Interview | Intensivregister-Leiter Karagiannidis - Warum Berlin bei der Intensivbetten-Koordination Vorbildstadt ist

Di 01.12.20 | 11:38 Uhr
Auf einer Covid-Station wird ein Patient von Ärzten und Schwestern mit angeschlossenen Geräten durch einen Flur gefahren. (Bild: dpa/Waltraud Grubitzsch)
Bild: dpa/Waltraud Grubitzsch

In Berlin sind besonders viele Intensivbetten derzeit mit Covid-19-Patienten belegt, einige Krankenhäuser sind sogar komplett ausgelastet. Trotzdem ist der Leiter des Intensivbettenregisters Divi mit der Situation zufrieden. Und lobt Berlin explizit.

rbb: Herr Karagiannidis, die zweite Corona-Ampel, die der Intensivbetten, steht jetzt in Berlin nach ein wenig hin und her auf Rot. Das heißt der 25-Prozent-Warnwert ist da überschritten. Auch deutschlandweit liegen etwa 3.900 Corona-Patienten auf Intensivstationen. Wie kritisch ist diese Situation?

Christian Karagiannidis: Wir sehen jeden Tag in unserem Divi-Intensivregister, dass wir in Deutschland immer noch ausreichend Kapazitäten haben, um die Patienten intensivmedizinisch zu versorgen. Es ist aber bei weitem nicht mehr so entspannt wie in den Sommermonaten und auch in der ersten Welle. Die Intensivbetten werden also nicht nur in Berlin knapp. Auch in Köln liegt die Kapazität noch bei etwa zehn Prozent freien Betten. Für ganz Deutschland steht die Ampel insgesamt auf Gelb.

In Berlin ist die Situation besonders angespannt. Mehr als 25 Prozent der Intensivbetten der Stadt sind jetzt mit Covid-19-Patienten belegt. Aber auch viele andere Patienten sind auf Intensivbetten angewiesen. In einigen Kliniken sind die Intensivstationen tatsächlich schon komplett ausgelastet. Wie besorgniserregend ist diese Situation in Berlin?

Unser Register zeigt, dass in Berlin immer noch freie Intensivbetten zur Verfügung stehen. Das ist eine ganz wichtige und sehr gute Nachricht für die Bevölkerung. Und in Berlin gibt es eine Besonderheit, die so nur Berlin als einziges Bundesland hat: Es gibt hier eine extrem gute Koordination innerhalb der Stadt. Das heißt, wenn in einem Krankenhaus keine Kapazitäten mehr sind, dann ist gut koordiniert, dass die Patienten in andere Krankenhäuser gehen. Berlin ist in meinen Augen die Vorbildstadt für Deutschland. Da müssten andere Bundesländer eigentlich nachziehen und die Koordination und Verschiebung von Patienten zwischen verschiedenen Krankenhaus-Standorten genauso durchführen.

Jetzt sinken die Infektionszahlen noch nicht wirklich deutlich - aber sie haben sich immerhin stabilisiert. Sind Sie mit dem Wellenbrecher-Shutdown zufrieden?

Aus intensivmedizinischer Sicht können wir schon zufrieden sein. Wir haben zwar ein relativ hohes Niveau mit den 20 bis 25 Prozent Belegung der Intensivbetten in einigen Hotspots, aber wir haben auch keine wesentliche Steigerung mehr. Deswegen hat dieser Lockdown Light aus unserer Sicht schon eine sehr gute Wirkung. Es pendelt sich zwar auf diesem relativ hohen Niveau ein – aber offensichtlich kommen die Krankenhäuser in Deutschland – auch wenn es knarzt – damit insgesamt zurecht. Ich glaube also, dass das insgesamt gut funktioniert hat. Aber es wäre natürlich wünschenswert wenn wir noch weniger Infektionen hätten.

Einen richtigen Durchbruch dürfte es dann erst mit dem Impfstoff geben. Was halten Sie von den bisher bekannten Impfstoffen?

Die Daten sind insgesamt exzellent. Sie zeigen, dass die Immunantwort, die auf den Impfstoff gebildet wird, sehr gut ist. Was uns vor allen Dingen sehr positiv stimmt, ist der hohe prozentuale Anteil derjenigen, die auch wirklich einen Schutz haben. Das ist mit zum Teil 95 Prozent sehr gut. Sodass wir alle hoffen, dass wir nächstes Jahr irgendwann in der zweiten Jahreshälfte mit dieser Welle wirklich durch sind. Und dass die Impfung einen so guten Schutz bietet, dass diese Erkrankung nur noch vereinzelt auf der Intensivstation vorkommt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Julia Menger und Kerstin Hermes, Radioeins

Sendung: Radioeins, 01.12.2020, 07:40 Uhr

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