Drohungen im Vorfeld - Demos gegen Corona-Maßnahmen in Berlin untersagt

Di 17.11.20 | 19:12 Uhr
Polizisten räumen die Treppen welche zum Reichstagseingang führen nach dem gescheiterten Aufruf den Reichstag zu stürmen (Quelle: imago images/Jean-Marc Wiesner)
Audio: Radioeins | 17.11.2020 | Max Käther | Bild: imago images/Jean-Marc Wiesner

Mehr als ein Dutzend Demos von Gegnern der Corona-Maßnmahmen waren für Mittwoch im Berliner Regierungsviertel angemeldet. Nun wurden die meisten untersagt: Im Vorfeld habe es konkrete Drohungen vor allem gegen den Bundestag gegeben.

Mehrere für Mittwoch nahe des Bundestags in Berlin angekündigte Proteste gegen die Reform des Infektionsschutzgesetzes sind von der Bundesregierung verboten worden. Das Innenministerium lehnte nach eigenen Angaben am Dienstag zwölf Anträge auf Kundgebungen im Einvernehmen mit Bundestag und Bundesrat ab. Zuvor hatte es Warnungen vor Ausschreitungen gegeben.

In einem am Dienstag verschickten Schreiben des Sicherheitsbeauftragten des Bundestages an die Abgeordneten hieß es, die angemeldeten Versammlungen gäben auf Grundlage einer Gefährdungseinschätzung des Berliner Landeskriminalamtes Anlass zur Sorge, "dass der Parlamentsbetrieb beeinträchtigt wird, weil sowohl mit Angriffen auf die Gebäude des Deutschen Bundestages und auch auf Personen" zu rechnen sei.

Am Mittwoch wollen Bundestag und Bundesrat Änderungen am Infektionsschutzgesetz beschließen.

Umstrittener neuer Paragraf im Infektionsschutzgesetz

Zudem soll ein neuer Paragraf 28a ins Gesetz eingefügt werden, der im Detail auflistet, welche Schutzmaßnahmen von Landesregierungen und zuständigen Behörden gegen das Coronavirus verordnet werden können.

Das sind etwa Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebote, eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum oder auch Beschränkungen oder Schließungen von Geschäften und Veranstaltungen - also Vorgaben, die in der Corona-Pandemie auch bereits in verschiedenen Verordnungen gemacht wurden.

Opposition, Wirtschaftsverbände und Juristen kritisieren das Vorhaben. Sie sehen zu starke Eingriffe in die Grundrechte und fordern mehr Mitsprache der Parlamente bei den Corona-Maßnahmen.

Veranstalter befürchten angeblich Krawalle

Bereits vor dem Verbot hatte am Dienstag das impfkritische "Netzwerk Impfentscheid Deutschland" seine angemeldete Demonstration vor dem Berliner Reichstagsgebäude, dem Sitz des Bundestags, abgesagt. Das bestätigte die Polizei.

Grund für die Absage ist laut einer Nachricht des Veranstalters im Messengerdienst Telegram "das Risiko gewalttätiger Auseinandersetzungen nach einer massiven Mobilisierung links- und rechtsextremistischer Gruppen".

Wohnsitz von Hildmann durchsucht

Laut der Nachrichtenplattform "Business Insider" hat die Bundestagsverwaltung Abgeordneten und Mitarbeitern geraten, am Mittwoch im Regierungsviertel nicht auf die Straße zu gehen. "Es wird empfohlen, für den Wechsel zwischen den Kernliegenschaften die Unterirdischen Verbindungswege zu nutzen", zitiert das Nachrichtenportal aus einem Schreiben der Verwaltung.

Am Dienstag durchsuchten Ermittler des Brandenburger Staatsschutzes und der Polizeidirektion Ost die Wohnung des rechtsextremen Verschwörungsideologen Attila Hildmann im Barnim. Die Durchsuchung sei zum Zweck der Gefahrenabwehr auf Antrag der Staatsanwaltschaft Cottbus vom Amtsgericht Bernau (Barnim) angeordnet worden, bestätigte der Sprecher des Polizeipräsidiums, Torsten Herbst, am Dienstag auf Anfrage.

Die acht Beamten hätten sechs Laptops und Computer, mehrere Mobiltelefone und weitere Speichermedien beschlagnahmt, sagte Herbst. "Das Ziel war, die Begehung weiterer Straftaten im Internet zu erschweren", berichtete Herbst. Außerdem hätten die Beamten eine Gefährderansprache gehalten. Der Beschluss des Gerichts fuße auf einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Cottbus unter anderem zum Vorwurf der Volksverhetzung.

Mehrere große und kleine Demos angekündigt

Die Polizei sprach vor dem Verbot von einem "sehr komplexen Versammlungsgeschehen". So seien unter anderem zwei größere Versammlungen von Gegnern der Corona-Maßnahmen mit je 1.000 Teilnehmern geplant gewesen. Ein Aufzug sollte demnach am Mittwochvormittag im Regierungsviertel starten, der zweite gegen Mittag am Potsdamer Platz. Es seien zudem viele kleinere Gegenproteste geplant gewesen, hieß es.

Bei Versammlungen innerhalb des befriedeten Bezirks, also der sogenannten Bannmeile um Gebäude der Verfassungsorgane, wird das Bundesinnenministerium in die Entscheidung über eine Genehmigung eingebunden.

Slowik hatte entschiedene Maßnahmen angekündigt

Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte am Montag eine harte Gangart der Polizei bei den für Mittwoch geplanten Demonstrationen in Berlin angekündigt. Er würden "deutliche Maßnahmen" ergriffen, um die Einhaltung der Corona-Regeln wie die Maskenpflicht zu kontrollieren.

"Wir werden alles daran setzen, keine Versammlungen ohne Mund-Nasen-Schutz zuzulassen", sagte Slowik im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Sollte es dennoch dazu kommen, werde die Polizei diese schnellstmöglich auflösen. Bilder wie vor einer Woche in Leipzig oder im August vor dem Reichstag wolle man unbedingt vermeiden. "Wir werden und müssen über andere Maßnahmen als üblich nachdenken." Den Einsatz von Wasserwerfern lehnte Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Innenausschuss ab.

Jüngste Corona-Demos eskalierten häufig

In den vergangenen Wochen waren mehrmals Demonstrationen von Gegnern der Corona-Maßnahmen eskaliert und in Gewalt umgeschlagen. In Leipzig versammelten sich vor einer Woche mindestens 20.000 Demonstranten. 90 Prozent der Teilnehmer trugen laut Polizei keine Masken, obwohl sie in Sachsen bei Demonstrationen verpflichtend vorgeschrieben sind. Die Kundgebung wurde aufgelöst, danach erzwangen die Demonstranten einen Gang über den Leipziger Ring. Die Polizei versuchte vergeblich, sie zu stoppen. An Polizeisperren gab es Rangeleien, es flogen Böller. Unter den Demonstranten waren auch Gruppen von Neonazis und Hooligans.

Auch am vergangenen Wochenende gab es in mehreren deutschen Städten Proteste gegen die geltenden Corona-Maßnahmen. In Frankfurt am Main drängte die Polizei die Teilnehmer einer "Querdenken"-Kundgebung sowie Gegendemonstranten mit Wasserwerfern und vereinzelt mit Schlagstöcken zurück. Die Versammlung der rund 600 "Querdenker" auf dem Rathenauplatz wurde abends aufgelöst. Die von der Stadt verhängten Auflagen, insbesondere der geforderte Mindestabstand sowie die Maskenpflicht, seien "trotz mehrfacher Aufforderung" nicht eingehalten worden. Als sich die Teilnehmer der Kundgebung weigerten, den Platz zu verlassen, setzte die Polizei Wasserwerfer ein.

Sendung: Abendschau, 17.11.2020, 19:30 Uhr

Was Sie jetzt wissen müssen

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren