämter beschäftigt mit ein paar anderen Sachen. Ein allgemeines Beratungsergebnis zu besprechen, ist nicht möglich. Darüberhinaus haben wir keinen Überblick: Wie ist dieser Test gemacht worden? Haben die Leute das richtig gemacht? Wenn jemand zum Beispiel großen Bammel davor hat, sich das Abstrich-Stäbchen weit in den Hals oder die Nase zu stecken, dann ist die Testqualität schon erheblich beeinflusst.

Ich weiß nicht, ob ich das selber so könnte. Da braucht man eigentlich Hilfe…

Wenn man die Patienten anleitet – so machen wir es seit vielen tausend Abstrichen – vor dem Spiegel und mit unserer Erklärung, können sie es gut selber machen. Aber wenn man es ganz alleine macht und niemand einem Hilfestellung gibt, dann ist es zumindest fragwürdig. Und das ist nur eines von vielen Problemen.

Die Idee, flächendeckend im privaten Bereich einen Schnelltest einzusetzen, ist per se nicht schlecht. Aber es hört sich so an, als ob das gar nicht möglich ist.

Die Idee braucht halt ein Konzept. Wir wollen Dinge eingrenzen, Sachen diagnostizieren mit einem Test. Das ist immer die grundsätzliche Idee. Einfach mal einen Test zu machen, ergibt wenig Sinn. Zumal Sie ihn konsequenterweise ständig wiederholen müssten, denn Sie können heute negativ und morgen positiv sein. Und es kommt noch etwas hinzu: Wenn ein Antigen-Schnelltest positiv ist, sollte er möglichst bestätigt werden durch eine PCR-Diagnostik. Das ist Konsens in der Wissenschaft. Das ist aber diese Art von Untersuchung, wo wir im Moment vollkommen an den Kapazitätsgrenzen arbeiten, wo wir in den Gesundheitsämtern zum Beispiel nicht einmal mehr in der Lage sind, all die Patienten, die wir gerne untersuchen lassen würden, untersuchen zu können. Einfach weil kein Platz, keine Kapazitäten mehr da sind, um die Untersuchungen durchzuführen. Die Vorstellung, dass man eventuell nichtrichtige Schnelltestergebnisse überprüft mit einer PCR
– zusätzlich zu den vorhandenen Schwierigkeiten – ist nicht besonders durchdacht. Aber den Hersteller interessiert es nicht. Der Hersteller weiß, wenn er das anbietet, werden ihm die aus der Hand gerissen. Und dann wird's verkauft. Und dann ist alles für ihn erledigt. Und dann lässt er am Ende die Kunden oder vielleicht Patienten völlig im Regen stehen. Das ist nicht fair.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mit Patrick Larscheid sprach Frauke Thiel, rbb 88.8. Dieser Beitrag ist eine redaktionell bearbeitete Version des Hörfunkinterviews. Das Originalgespräch können Sie mit Klick auf das Audiosymbol im Headerfoto des Artikels nachhören.

 

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