Einschätzung von Berliner Intensivmediziner - Charité im Notbetrieb: "Andere Kliniken werden nachziehen"

Fr 18.12.20 | 08:46 Uhr
Symbolbild: Ärzte und Pfleger untersuchen einen Patienten auf der Covid 19 Intensivstation. (Quelle: dpa/Bodo Schackow)
dpa/Bodo Schackow
Audio: Inforadio | 18.12.2020 | Jörg Weimann im Interview | Bild: dpa/Bodo Schackow

Nach der Charité werden wohl bald auch andere Krankenhäuser in Berlin in eine Art Notbetrieb wechseln. Das prognostiziert der Berliner Intensivmediziner Jörg Weimann im rbb. Die Lage auf den Berliner Intensivstationen sei ernst, aber noch beherrschbar, betont er.

Die Berliner Charité hat angekündigt, den Betrieb ab Montag deutlich auf ein "reines Notfallprogramm" zurückzufahren. Dem Beispiel werden weitere Berliner Krankenhäuser demnächst folgen, glaubt Jörg Weimann, Chefarzt der Intensivmedizin des Sankt Gertrauden-Krankenhauses in Berlin-Wilmersdorf. "Davon ist auszugehen", sagte er am Freitagmorgen im Inforadio des rbb. Weimann ist auch Landesvorsitzender des Bundes der Anästhesisten.

Am Donnerstag hatte die Charité angekündigt, ab Montag für vorerst zwei Wochen keine planbaren Operationen mehr durchzuführen und sich auf die Versorgung von Corona-Patienten und Notfälle zu konzentrieren. Zudem soll das Personal umverteilt werden, um diese Priorisierung auch ermöglichen zu können. "Covid-19-Patienten haben Vorfahrt, das ist ein Prozess, den wir ja schon seit einigen Wochen erleben. Natürlich werden auch andere Kliniken nachziehen, in einen Vorweihnachtsmodus gehen und bewusst sagen, wir brauchen auf den Intensivstationen mehr Personal, um auch die Notfallversorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten", sagte Weimann.

Aufnahme von Patienten aus Brandenburg unproblematisch

Grundsätzlich sei die Lage in den Berliner Intensivstationen zwar angespannt, aber noch beherrschbar, so Weimann. Auch die 51 Corona-Patienten, die aus Brandenburg in Berliner Krankenhäuser verlegt werden sollen, seien unproblematisch: "Das ist noch sehr gut zu schaffen. Mit 51 Intensivpatienten wäre es schwierig geworden, aber bei Normalpatienten können wir Brandenburg ganz gut helfen, ohne dafür ganz große Klimmzüge machen zu müssen", erklärte der Intensivmediziner.

In Ballungszentren könne man nicht die Tür zulassen, wenn der Nachbar um Hilfe bitte, so Weimann: "Wir werden das verkraften und unsere Arbeit machen."

Weimann: Erste Impf-Erfolge im März

Weimann rechnet damit, dass sich der seit Mittwoch geltende harte Lockdown in zwei Wochen auch an den Zahlen ablesen lässt. Noch liegen die auf sehr hohem Niveau - am Freitag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) knapp 34.000 neue Infektionen in Deutschland, ein neuer Höchstwert.

"Ich schaue nicht so sehr auf die Neuinfektionszahlen. Für uns entscheidend sind vielmehr die Zahlen der Patienten, die bei uns im Krankenhaus ankommen. Und auch diese Zahlen gehen weiter nach oben. Das wird sicherlich noch zwei oder drei Wochen so weitergehen", so der Chefarzt des Sankt Gertrauden-Krankenhauses.

Eine grundsätzlich neue Lage könnten derweil die bevorstehenden Impfungen einleiten, so der Chefarzt: "Die Impf-Methode könnte tatsächlich ein Game-Changer sein, wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und glauben, dass wir dann auch gleich die Pandemie los sind", betont er.

Realistisch sei, dass bis in den Frühling hinein die Lage ernst bleibe. Weimann rechnet damit, dass sich erste Impf-Erfolge erst im März einstellen, sobald die höchste Prioritätengruppe geimpft sei. Dazu zählen Über-80-Jährige, Bewohner in Pflegeheimen sowie das dortige Personal und auch medizinisches Personal in besonders sensiblen Krankenhausbereichen.

Diese Priorisierung, die die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts vorgelegt hatte und die am Freitag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erlassen werden soll, befürwortet Weimann ausdrücklich: "Die vulnerable Gruppe als erste zu schützen, ist eine gesellschaftliche Entscheidung, die ich für richtig halte."

Eine grundsätzlich neue Lage könnten derweil die bevorstehenden Impfungen einleiten, so der Chefarzt: "Die Impf-Methode könnte tatsächlich ein Game-Changer sein, wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und glauben, dass wir dann auch gleich die Pandemie los sind", betont er. Realistisch sei, dass bis in den Frühling hinein die Lage ernst bleibe. Weimann rechnet damit, dass sich erste Impferfolge erst im März einstellen, sobald die höchste Prioritätengruppe geimpft sei. Dazu zählen über 80-Jährige, Bewohner in Pflegeheimen sowie das dortige Personal und auch medizinisches Personal in besonders sensiblen Krankenhausbereichen.

Diese Priorisierung, die die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts vorgelegt hatte und die am Freitag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erlassen werden soll, befürwortet Weimann ausdrücklich: "Die vulnerable Gruppe als erste zu schützen, ist eine gesellschaftliche Entscheidung, die ich für richtig halte."

Sendung: Inforadio, 18.12.2020, 7:05 Uhr

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