Stimmungsbild aus einer Risikogruppe - Was Pflegekräfte über die Corona-Impfung denken

Di 01.12.20 | 06:40 Uhr | Von Anna Corves
Robert Michael
Video: Brandenburg aktuell | 01.12.2020 | Bild: dpa/Robert Michael

In Deutschland sollen sich zuerst Menschen impfen lassen können, die im Gesundheitssystem arbeiten. Bisher kam der Impfstoff allerdings nur in Studien zum Einsatz. Wie stehen die dazu, die ihn zuerst bekommen sollen? Anna Corves hat mit Pflegekräften gesprochen.

"Lassen Sie sich gegen Corona impfen?" Stellt man diese Frage in einem Online-Forum für Pflegekräfte, wird schnell klar: Das Thema ist ein heißes Eisen. 338 Kommentare in kurzer Zeit, von sachlich über hitzig bis beleidigend. Auch im moderaten Lager sind die Meinungen kontrovers.

Oliver Schaal sagt im Gespräch, er sei froh, dass beim Impfstoff diesmal ausnahmsweise zuerst an die Pflege gedacht werde. Als ambulanter Altenpfleger betreut er Beatmungspatienten - eine Hochrisikogruppe. "Für mich ist es eine Frage der Solidarität, sich impfen zu lassen." Als Pflegekraft, die mit Risikopatienten arbeite, trage man dahingehend nochmal mehr Verantwortung.

So sieht das auch der 38-jährige Kevin*. Er arbeitet im Krankenhaus, auch auf Stationen mit Covid-Patienten. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wer sich als Pfleger nicht impfen lässt, der darf nicht arbeiten." Die Situation sei einfach brandgefährlich.

"Ich fühle mich überhaupt nicht wie ein Versuchskaninchen"

Ganz anders sieht das Michaela*. Auch sie arbeitet im Krankenhaus, unter anderem in der Notaufnahme. Sie, ihre ganze Familie, sei gegen alles geimpft, was die Ständige Impfkommission empfehle, auch bei der jährlichen Grippeimpfung mache sie mit. Aber die Corona-Impfung? Die will sie erstmal nicht. "Das geht mir alles einfach zu schnell." Es handele sich um ein neues Virus, von dem man vieles noch nicht wisse – und trotzdem soll es bald schon einen sicheren Impfstoff geben?

Diese Skepsis teilen viele im Forum. Die Fraktion der Impfbefürworter hält dagegen, dass so viele finanzielle Mittel wie noch nie in die Impfstoffentwicklung geflossen seien, dass keine Forschungsstufe übersprungen worden sei, dass solide Studien mit Tausenden von Testpersonen abgeschlossen wurden.

So sieht das auch Sabine*, die in der ambulanten Pflege arbeitet: "Man sollte schon auch ein bisschen Vertrauen in die Forschung haben", sagt sie. Sie würde sich sofort impfen lassen, ohne zu zögern. "Ich fühle mich überhaupt nicht wie ein Versuchskaninchen, gar nicht."

Unter Druck gesetzt fühle sie sich bei dieser Entscheidung nicht, weder vom Arbeitgeber noch von sonst jemandem, wie sie sagt. Eine gewisse Erwartungshaltung spüre sie aber schon: In der Gesellschaft werde es schon als selbstverständlich angesehen, dass Mitarbeiter im Gesundheitswesen sich vor allen anderen impfen lassen. "Da wird schon auch aus Egoismus gedacht: Besser die erstmal als wir." Aber man habe nun einmal auch eine besondere Verantwortung.

"Setze ich meine Gesundheit für Andere aufs Spiel?“

Krankenhauspflegerin Michaela* nimmt das nach eigener Aussage so in der Gesellschaft nicht wahr. Aber in der Politik. Da gebe es die Haltung, dass die Pflegenden immer funktionieren, trotz aller persönlichen Risiken bei der Arbeit in der Pandemie, jetzt vielleicht auch bei der Impfung. Das ärgere sie, sagt sie. "Auch dass ein Herr Spahn sagt, notfalls müssten auch positiv getestete Pflegekräfte arbeiten gehen: Das macht für mich eine Impfung fast überflüssig." Wenn sie auch positiv getestet arbeiten gehen kann, warum solle sie sich dann überhaupt impfen lassen? "Man fühlt sich veräppelt."

Manche Pflegekräfte ringen aber auch noch mit ihrer Haltung. So wie Lina*. Sie arbeitet als Leihpflegekraft in verschiedenen Krankenhäusern, gelegentlich auch mit Covid-Patienten. Sie sagt, sie spüre die Verantwortung gegenüber den Patienten, sich impfen zu lassen. Einerseits. Andererseits mache ihr die Schnelligkeit der Impfstoffentwicklung Angst. "Ich stecke im Zwiespalt: Setze ich meine Gesundheit aufs Spiel, um die Gesundheit anderer zu sichern?" Das sei für sie eine sehr schwierige Frage. Sie werde mit der Impfung wohl ein bis zwei Jahre warten, sagt Lina*. Sie sei leider nicht mutig genug.

* Name von der Redaktion geändert. Bis auf Oliver Schaal wollten sich alle Pfleger und Pflegerinnen nur anonym äußern.

Sendung: Inforadio, 01.12.2020, 07:10 Uhr

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