Polnische Obdachlose in Berlin - Mehr Menschen werden durch Corona wohnungslos

So 13.12.20 | 16:14 Uhr | Von Jakub Paczkowski
Andżelika aus Polen (Quelle: rbb)
Bild: rbb

In ganz Berlin soll es rund 10.000 wohnungslose Menschen geben. Etwa die Hälfte von ihnen sind Polen. Manche haben wegen der Corona-Pandemie ihre Arbeit verloren und sind so in Not geraten. Jakub Paczkowski hat einige von ihnen getroffen.

Zuza Mączyńska arbeitet als Streetworkerin bei Gangway e.V., einer Organisation, die seit über 30 Jahren auf Berlins Straßen tätig ist. Zuza weiß, wo sich Bedürftige aufhalten und versucht, ihnen vor Ort zu helfen. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Lage ihrer Klientel dramatisch verschlechtert – vor allem bei den Notübernachtungen. Die Plätze dort seien durch die Einhaltung der Abstandsregeln sehr begrenzt. Zudem seien deutlich weniger Berliner und Berlinerinnen abends auf den Straßen unterwegs. Flaschensammeln und Betteln werde dadurch schwieriger.

"Diese ganzen Bewältigungsstrategien, die sich die Leute über Jahre erarbeitet haben, brechen jetzt weg", sagt Zuza. Die Schätzungen der Hilfsorganisationen gehen von etwa 10 000 wohnungslosen Menschen in Berlin aus. Polnische Staatsangehörige sind eine der größten Gruppen unter ihnen, schätzungsweise 2.000 bis 5.000 Personen. Da Zuza Polnisch spricht, kümmert sie sich besonders um diese Gruppe.

Zuza Mączyńska, polnische-Sozialarbeiterin (Quelle: rbb)
Die polnische Sozialarbeiterin Zuza Mączyńska | Bild: rbb

Hoffnung auf ein neues Leben

An der Kreuzung von Mehringdamm und Gneisenaustraße trifft sie ihren Klienten Waldemar. Er lebt bereits seit neun Jahren auf der Straße. Vor Kurzem hat er einen Drogenentzug erfolgreich durchgestanden – eine wichtige Voraussetzung, um ein neues Leben zu beginnen.

Für Waldemar ist die momentane Situation nicht leicht zu meistern. Als EU-Bürger kann er zwar in Deutschland leben. Aber von Sozialleistungen bleibt er ausgeschlossen. Trotzdem sieht er hier mehr Chancen für sich als in Polen. Er ist von seinem Land enttäuscht und will nicht dorthin zurück.

Auch Waldemar macht der Lockdown zu schaffen. Er hat das Gefühl, dass die Gruppe der Hilfsbedürftigen wächst. Es wird immer schwieriger für ihn, warmen Unterschlupf für die Nacht zu finden. Auch Krankenhäuser und Therapieangebote seien im Moment stakt überlaufen. Vieles ist jetzt für die Obdachlosen komplizierter geworden. "Und nicht nur für uns, auch für euch!", sagt er verständnisvoll.

Der polnische Obdachlose Waldemar (Quelle: rbb)
Der polnische Obdachlose Waldemar | Bild: rbb

Die "neuen" Obdachlosen

Durch die Corona-Pandemie wächst eine neue Gruppe bedürftiger Personen: Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, viele davon aus Polen und anderen osteuropäischen EU-Staaten. Andżelika zum Beispiel. Sie arbeitete vor der Corona-Pandemie in einem Berliner Hotel. Durch die Krise in der Gastronomie- und Hotelbrache verlor sie ihrem Job. Ähnlich wie Waldemar, erfüllt sie nicht die Voraussetzungen für den Erhalt von Sozialleistungen.

Ein Anlaufpunkt für Hilfesuchende wie Andżelika ist die Beratungsstelle Klik e.V. in der Torstrasse in Berlin-Mitte. Hier können Menschen mit sozialen und existenziellen Problemen Beratung und Hilfe erhalten.

Es gibt immer mehr Bedürftige, die durch Corona in Not geraten sind, und zuvor in der Lage waren, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, sagt Sozialarbeiterin Kristine Kieper. Die Beratungen seien bei Klik seit der Pandemie drastisch angestiegen.

Der harte Lockdown steht vor der Tür

Trotz der schwierigen Wirtschaftslage versucht Andżelika einem neuen Job zu bekommen. Dafür stellt ihr Klik einen PC mit Internetanschluss zur Verfügung. "Viele Bedürftige wissen nichts von den Hilfsangeboten des Vereins", bemängelt Andżelika – und hilft deswegen mit, die Informationen auf der Straße zu verbreiten.

In den Vereinsräumen gibt es auch eine Waschmaschine und Duschen. Warme Kleidung darf sie sich zum Nulltarif aus der hauseigenen Kleiderkammer nehmen. Mit Hilfe von Klik wurde Andżelika in einem Obdachlosenheim untergebracht. Doch sie versucht weiterhin, in Berlin Fuß zu fassen – und wendet macht sich entschieden gegen gängige Vorurteile: "Nicht alle Obdachlose sind Alkoholiker oder Drogensüchtige. Wenn jemand auf dem Boden liegt, muss das nicht bedeuten, dass er betrunken ist. Manchmal ist dieser Jemand krank. Also schaut nach und fragt, ab diese Person vielleicht Hilfe braucht!"

Andżelika ist entschlossen, mit Hilfe von Kristine möglichst schnell einen Job und eine Wohnung zu finden. Der harte Lockdown steht vor der Tür und wird ihr das nicht leichter machen.

Sendung: Kowalski & Schmidt, 12.12.2020, 17:30 Uhr

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Beitrag von Jakub Paczkowski

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