Nach Razzia in Neuköllner Moschee - Generalstaatsanwaltschaft prüft Auszahlung von Corona-Hilfen

Sa 05.12.20 | 09:58 Uhr | Von Ursula Voßhenrich
Ein Mann liest eine Kopie des Korans (Quelle: dpa/Marton Magocsi)
Bild: dpa/Marton Magocsi

Eine Neuköllner Moschee hatte Corona-Soforthilfen beantragt und diese auch erhalten. Am 26. November plötzlich die Razzia. Der Verdacht: Subventionsbetrug. Jetzt stellt sich die Frage: Warum hat die Investitionsbank Berlin die Hilfen überhaupt genehmigt? Von Ursula Voßhenrich

Am 26. November wurden die Räume der Neuköllner Da-as-Salam-Moschee mit einem massiven Polizeiaufgebot durchsucht. Anlass der Razzia: Der Verdacht auf Subventionsbetrug. Der Trägerverein der Moschee, die Neuköllner Begegnungsstätte e,V., hatte im März aus einem Corona-Soforthilfe-Fonds 14.000 Euro beantragt und erhalten. Zu Unrecht, und so kam die Polizei.

Kritik an Razzia: Völlig unverhältnismäßig

"Das war kinoreif", sagt Juanita Villamor bitter: "Es sah aus wie ein Einsatz bei Waffen- oder Drogenschmuggel." Das Aufgebot von acht großen Einsatzwagen mit zum Teil bewaffneten und maskierten Beamtinnen und Beamten sei stigmatisierend und völlig unverhältnismäßig gewesen, so die Pressesprecherin des Vereins "Neuköllner Begegnungsstätte".

Gemeinde habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt

Der gemeinnützige Verein "Neuköllner Begegnungsstätte" hatte im März bei der Investitionsbank Berlin (IBB) 14.000 Euro Corona-Soforthilfe beantragt und erhalten. Die Gemeinde habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und das Geld dem Zweck entsprechend für Nebenkosten und Gehälter ausgegeben. "Wir waren in der Zeit der Antragstellung in einer existentiellen Notlage", so Juanita Villamor. "Wir finanzieren uns ausschließlich durch Spenden unserer Gemeindemitglieder, die zum Gebet kommen." Doch wenn statt 1.000 nur noch 50 Gemeindemitglieder pro Woche in die Moschee kommen können, zudem Hochzeitsfeiern und Veranstaltungen ausfallen, sind nahezu alle Einnahmequellen versiegt.

Online-Spenden seien in der Gemeinde nach wie vor nicht üblich. Der Verein stehe vor dem wirtschaftlichen Ruin. In dieser Situation rieten ihnen im Frühjahr Bekannte aus anderen gemeinnützigen Vereinen und Kirchengemeinden, die Corona-Soforthilfe zu beantragen. Dass ihnen das Geld aus dem Corona-Hilfsfond nicht zusteht, hätten sie nicht geahnt, so Villamor.

Nachdem es allerdings im Oktober in der Kreuzberger Mevlana-Moschee eine Razzia wegen Betrugsverdacht im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen gab, bemühte sich die Neuköllner Begegnungsstätte um Klärung, erzählt deren Sprecherin Juanita Villamor. Sie habe sich an die IBB gewandt, um die Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen und das Geld gegebenenfalls zurück zu zahlen. Ein paar Tage später, vor der Klärung des Falls, rückte die Polizei an.

Corona-Hilfen nur bei ausreichenden gewerblichen Tätigkeiten

Aber was hat der Moscheeverein überhaupt falsch gemacht? Über den Einzelfall könne die Investitionsbank keine Auskunft geben, sagt der Sprecher der IBB, Jens Holtkamp, auf Nachfrage gegenüber dem rbb. Nur so viel: Laut Förderrichtlinien durften im März 2020 gemeinnützige Vereine durchaus Corona-Hilfen beantragen, aber nur wenn sie neben der Gemeinnützigkeit noch gewerbliche Tätigkeiten in ausreichendem Umfang nachweisen konnten, wie etwa den Verkauf von Büchern oder Lebensmitteln. Die wenigen Einnahmen aus dem Cafeteria-Betrieb der Moschee reichten für den Nachweis nicht aus. Daher habe der Verein Neuköllner Begegnungsstätte zu Unrecht die Fördergelder bezogen.

Für die Staatsanwaltschaft war das laut Durchsuchungsbeschluss "eine schwere Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung und einem hohen Maß an Sozialschädlichkeit. Die Anordnung der Durchsuchung im vorgenannten Umfang ist daher im Hinblick auf den Tatvorwurf verhältnismäßig".

"Subventionsbetrug, Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, ist kein Kavaliersdelikt. Vor allem wenn es um Beihilfen und Gelder geht, die anderen Kleinstbetrieben weggenommen werden, die in Existenznot sind", erklärt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Martin Steltner, den Umfang des Polizeieinsatzes.

Moschee wird Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt

In Berlin gehen Polizei und Staatsanwaltschaft seit Herbst verstärkt Betrugsfällen mit Corona-Soforthilfen nach. Insbesondere in extremistischen und islamistischen Kreisen würden sie immer wieder fündig, so Martin Steltner. Und zu einem solchen Umfeld wird gemeinhin auch die Dar-as-Salam-Moschee gerechnet: Ihr wird Nähe zur islamistischen Muslimbruderschaft nachgesagt. 2015 und 2016 wurde der Moscheeverein im Berliner Verfassungsschutzbericht erwähnt. Dagegen hatte er 2017 allerdings erfolgreich geklagt.

Der Imam der Moschee, Taha Sabri, gilt den einen als offener und engagierter Vertreter des Islam im interreligiösen Dialog, andere sehen ihn als liberales Aushängeschild der Gemeinde.

Hat die IBB zu leichtfertig Gelder ausbezahlt?

Unabhängig von dieser Einschätzung wurde allerdings die Corona-Hilfe von der Neuköllner Begegnungsstätte mit allen angeforderten Unterlagen beantragt. Es stellt sich jetzt auch die Frage: Warum hat die Investitionsbank den Antrag überhaupt genehmigt?

"Wir prüfen in einem Ermittlungsverfahren auch, ob hier auf Seiten der IBB zu leichtfertig Gelder ausgezahlt worden sein könnten", erklärt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Martin Steltner gegenüber dem rbb.

Neue Regeln: Moschee wäre jetzt antragsberechtigt

Inzwischen gibt es eine Neuauflage von Corona-Hilfsfonds mit geänderten Anforderungen. Nun sind auch gemeinnützige Vereine wie die Neuköllner Begegnungsstätte antragsberechtigt.

Sendung: Inforadio, 05.12.2020, 07:00 Uhr

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