Kritik an Test- und Impfstrategie - Träger der Behindertenhilfe erhöhen Druck auf Senat

Fr 27.11.20 | 07:38 Uhr
Ein Mann arbeitet in der Metallwerkstatt der Union Sozialer Einrichtungen (USE) an einem Modell des Reichstages (Bild: dpa/Lennart Stock)
Bild: dpa

Mit Briefen haben sich nun Dutzende Träger der Behindertenhilfe an den Berliner Senat gewandt. Ihre Kritik: Bei der Corona-Teststrategie seien sie vergessen worden. Und sie befürchten, dass sich das wiederholen wird, wenn ein Impfstoff da ist. Von Sebastian Schöbel

Dutzende Träger von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung haben den Berliner Senat aufgefordert, seine Test- und Impfstrategie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu überarbeiten. In Briefen an Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) und Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) fordern sie mehr Unterstützung unter anderem bei der Beschaffung von Tests und beim nötigen Personal, sowie bürokratische Erleichterungen.

Die existierende Teststrategie sei lückenhaft und die Träger fühlten sich beim Einsatz der Antigen-Schnelltests alleingelassen, sagte die Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Barbara Eschen, dem rbb. So sei bisher die Vorgabe, dass nur medizinisches Pflegepersonal die Schnelltests durchführen könne. "In den Einrichtungen der Behindertenhilfe arbeiten aber keine Pflegefachkräfte, also ist eigentlich keiner da, der den Test durchführen kann."

Bereits jetzt sei die Sorge vieler Betreiber groß, so Eschen, dass Einrichtungen für Menschen mit Behinderung auch vergessen werden, wenn demnächst zugelassene Impfstoffe ausgerollt werden.

Träger greifen zu Notlösungen

Eschen bestätigte damit die Kritik des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, über den rbb|24 bereits vergangene Woche berichtet hatte. Wie der rbb erfuhr, behelfen sich viele Einrichtungen inzwischen selbst: Sie führen die Tests ohne das eigentlich vorgeschriebene Pflegepersonal durch oder haben pensionierte Pflegekräfte um Hilfe gebeten.

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales verwies darauf, dass Schnelltests bereits beschafft und einsatzbereit seien. Träger erhielten "auf Grundlage ihres Testkonzepts die zwei- bis dreifache Menge an Schnelltests, damit sie in den kommenden zwei bis drei Monaten damit testfähig sind", sagte eine Sprecherin der Verwaltung auf Nachfrage des rbb. "Notfälle bei Schnelltests werden tagesgleich geliefert." Bedingung sei jedoch, dass in den Einrichtungen qualifiziertes Personal vorhanden" sei. "Wenn das nicht der Fall ist, organisiert unser Krisenstab in Amtshilfe solches von anderer Stelle und vermittelt es dann", so die Gesundheitsverwaltung.

"Um jeden Test muss gekämpft werden"

In einem Brief an Arbeitssenatorin Breitenbach, der dem rbb vorliegt, wird die aktuelle Lage allerdings anders dargestellt. Darin kritisieren über 40 Träger der Behindertenhilfe, dass sie die Schnelltests selbst organisieren müssen und dabei teils hohe bürokratische Hürden zu überwinden hätten. "Um jeden Test muss gekämpft werden", heißt es in dem Brief. "Wir müssen langwierig erklären, warum es zum Beispiel notwendig ist, Tests in den besonderen Wohnformen durchzuführen und dass auch Menschen mit Behinderungen Kontakte außerhalb ihrer Wohnung pflegen und einer Arbeit oder Beschäftigung nachgehen." Zudem habe man lange auf Eckkonzepte für die vorgeschriebenen Testkonzepte warten müssen, dabei sei die nationale Teststrategie bereits vor über einem Monat beschlossen worden.

Auch bei der Beschaffung sei nur an Pflegeheime und die Obdachlosenhilfe, nicht aber an Menschen mit Behinderung gedacht worden. "Bei dem Versuch, Schnelltests über den Markt zu beschaffen, sind wir mit Lieferengpässen konfrontiert. Derweil versuchen wir, die Leistungserbringung aufrechtzuerhalten, so gut es geht."

12,6 Millionen Schnelltests

Das Land Berlin will insgesamt 12,6 Millionen Corona-Schnelltests beschaffen, das Abgeordnetenhaus stellte dafür zuletzt 71 Millionen Euro bereit. Die ersten 260.000 Tests wurden an Pflegeeinrichtungen und die Wohnungslosenhilfe verteilt. Nach Angaben der Gesundheitsverwaltung sollen noch 2020 sechs Millionen Schnelltests für 33,66 Millionen Euro beschafft werden. Für 2021 seien weitere 6,58 Millionen der sogenannten Antigen-Schnelltests für 36,96 Millionen Euro geplant.

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